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Schwierige Mission in Kairo

Andreas Gorzewski1. August 2013

Westerwelle mahnt in Kairo die Rückkehr zur Demokratie an, ohne den Umsturz direkt zu verurteilen. Der Außenminister balanciert zwischen unterschiedlichen Interessen. Große Druckmittel hat Berlin dabei offenbar nicht.

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Westerwelle wirbt bei seinem Amtskollegen Fahmi am 1.8.2013 für die Rückkehr zur Demokratie (Foto: dpa)
Westerwelle wirbt bei seinem Amtskollegen Fahmi für die Rückkehr zur DemokratieBild: picture-alliance/dpa

Wie in Kairo den richtigen Ton gegenüber der neuen Übergangsregierung und den von der Macht verdrängten Muslimbrüdern finden? An diesen Balanceakt wagte sich Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). Er war am Mittwochabend (31.07.2013) als erster westlicher Außenminister nach dem Umsturz am 3. Juli an den Nil gereist. Das Militär hatte den aus der Muslimbruderschaft stammenden Präsidenten Mohammed Mursi abgesetzt. Berlin will für eine Rückkehr zur Demokratie werben. Gleichzeitig will die Bundesregierung verhindern, dass die Spannungen zwischen islamistischen Muslimbrüdern und nicht-religiösem Lager eskalieren. Während des Westerwelle-Besuchs protestierten wieder tausende Islamisten in der ägyptischen Hauptstadt. Nennenswerte Druckmittel hat der Außenminister nach Ansicht von Experten nicht im Gepäck. "Wir können nur Ratschläge geben", sagte der Außenamtschef nach einem Treffen mit seinem ägyptischen Amtskollegen Nabil Fahmi (Foto).

Nach Einschätzung von Maha Azzam, Ägypten-Expertin der britischen Denkfabrik Chatham House, macht die Westerwelle-Mission trotzdem Sinn. "Das macht der Übergangsregierung und den Generälen klar, dass die Außenwelt die sensible Situation beobachtet und ihre Forderung nach Demokratisierung nicht aufgibt", sagt Azzam im DW-Gespräch. Diese Aufmerksamkeit erzeuge Druck auf die Führung in Kairo.

Umsturz nicht als Putsch bezeichnet

Unmittelbar nach dem Umsturz Anfang Juli hatte der Außenminister erklärt: "Das ist ein schwerer Rückschlag für die Demokratie in Ägypten." Umso wichtiger sei es, zügig den Weg zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückzufinden. Allerdings kam aus Berlin keine scharfe Verurteilung des Militärputsches. In Kairo wollte Westerwelle nicht von einem Putsch reden. "Dies sind die ersten Minuten einer historischen Stunde", sagte er diplomatisch. Es gehe um einen Neuanfang für das Land. Ob Berlin auch weiterhin Hilfen in dreistelliger Millionenhöhe bereitstellt, ließ Westerwelle offen. Was für 2013 an Mitteln für zivilgesellschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche Projekte zugesagt sei, werde ausgezahlt. Alles weitere müsse im Lichte der kommenden Entwicklungen beurteilt werden.

Die Bundesregierung ist in dem Dilemma, dass sie gleichzeitig für Demokratie, Stabilität und Sicherheit eintritt. Am Nil stehen diese offenbar im Widerspruch zueinander. Die ägyptischen Militärs präsentieren sich einerseits als Garanten gegen einen drohenden Bürgerkrieg zwischen dem islamistischen und dem nicht-religiösen Lager. Andererseits haben die Militärs Mursi als frei gewählten Präsidenten abgesetzt. Das Außenministerium sei sich dieser schwierigen Lage voll bewusst, sagt Christian Achrainer von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. "Das erklärt, warum alle Statements, die man aus Regierungskreisen hört, sehr wässrig sind", meint Achrainer. "Es gibt keine eindeutige Parteinahme."

In Protestcamps fordern die Muslimbrüder die Wiedereinsetzung Mursis als Präsident. Foto vom 19.7.2013 (Foto: AP)
In Protestcamps fordern die Muslimbrüder die Wiedereinsetzung Mursis als PräsidentBild: picture-alliance/AP

Kritik in Kairo an Position Berlins

Der Bundesaußenminister verzichtete zum Beginn seiner Visite darauf, erneut die Freilassung Mursis zu fordern. Diese Forderung war zuvor bei der neuen Führung in Kairo und bei nicht-religiösen Gruppen auf Unverständnis gestoßen. "Es gibt in Ägypten sehr viele kritische Stimmen gegenüber der Positionierung der Bundesregierung", erklärt Stephan Roll von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Deutschland habe noch vor den USA und anderen europäischen Staaten verlangt, Mursi auf freien Fuß zu setzen. Roll ermutigt die Bundesregierung, trotz aller Kritik an dieser Haltung festzuhalten.

Berlin und Kairo hatten in den zwölf Monaten, in denen die Muslimbrüder mit Mursi an der Macht waren, sachlich zusammengearbeitet. Im Januar 2013 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Mursi in Berlin empfangen. "Die Zusammenarbeit mit einer frei gewählten Regierung sprach mehr für die deutsche Regierung als nun der Umgang der EU und der USA mit einer Führung, die durch einen Putsch an die Macht gekommen ist", kritisiert Chatham-House-Analystin Azzam.

Am 30. Januar 2013 hatte Mursi Merkel in Berlin besucht. (Archivfoto: dapd)
Im Januar hatte Mursi Merkel in Berlin besuchtBild: dapd

Muslimbrüder in Dialog einbinden

Auch jetzt sucht der Außenminister den Kontakt zu den Muslimbrüdern. Das hatte wenige Tage vor ihm auch schon die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton getan. Für eine Beruhigung der aufgeheizten Stimmung in dem nordafrikanischen Land ist ein Dialog zwischen Islamisten und Übergangsregierung unerlässlich. Deshalb ermutigte Westerwelle die Ägypter erneut, solch einen Dialog zu beginnen. Die Muslimbrüder würden dabei nach Einschätzung von Achrainer eine deutsche oder europäische Vermittlung begrüßen. "Das ist aber auch einfach zu erklären, da die Muslimbrüder in einer schlechten Lage sind", meint der Ägypten-Fachmann. Jeder Akteur, der sich nicht gegen die Muslimbrüder stelle, werde willkommen geheißen. Große Erfolgsaussichten hätten Deutschland oder die EU in so einer Vermittlerrolle aber nicht.

Insgesamt ist der deutsche Einfluss auf die Ereignisse in Ägypten eher gering, ist auch der Berliner Forscher Roll überzeugt. Die Lage in dem Krisenstaat sei unübersichtlich. Die Machtfrage werde in einem komplizierten Prozess neu ausgehandelt. "Man hat von außen nicht wirklich Einfluss darauf - das gilt auch für die Bundesregierung", findet Roll.