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Politik

Widerstand gegen Nord Stream 2 wächst

Christoph Hasselbach | Rosalia Romaniec | Alexandra von Nahmen | Miodrag Soric | Iurii Sheiko
7. Februar 2019

Bald dürfte sich entscheiden, was aus der Gas-Pipeline von Russland nach Deutschland wird. Polen, die Ukraine und die USA befürchten, dass sich Berlin zu abhängig von Russland macht. Jetzt auch Frankreich.

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Deutschland Nord Stream 2 vor der Insel Rügen
Bild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Schon knapp ein Drittel der zweiten Rohrleitung durch die Ostsee ist bereits verlegt. Wenn sie fertig ist, kann Russland noch viel mehr Gas direkt nach Deutschland und von dort in andere westliche EU-Länder leiten. Aber der Widerstand dagegen wird stärker. Am Anfang waren es vor allem die Ukraine und Polen. Das Projekt "killt die Ukraine", sagte kürzlich der polnische Außerminister Jacek Czaputowicz. Polen steht auf dem Standpunkt, dass mit dem Wegfall des Gastransits durch die Ukraine auch die Garantie für den Schutz des Landes vor weiteren russischen Aggressionen wegfiele. Für Warschau steht  Nord Stream 2 zudem für "die deutsche Illoyalität gegenüber dem östlichen Nachbarn und ein Sonderverhältnis zu Russland", so Kay-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

In Berlin hat man diese Kritik lange ignoriert. Doch seit auch die USA Druck ausüben, hat das eine andere Dimension. Im vergangenen Sommer polterte Präsident Donald Trump: "Deutschland wird völlig abhängig von russischer Energie, wenn es nicht sofort seinen Kurs ändert." Richard Grenell, der US-Botschafter in Berlin, hat den beteiligten deutschen Firmen sogar mit Sanktionen gedroht, sollten sie an dem Projekt weiterarbeiten, und den Druck in einem Gastbeitrag für die Deutsche Welle noch einmal verstärkt. Und Washington verliert offenbar die Geduld: "Die Zeit zum Handeln ist jetzt", sagte ein ranghoher Regierungsvertreter der Deutschen Welle. "Ist die Pipeline erst fertiggestellt, verliert Europa seine Handlungsspielraum gegenüber Russland."

Weltwirtschaftsforum 2019 in Davos | Angela Merekel, Bundeskanzlerin
Kanzlerin Merkel will sich von Trump nicht in die Energiepolitik hineinreden lassenBild: Reuters/A. Wiegmann

Den eigentlichen Grund sieht die Bundesregierung aber in einem geschäftlichen Interesse: Die USA wollen ihr eigenes Flüssiggas nach Deutschland verkaufen, so wie sie schon mit Polen im Geschäft sind. 2016 hat Polen ein großes Flüssiggas-Terminal in Swinemünde direkt an der polnisch-deutschen Grenze eröffnet.

Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat US-Importe zwar nicht ausgeschlossen, allerdings nur als Ergänzung zu russischem Gas und wenn der Preis stimmt. Unter Druck setzen lässt man sich in Berlin schon gar nicht, das hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Weltwirtschaftsforum in Davos noch einmal klargestellt.

Altkanzler Schröder als Russlands Lobbyist

Für Russland wiederum geht es bei der Gasleitung um ein strategisches Projekt. Zum einen lebt das Land zum großen Teil vom Export von Erdgas. Die Erlöse will der Kreml für sich behalten und nicht mit anderen Ländern teilen. Außerdem sollen die Ukraine, Polen oder andere Staaten nicht die Möglichkeit bekommen, die Zulieferung zu unterbrechen.

