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Wer zahlt bei einer Olympia-Absage?

Matt Pearson
29. April 2020

Der Leiter des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele in Tokio, Yoshiro Mori, sagt, die Spiele würden eher abgesagt als um ein weiteres Jahr verschoben. Aber wer käme für die Kosten im Fall einer Absage auf?

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Japan Tokio Olympische Spiele verschoben  "Tokyo 2021"
Bild: Reuters/D. Ruvic

Sehr lange schien es keine Alternative zu sein: Dann zeigte sich aber, dass eine Verschiebung um ein Jahr der einzig gangbare Weg zur Rettung der Olympischen Spiele in Tokio ist. Nun brachte der Präsident des Organisationskomitees Tokio 2020, Yoshiro Mori, sogar die Möglichkeit ins Spiel, dass die Spiele zum ersten Mal seit 1944 ganz abgesagt werden könnten. Dann nämlich, wenn das Coronavirus bis Juli 2021 nicht unter Kontrolle ist.

In diesem Fall würden die Olympischen Spiele "scrapped", sagte Mori der japanischen Sportzeitung Nikkan - was soviel wie "verschrottet" bedeutet. Wobei sich der ehemalige japanische Premierminister allerdings insgesamt sehr zuversichtlich zeigte, dass die Spiele im nächsten Jahr stattfinden können.

"Diese Olympischen Spiele wären viel wertvoller als alle Olympischen Spiele in der Vergangenheit, wenn wir nach einem Sieg in dieser Schlacht weitermachen könnten. Daran müssen wir glauben, sonst werden unsere harte Arbeit und unsere Bemühungen nicht belohnt", so Mori.

So gut wie alle Arbeiten waren weitgehend abgeschlossen, als die COVID-19-Pandemie das Internationale Olympische Komitee (IOC) im vergangenen Monat zwang, die Spiele zu verschieben. Eine Aussetzung kostet zwar Geld, aber eine Absage würde einen noch viel höheren Preis bedeuten, wobei der Großteil der finanziellen Last vom Gastgeberland zu tragen wäre.

Ganze Sportler-Generation verliert Olympia-Chance

Japan Osaka | G20 Gipfel | Thomas Bach und  Yoshiro Mori
Yoshiro Mori, IOC-Präsident Thomas BachBild: Reuters/K. Kyung-Hoon

"Sie haben Milliarden und Aber-Milliarden von Dollar investiert. Sie haben schwere Arbeit geleistet. Sie haben alle Spielorte gebaut. Sie haben die gesamte Technologie und Infrastruktur geschaffen. Warum also all das aufgeben?", fragt der ehemalige IOC-Marketingdirektor Michael Payne in einem Interview mit der DW. "Für die Athleten, auf die sich das IOC meiner Meinung nach am meisten konzentriert, würde das bedeuten, dass eine ganze Generation ihre Olympia-Chance verliert. Ich glaube also, dass man erst jeden Stein umdrehen muss, ehe man sich mit einer weiteren Verschiebung beschäftigen würde." Und noch sei genügend Zeit. 

"Das ist noch 15 Monate entfernt. Und wir schauen uns an, wie schnell sich die Dinge mit dem Virus entwickeln, von der Abriegelung über die Öffnung bis hin zur Rückkehr der Reisenden. Und ich denke, es ist viel, viel zu früh, um zu entscheiden, wie die Weltlage in 15 Monaten aussehen wird."

Letztendlich würde die Entscheidung zur Absage beim IOC liegen, und die möglichen Folgen bei Japan, sollte man sich nicht einig werden. Dann würde es nicht nur um die geschätzte eine Milliarde Euro für die Erstattung bereits verkaufter Tickets gehen. Versicherungsfragen müssten zudem geklärt werden. Und so ist in fast jeder Hinsicht, sowohl für das IOC als auch für das Gastgeberland, ein Aufschub eine bessere Option als eine Absage.

Absage durch Japan wäre teuer

Japan neues Nationalstadion in Tokio
Olympia-Stadion ohne Olympische Spiele - eine finanzielle KatastropheBild: picture-alliance/dpa/Kyodo/Maxppp

"Wenn die Japaner einseitig absagen würden, wären sie finanziell sehr angreifbar gegenüber dem IOC und gegenüber allen Olympia-Partnern", fuhr Payne fort. "Auf der einen Seite haben Sie die wirtschaftliche Dynamik. Auf der anderen Seite steht die internationale sportliche Dynamik. Und ich denke, das IOC wird alles dafür tun, um sicherzustellen, dass die Athleten ihre olympische Erfahrung machen können und dass diese nicht für eine ganze Generation verloren geht."

Einige Athleten haben bereits ihren Rücktritt nach der anfänglichen Verschiebung angekündigt. Und zweifellos würde eine achtjährige olympische Lücke vielen die Chance nehmen, in ihren Top-Jahren den olympischen Gipfel zu erreichen. Doch sowohl das IOC als auch Tokio haben noch andere, größere finanzielle und politische Bedenken, die es zu berücksichtigen gilt, falls der "worst case"  eintreten sollte.

Schwierige Bewerbersuche

Die Schätzungen der versteckten Kosten für Japan schwanken stark, zwischen mindestens 11,1 Milliarden Euro bis zu 23 Milliarden Euro, wobei der Anteil des IOC auf etwa 740 Millionen Euro geschätzt wird. Es gilt zudem auch inländische Sponsorenverträge zu berücksichtigen (etwa drei Milliarden Euro), während nationale und internationale TV-Rechtepakete für beide Seiten ebenfalls von wesentlicher Bedeutung sind.

In den letzten Jahren hatte das IOC Mühe, überhaupt Bewerber für eine so komplexe und teure Veranstaltung zu finden, bei der der zu erzielende Gewinn oft eher in immateriellen ist. "Es geht um die Jahre nach den Spielen. Diese weichen Effekte können ein Jahrzehnt oder länger andauern. Es geht darum, das Konzept ,Made in Japan' neu zu definieren, das Branding Japan Inc. All das würde verloren gehen", sagt Payne.

Es ist gut möglich, dass Moris kritische Äußerungen vor allem die eines erfahrenen Politikers waren, der gute Argumente für die Beibehaltung seines Jobs nennen wollte. Als Masa Takaya, der Sprecher von Tokio 2020, die Ansichten seines Landsmanns kommentieren sollte, betonte er, dass diese Moris Überzeugungen seien und dass "unsere Mission darin besteht, die Spiele im nächsten Jahr auszurichten". Sollte das nicht gelingen, gibt es nur Verlierer. Sowohl sportlich als auch finanziell.