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OLG lässt Schadenersatzklage zu

Joscha Weber (mit sid,dpa)15. Januar 2015

Eine Schadensersatzklage auf 4,4 Millionen Euro von Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein wird vom Oberlandesgericht München zugelassen. Ein Urteil mit Folgen für die Sportgerichtsbarkeit.

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Claudia Pechstein (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/ZB/Thomas Eisenhuth

Der Fall Pechstein zieht immer weitere Kreise. Alles begann vor über fünf Jahren mit einem überraschenden Dopingfall: 2009 verhängte der Eisschnelllauf-Weltverband ISU eine zweijährige Sperre gegen die Ausnahmeathletin wegen zu hoher Blutwerte - und führte dabei indirekte Nachweismethoden ins Feld. Ein Urteil, das bis heute nachwirkt. Die 42 Jahre alte Eisschnellläuferin, die inzwischen längst wieder um Weltcup-Punkte und Medaillen läuft, hatte die ISU auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 4,4 Millionen Euro verklagt. Und genau diese Klage könnte nun erhebliche Auswirkungen auf die Sportgerichtsbarkeit haben.

"Revolution" im Sportrecht?

Denn das Oberlandesgericht in München hat die Schadenersatzklage Pechsteins am Donnerstagmorgen zugelassen. "Mit dem verkündeten Urteil hat der Senat entschieden, dass die Schadenersatzklage zulässig ist", erklärte Richter Rainer Zwirlein nüchtern. Erstmals hebelt damit ein deutsches Zivilgericht die Sportgerichtsbarkeit aus. Indem das Oberlandesgericht ein Verfahren an sich zieht, für das bisher der Sportgerichtshof CAS in der Schweiz zuständig war, bekommt der Fall Pechstein eine völlig neue Qualität. Das Beispiel könnte Schule machen, warnen Sportrechtler, weltweit könnten sich nun weitere Sportler an Zivilgerichte wenden, um den CAS zu umgehen. Für manche Rechtsexperten wäre das eine "Revolution" im Sportrecht.

Der CAS in Lausanne (Foto: Frank May dpa)
Seit 1984 residiert der CAS in diesem Lausanner Schloss. Nun könnte er in seinen Grundfesten erschüttert werden.Bild: picture-alliance/dpa/Frank May

Dabei war die juristische Ausgangslage zunächst gar nicht eindeutig. Das Landgericht München hatte sich für den Fall nicht zuständig erklärt, daraufhin war die fünfmalige Olympiasiegerin vor das OLG gezogen. Dort errang sie nun einen wichtigen Etappensieg.

"Es ist ein großer Tag für mich"

"Es ist ein großer Tag für mich. Dieser Sieg ist mehr wert als alle meine Olympia-Medaillen zusammen", sagte Pechstein strahlend nach der Urteilsverkündung. "Wir haben einen Sieg errungen, der Sportrechtsgeschichte schreibt. Der CAS muss jetzt grundlegend reformiert werden", erklärte ihr Anwalt Thomas Summerer. Pechstein geht mit ihrer Klage gegen die aus ihrer Sicht ungerechtfertigte zweijährige Sperre vor, die die ISU 2009 gegen sie verhängt hatte. Die fünfmalige Olympiasiegerin hat Doping stets bestritten und führt eine geerbte Blutanomalie als Grund für ihre schwankenden Werte an, die bis in die heutige Zeit weiter registriert, aber nicht mehr bestraft werden.

Der Fall vor dem Oberlandesgericht ist bereits ihr sechster Prozess, und erstmals hat Claudia Pechstein im Kampf gegen den Weltverband ISU nun einen Sieg gelandet. In ersten Reaktionen machte sie deutlich, welche persönliche Bedeutung dieses Urteil für sie hat: "Die letzten Jahre waren von einem stetigen Auf und Ab geprägt. Ich war kurz vor einem Selbstmordversuch. Heute bin ich froh, dass ich mir nicht das Leben genommen habe", sagte Pechstein dem Pay-TV-Sender Sky Sport News. "Die ISU-Betrüger haben mir alles genommen. Aber es ist jetzt nicht zu Ende. Mich freut es, dass die ISU jetzt handeln und Beweise auf den Tisch legen muss"

ISU will in Revision gehen

Die ISU hat als unterlegene Partei nun vier Wochen Zeit, beim Bundesgerichtshof (BGH) in Revision zu gehen und will dies auch tun. Dort wird dann abermals darüber entschieden, ob die Klage zulässig ist. Wenn ja, wird das Hauptverfahren an das OLG zurückverwiesen und der Fall neu aufgerollt. Dann könnte Pechstein am Ende auch Schmerzensgeld erhalten. Das Urteil könnte als Präzendenzfall auch Folgen auf den Internationalen Sportgerichtshof CAS haben, der die Pechstein-Sperre bestätigt hatte.

Sportrechtler reagierten unterschiedlich auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts: Sportrechts-Experte Christoph Schickhardt hat das Urteil scharf kritisiert. "Ein Sieg für den Sport ist das nicht", sagte er Sky Sport News Das Verfahren sei "ein Bärendienst für den Sport". Dagegen begrüßte Sportrechtler Michael Lehner die Zulassung von Pechsteins Klage: "Der Sport hat sich immer gegen die ausgleichenden Urteile von staatlichen Rechtsprechungen gewehrt. Das ist mit diesem Urteil jetzt vorbei. Ich halte die Gründe des OLG München für überzeugend".