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Wie der Brexit den Sport beeinträchtigt

Matt Pearson
31. Januar 2020

Ob Wimbledon oder Premier League, der britische Sport könnte sich durch den Brexit grundlegend ändern. Doch wie nachhaltig werden die bereits jetzt existierenden Auswirkungen des EU-Austritts für die Sportler sein?

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Formel 1 | Grand Prix USA
Bild: Getty Images/AFP/M. Thompson

Am 31. Januar herrscht ohnehin schon großer Betrieb auf dem Transfermarkt. Viele Fußballspieler aus aller Herren Länder werden auf den letzten Drücker transferiert, auch die reichen britischen Klubs versorgen sich gerne am sogenannten "Deadline Day" mit neuem Personal. Das alleine sorgt schon für viel Medienrummel beim erfolgreichsten Sportvermarktungsprodukt Großbritanniens, der Premier League.

Doch das alles wird dieses Jahr noch einmal in den Schatten gestellt. Denn der Brexit machte das nun endende Wintertransferfenster wohl zum vorletzten, in dem Spieler aus dem EU-Raum ohne Einschränkungen ins Mutterland des Fußballs wechseln können.

Brexit-Souvenirs wie die traditionellen "tea towels" werden angeboten, auch die mittlerweile dritte Auflage der 50-Pence-Sondermünze anlässlich des lange avisierten EU-Austritts kommt bald in den Umlauf, aber einen Plan, wie es für Britanniens Sport weitergehen soll, hat die konservative Regierung in London noch nicht ausgearbeitet. "Es gibt keine Klarheit. Soweit ich weiß, gibt es keine Regeln speziell für die Sportindustrie", erklärt Simon Chadwick, Professor für Sportvermarktung an der University of Salford, Manchester.

Wichtiger Bereich, wenig Klarheit

Das letzte offizielle Dokument der Regierung zum Thema Sport wurde am 2. Oktober 2019 veröffentlicht. Darin geht die zuständige Behörde, das "Department for Digital, Culture, Media and Sport" oder kurz "DCMS" aber noch von einem harten Brexit ohne Abkommen aus. Eine DW-Anfrage über Auskünfte zu neuen Entwicklungen bei der Behörde blieb bisher unbeantwortet. "Sport England", verantwortlich für die Verteilung von Steuergeldern an Sportverbände und -Projekte, konnte ebenfalls keine Auskunft geben.

Die britische Regierung geht, Stand 2018, von 581.000 Arbeitsplätzen im Sportsektor aus, davon seien rund 21.000 von EU-Bürgern besetzt (3,6 Prozent). Die britischen Sport-Dachorganisation "Sports and Recreatione Alliance", die über 300 Sportverbände im gesamten Vereinigtem Königreich repräsentiert, geht sogar von bis zu einer Million Stellen aus. Sie schätzt, dass allein im britischen Sport jährlich 37 Milliarden Britische Pfund (44 Milliarden Euro) umgesetzt werden.

Dr. Borja Garcia, Sportwissenschaftler an der Loughborough University glaubt, das der Brexit die Eintrittsbarrieren für viele EU-Bürger, die im Sportbereich arbeiten möchten, nun erhöhen dürfte. Viele könnten davon abgehalten werden, überhaupt auf der Insel anzuheuern. Die Sportförderung der Regierung könnte sich, so schätzt es Garcia ein, stattdessen vermehrt auf des Spitzen-Segment konzentrieren, also auf den Bereich, in dem das meiste Prestige zu ernten ist.

Schere zwischen Spitzen- und Amateursport

"Ich denke, das der Brexit keinen Effekt auf die Förderung des Spitzensports, wie etwa die Unterstützung für die Olympischen Spiele, hat", sagt Garcia. "Wie wir 2012 in London und 2016 in Rio gesehen haben, sind Medaillenerfolge als weiche Machtdemonstration sehr nützlich und willkommen. Die Regierung will das Land anscheinend als neue Supermacht darstellen, und weitere Erfolge würden zu dieser Erzählung beitragen."

Wimbledon 2019 | Serena Williams & Andy Murray
Serena Williams und Andy Murray im traditionell-weißen Outfit in Wimbledon 2019Bild: Reuters/H. McKay

Aber die Investitionen, so Garcia, werden nicht auf Amateur- und Jugendebene getätigt. Durch den Verkauf von Schul-Sportplätzen und Kürzungen an lokalen Einrichtungen in den vergangenen Jahren, ist die sportliche Beteiligung hier ohnehin nicht so stark gestiegen, wie es vor den Olympischen Spielen 2012 noch prognostiziert wurde. Während dagegen die englischen Spitzen-Fußballvereine, zumindest teilweise, im Geld schwimmen, sei dies auf den unteren Ebenen, also bei Amateur- und Jugendvereinen, sicher nicht der Fall. Doch die Basis wird durch die Beschränkungen des Personen- und Warenverkehrs ohnehin schon sehr viel härter getroffen als die Spitze.

