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Werkzeugmaschinenbauer erfinden sich neu

Rolf Wenkel
19. Juni 2016

Die deutschen Werkzeugmaschinenbauer gehören zu den fünf größten Fachzweigen im Maschinenbau. Allerdings sehen sie sich vor großen Herausforderungen, weil sich Technologien und Absatzmärkte stark verändern.

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Fabrik der Zukunft: Produktion einer Autotür
Bild: Art-Kon-tor/Fraunhofer IWU

Die deutschen Werkzeugmaschinenbauer liefern Produktionstechnologie für die Metallbearbeitung in alle Industriezweige und in die ganze Welt. Durch ihre Schlüsselstellung für die industrielle Produktion sind sie ein wichtiger Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Industrie: Geht's den Werkzeugmaschinenbauern gut, geht es der gesamten Industrie gut. 2015 produzierte die Branche mit rund 68 500 Beschäftigten Maschinen und Dienstleistungen im Wert von rund 15,1 Milliarden Euro - ein Plus von vier Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Eine der großen Aufgaben für die nahe Zukunft sieht die Branche in der Erschließung neuer Wachstumsmärkte. Derzeit gibt es nämlich sehr starke Verschiebungen in ihren Exportmärkten. China, seit 2003 mit Abstand größter Exportmarkt für die deutschen Hersteller mit einem Anteil von zeitweise bis zu einem Drittel, verliert an Gewicht. Die Hoffnung auf die Reindustrialisierung der USA mit hohen Investitionen in die Produktionstechnik hat sich bislang noch nicht erfüllt.

Europa wieder mehr im Focus

Auch Russland, über viele Jahre drittstärkster Markt, wird diese Rolle in absehbarer Zeit nicht mehr einnehmen. "Europa rückt daher wieder verstärkt in den Blickwinkel der deutschen Firmen, weil die europäischen Kunden mit hohen Qualitätsanforderungen im Weltmarkt konfrontiert sind und investieren", sagt Heinz-Jürgen Prokop, Vorsitzender des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW), der im Dezember 125 Jahre alt wird.

Vielversprechend jedoch sind nach Ansicht des VDW vor allem die Asean-Region und Indien. Sie bieten großes Potenzial für die Werkzeugmaschinenindustrie. Hier gelte es, die Kunden mit besseren Angeboten zu überzeugen und dem dort führenden Wettbewerber Japan konsequent Marktanteile abzuringen. "Das heißt mehr Engagement, mehr Präsenz, mehr Investitionen und gegebenenfalls auch mehr Kooperationen, im Fall, dass ein Mittelständler nicht alles Erforderliche allein stemmen kann", sagt VDW-Vorsitzender Prokop.

Automobilindustrie verändert sich

Vor einem Wandel seiner Geschäftsmodelle mit starken Auswirkungen auf die Produktionsausrüster steht auch die Automobilindustrie, der größte Abnehmer von Werkzeugmaschinen. Zentrale Themen sind der technologische Wandel vom Verbrennungsmotor zu alternativen Antriebsformen sowie das vernetzte und automatisierte Fahren. Neue, branchenfremde Wettbewerber wie Tesla oder Google treten in den Markt. Hinzu kommen neue Services für Kunden, etwa Car-Sharing-Modelle. Digitalisierung und Vernetzung machen es möglich. "Diese Entwicklung müssen wir im Blick behalten", mahnt Prokop.

Über 125 Jahre haben die deutschen Hersteller ihre Technik immer weiter entwickelt und optimiert. Deshalb stehen sie heute weltweit mit an der Spitze. Angesichts des hohen technischen Reifgrades der Maschinen besteht jedoch eine weitere Herausforderung in der Ausweitung des Dienstleistungsangebots mit verbessertem Kundennutzen. "Erfolgreich werden wir im Weltmarkt nur bleiben, wenn die Produkte weiterhin technisch führend sind und durch weiterentwickelte und zusätzliche Dienstleistungen ergänzt werden", ist Prokop überzeugt.

Neue Maschinenkonzepte

Industrie 4.0 eröffnet dazu auf einmal gigantische Chancen. "Es geht darum, neuen Kundennutzen durch Vernetzung zu generieren. Wie im privaten Leben auch, können sehr viele Tätigkeiten vereinfacht oder sogar automatisiert werden", weiß Prokop. Das Denken in Vernetzungslösungen sei für viele Unternehmen jedoch noch neu und benötige einen veränderten Blickwinkel. Von der vertikalen zur horizontalen Sichtweise, heißt die Devise. Die Maschine dürfe nicht mehr allein im Fokus stehen. Vielmehr müsse sie optimal in die Betriebsabläufe eines Unternehmens eingebettet werden.

So könnten völlig neue Maschinenkonzepte entstehen, neue Assistenzsysteme oder Lösungen für den Materialfluss und die Teileverfolgung. Und wer könnte dies besser realisieren als die Werkzeugmaschinenhersteller, die mitten im Produktionsprozess zu Hause sind? "Ein großes Feld, das in Teilbereichen noch weitgehend brach liegt und die Kreativität der Hersteller massiv anspornt", sagt Prokop.

Bessere Ausbildungsmöglichkeiten

Die wertvollste Ressource für die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie sind in allen Fachbereichen gut ausgebildete, hochqualifizierte und sehr engagierte Mitarbeiter, die ihre Aufgaben beherrschen und mit hoher Motivation daran arbeiten. Die schnellen technischen Veränderungen im Zusammenhang mit Industrie 4.0 verlangen jedoch auch neue Kompetenzen von ihnen.

Vor diesem Hintergrund fordert Prokop dringend eine Exzellenzinitiative für die berufliche Bildung. Dazu gehöre die Stärkung des Images der Berufsausbildung und technischer Berufsbilder. Vor allem gelte es jedoch, eine ausreichende Finanzierung der Berufsschulen für Ausstattung und Weiterbildung zu sichern, damit junge Menschen auf dem neuesten Stand der Technik ausgebildet werden können.