Inauguration Putin Gerhard Schröder
Freunde Putin und Schröder: Der Altkanzler wirbt für das ErdgasgeschäftBild: picture-alliance/dpa/A. Druzhinin

Es ist kein Zufall, dass Präsident Wladimir Putin Altbundeskanzler Gerhard Schröder angestellt hat, um Nord Stream 2 auch gegen Widerstand durchzusetzen. Sollte die Kritik noch wachsen, könnte Moskau zwar bereit sein, der Ukraine Zugeständnisse zu machen, allerdings nur so lange, bis das Projekt fertiggestellt ist. Dann könnte es aus einer Position der Stärke heraus die Interessen auch anderer osteuropäischer Staaten übergehen. 

Schwenkt Paris um?

Nord Stream 2 ist nicht zuletzt eine Frage für die Europäische Union. Hier prallen die unterschiedlichen Interessen aufeinander, und die Kommission hat die schwierige Aufgabe, eine Lösung für die gesamte EU zu finden. EU-Energiekommissar Miguel Arias Canete hat 2016 sogar unumwunden gesagt, Nord Stream liege nicht im gesamteuropäischen Interesse. Die Kommission versucht zwar nicht offen, die Pipeline zu verhindern, will sie aber zu einem EU-Projekt machen und hätte damit großen Einfluss darauf.

Infografik Karte Gaspipelines Europa Nord Stream DE
Nord Stream 2 ist bereits die zweite Erdgasleitung von Russland nach Deutschland durch die Ostsee

Für einen solchen Beschluss ist die Zustimmung des Europaparlaments und des Rates der Mitgliedsstaaten nötig. Polen und die baltischen Länder als Gegner von Nord Stream 2 hat die Kommission ohnehin auf ihrer Seite, außerdem Großbritannien, Dänemark, die Slowakei, Irland, Schweden, Italien, Luxemburg und Kroatien. Wenn Großbritannien, wie geplant, Ende März aus der EU austritt, fällt allerdings ein starker Verbündeter der Kommission aus. Das ist in diesem Fall im Sinne Berlins, das den Einfluss der Kommission verhindern will. Deutschland, Österreich und die Niederlande wollen Nord Stream 2 möglichst in der bisherigen Form weiterführen. Firmen aus diesen Ländern beteiligen sich am Bau.

Entscheidend ist jetzt vor allem die Position Frankreichs. Zwar steht Frankreich in der Europapolitik traditionell auf deutscher Seite; außerdem ist der französische Energieversorger Engie an Nord Stream 2 beteiligt. Trotzdem will Frankreich bei einer EU-Abstimmung am Freitag gegen Deutschland stimmen. Das verändert die Lage entscheidend. 

Deutschland Nord Stream 2 vor der Insel Rügen | Verlegeschiff Audacia
Erdgasröhren werden bereits verlegt, hier vor der Insel RügenBild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Eine Blockade wird möglich

Es geht bei der Abstimmung um die EU-Gas-Richtlinie. Die EU-Wettbewerbsregeln sollen nach dem Wunsch der Kommission nicht nur innerhalb der EU gelten, sondern auch für Pipelines, die aus einem Drittstaat kommen, in diesem Fall Russland. Gaslieferung und Betrieb der Leitung müssen nach den Wettbewerbsregeln getrennt sein. Bei Nord Stream 2 liegt aber beides in der Hand des russischen Gazprom-Konzerns.

Mit dem Votum Frankreichs gegen Deutschland ist auch eine Blockade von Nord Stream 2 möglich. Doch selbst wenn das nicht passiert, haben die Gegner in jedem Fall einen Etappensieg errungen. "Warschau ist es gelungen, ein Projekt, das lange als rein wirtschaftlich galt, in die politische Debatte zu bringen", sagt Kay-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Der Widerstand habe dazu beigetragen, dass Nord Stream 2 nicht nur in Osteuropa, sondern auch in Deutschland zum wichtigen Argument der geopolitischen Diskussion geworden sei.

 

 

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik
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Alexandra von Nahmen Chefin des DW-Büros Brüssel, mit Fokus auf transatlantische Beziehungen, Sicherheitspolitik und NATO