Risiken für Pferderenn- und Motorsport

Besonders anfällig für die bevorstehenden Brexit-Veränderungen scheint der Pferderennsport zu sein. Nach Angaben der "Sports and Recreation Alliance" sind hier bereits mehr als 1000 Stellen weggefallen - ungefähr zehn Prozent der Beschäftigten sind EU-Bürger. Auch der Motorsport-Standort England ist laut Simon Chadwick in Gefahr. "Die Formel 1 scheint angesichts der vielen [britischen] Standorte der Teams und ihres Vertrauens in grenzüberschreitende Just-in-Time-Lieferketten äußerst anfällig zu sein."

In einigen der anderen führenden Sportarten Großbritanniens sind die Aussichten ähnlich trübe. Im Cricket oder Rugby werden laute Bedenken geäußert, ob man auch weiterhin in der Lage sein wird, Elitepersonal anzuziehen oder zu halten. Dies ist vor allem wegen neu auftretender Unsicherheiten rund um die sogenannte "Kolpak-Entscheidung" der Fall.

Südafrika Rugby Faf de Klerk
Der südafrikanische Nationalspieler Faf de Klerk spielt für die Sale Sharks in der englischen PremiershipBild: picture-alliance/AP Images/Yomiuri Shimbun/T. Suzuki

Der slowakische Handball-Torhüter Maros Kolpak erkämpfte 2003 eine unbeschränkte Spielerlaubnis in der zweiten deutschen Handball-Bundesliga. Das Urteil hatte ähnliche, wenn nicht sogar weitgreifendere Auswirkungen als der Fall Bosman im Fußball. Seitdem genießen Profi-Sportler aus 79 Ländern, von Afrika, über den pazifischen Raum bis in die Karibik, die gleichen Rechte wie EU-Bürger, weil ihre Heimatstaaten ein Assoziierungsabkommen mit der EU eingegangen sind. Mit dem Brexit erlischt diese Regelung nun. Die betroffenen Profis besitzen daher nur noch eine Spielerlaubnis bis zum Ende der laufenden Saison.

"Für uns ist es fast unmöglich, ein vielversprechendes 19-jähriges Talent aus Peru zu verpflichten, wir werden in Richtung EU-Markt getrieben", klagt Steve Parish, Vorstandsboss des Premier-League-Klubs Crystal Palace, schon 2018. "Wenn wir globalen Zugang zu Talenten hätten, würden unsere Kosten gesenkt und die Qualität erhöht."

Gastgebernation für weitere Großevents?

Aber nicht nur die Qualität der britischen Sportteams, sondern auch die Durchführung sportlicher Großveranstaltungen auf der Insel ist gefährdet. In Großbritannien werden viele wichtige Sport-Events ausgetragen. Allein 2020 werden das Halbfinale und das Finale der Fußball-Europameisterschaft, der Netball Weltcup, der Tennis-Grand-Slam in Wimbledon, der britischen Formel-1-Grand-Prix in Silverstone, die Snooker-WM in Sheffield, die Weltmeisterschaft im Darts und das ältesten Golfturnier der Welt, die British Open, im Vereinigten Königreich stattfinden. Für Simon Chadwick ist ihr Fortbestand nicht gesichert: "Wenn die Regierung nicht eine Event-Strategie verabschiedet, mit der Anreize für die Ansiedlung von Veranstaltungen in Großbritannien geschaffen werden, wird das Land meines Erachtens im Sumpf einer wettbewerbsintensiven Event-Hosting-Umgebung untergehen", sagt er.

Für Borja Garcia könnte ein mögliches Handelsabkommen mit den USA hilfreich für mögliche Investitionen im Sportsektor sein, weil dadurch ein neuer Markt geöffnet würde. Er warnte jedoch davor, dass dieses Instrument eher der Werbung im Spitzensport denn zu Nutzen der "vernachlässigten" Basis dienen könnte.

Der 31. Januar markiert daher also aus mehreren Gründen ein wichtiges Datum für Großbritanniens Sport. Der tritt nun in eine Übergangsperiode ein, die mindestens bis zum Ende des Jahres dauern wird. Die Sportler erwartet vor allem Unsicherheit - ob auf dem Feld, der Strecke oder der Rennbahn.