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Politische Eiszeit

Mahmut Tawfik28. Januar 2007

Seit einem Jahr sitzt der ägyptische Oppositionelle Eiman Nur in Haft. Nach einem vermeintlichen politischen Frühling Ende 2005 herrscht in Ägypten nun wieder Eiszeit.

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Ayman Nour im Dezember 2005 vor Gericht, Quelle: AP
Ayman Nour im Dezember 2005 vor GerichtBild: AP

Bei Gamila Ismael, der Ehefrau des ägyptischen Oppositionspolitikers Eiman Nur, verbindet sich Wut auf die ägyptische Regierung mit Hilflosigkeit angesichts der gesundheitlich miserablen Lage ihres inhaftierten Mannes. Der zuckerkranke Nur, der seit über einem Jahr in Haft sitzt, bekommt keine angemessene Betreuung, heißt es.

Hoffnungsfroh: Nur bei der Wahl im September 2005, Quelle: AP
Hoffnungsfroh: Nur bei der Wahl im September 2005Bild: AP

Nachdem er unter hohen Sicherheitsvorkehrungen im Krankenhaus einen Herzkatheter gelegt bekam, musste er noch am selben Tag zurück in Gefängnis. Die Liste der zum Teil lebensgefährlichen Beschwerden des Oppositionspolitikers ist lang. Erst kürzlich veröffentlichte ein Zusammenschluss von zwei Dutzend ägyptischen Menschenrechtsorganisationen eine Petition, in der sie für die Freilassung Nurs aus gesundheitlichen Gründen plädieren.

Hoher Preis

Ähnliche Versuche seitens seiner Familie und von Parteifreunden sind bislang fehlgeschlagen. Dabei betont Ehefrau Gamila, dass man bei aller Notwendigkeit einer Freilassung aus gesundheitlichen Gründen nicht vergessen darf, dass die Inhaftierung von Eiman Nur von vorneherein zu Unrecht geschehen ist.

"Die Wahlergebnisse sind gefälscht worden. Wir werden uns dagegen zur Wehr setzen", sagte Eiman Nur im September 2005 nach der Präsidentenwahl bei einer Oppositionskundgebung in der Innenstadt von Kairo. Zu dieser Zeit war er populärer denn je und wurde auch auf der internationalen Weltbühne hoch gehandelt. Er hatte zwar soeben die Wahl gegen Präsident Husni Mubarak verloren. Aber immerhin, bei den ersten Präsidentschaftswahlen, die das Land je hatte, war Nur der zweite Platz sicher. Zudem hatte die überwältigende Aura eines Mannes, der es wagte, dem Präsidenten die Stirn zu bieten. Ein Wagnis, für das er nur wenige Monate später einen hohen Preis bezahlen sollte.

Glaubwürdiger Kandidat

"Ich bin der Überzeugung, dass Eiman Nur damals die politischen Umstände falsch gedeutet hat", sagt der ägyptische Menschenrechtler Hafez Abu-Saeda. "Er hat damit gerechnet, dass der Druck, den die Amerikaner auf die ägyptische Regierung ausgeübt haben, mehr Freiräume öffnen würde als dann tatsächlich geschehen ist. Das haben übrigens viele damals getan." Resultat der damaligen US-Diplomatie war unter anderem: dass der politische Druck auf Nur gelockert wurde. US-Außenministerin Condoleezza Rice setzte sich persönlich für seine Freilassung ein. Nur saß damals bereits in Untersuchungshaft.

Vor Gericht wurde ihm vorgeworfen, mit Hilfe von gefälschten Unterschriften die Gründung seiner neuen Partei "Alghad-Morgen" vorangetrieben zu haben. Dieser Prozess sollte im Dezember 2005 mit der Verurteilung zu fünf Jahren Haft enden. Zunächst hieß es jedoch aufatmen für Eiman Nur und für viele andere ägyptische Reformer. Nur durfte wieder auf freien Fuß, führte einen Wahlkampf, in dem er vielen als einziger wahrer Gegenkandidat zu Husni Mubarak galt - neben einer Reihe von Strohmännern, deren einzige Aufgabe es war, die Illusion einer pluralistischen Wahl aufrecht zu erhalten. Für viele Ägypter steht der Name Eiman Nur symbolisch für eine Zeit des Umbruchs, die in der neueren Geschichte des Landes ihresgleichen sucht.

Böses Erwachen

Wahlplakat mit Nurs Konterfei im Sommer 2005, Quelle: AP
Wahlplakat mit Nurs Konterfei im Sommer 2005Bild: AP

Die Lage im Jahr 2007 ist eine ganz andere als damals. Und auch diesmal ist es Eiman Nur, der den neuen Entwicklungen ein Gesicht gibt. Es ist jedoch ein kranker Nur, der im Gefängnis um sein Leben fürchten muss. "Heute sind die demokratischen Reformen zurückgeschraubt worden, und erstes Opfer dieser neuen Realität war Eiman Nur", sagt Hafez Abu-Saeda. "Andere folgten, wie der Parlamentsabgeordnete Talaat al-Sadat oder die Oppositionsbewegung Kifaya. Auch Journalisten mussten dran glauben, ebenso wie eine lange Liste von Parteien, die neu gegründet werden sollten, dann aber keine Genehmigung bekamen."

Unter Beobachtern besteht kein Zweifel daran, dass Eiman Nur nur deswegen hinter Gittern sitzt, weil er sich bei der ägyptischen Regierung unbeliebt gemacht hat. Das böse Erwachen kam kurz nach den Präsidentschaftswahlen. Bei den Parlamentswahlen im selben Jahr verlor Nur - seit Jahren Parlamentarier - sein Mandat im Abgeordnetenhaus. Eine überraschende Niederlage, hatte Nur doch kurz zuvor bei der Präsidentschaftswahl seine Popularität unter Beweis stellen können. Mehr als eine halbe Million Ägypter stimmten für ihn.

Dann kam Mitte Dezember 2005 das Hafturteil, in letzter Instanz verkündet. Die "Alghad"-Partei, soeben noch das neue Zugpferd der liberal-säkularen Opposition, ist heute ein zerstrittener Haufen, der in der Politik kaum mehr etwas zu sagen hat. Inzwischen hat sich auch die Strategie der USA in Ägypten verändert. Bei ihrem Besuch in Kairo vor einigen Tagen sprach US-Außenministerin Condoleezza Rice von der "strategischen Beziehung zu Ägypten, eine Beziehung, die wir sehr wertschätzen". Von Eiman Nur war keine Rede. Von Demokratie auch nicht.