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Wie die Spice Girls meine Locken gerettet haben

Brenda Haas
9. Januar 2024

DW-Redakteurin Brenda Haas erzählt, wie die Spice Girls nicht nur sie, sondern auch Stars wie Beyoncé, Adele und Sam Smith inspiriert haben. Zum 30. Bandjubiläum kommen die fünf Frauen auf eine Briefmarke.

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Die fünf Spice Girls auf der Bühne.
Bunt, frech, poppig: die Spice Girls in den 1990ernBild: PA Hanson/dpa/picture-alliance

1996 brachen die Spice Girls in mein Leben ein - mit ihrem Musikvideo zu ihrer Debütsingle "Wannabe". Als ich es zum ersten Mal sah, saß ich gerade mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus der Unterhaltungsredaktion zusammen - damals arbeitete ich noch bei einer Zeitung. Im Hintergrund lief MTV im Fernsehen. Hellhörig wurden wir, als plötzlich fünf junge Frauen durch eine schicke Hotellobby hopsten und dabei frech rappten und sangen. Wir sahen gebannt zu, wie das quirlige Quintett, bestehend aus Victoria Adams (heute Beckham), Emma Bunton, Geri Halliwell (heute Horner), Melanie Chisholm und Melanie Brown, die Schicki-Micki-Hotelgäste aufscheuchte, von nicht endender Freundschaft sang und den Schlachtruf "zig-a-zig-ah!" in den englischen Wortschatz einführte. Es war eine perfekte Choreographie, denn das komplette Video weist keinen einzigen Schnitt auf - gedreht wurde es als "One-Shot-Video".

Ich war fasziniert von den fünf Mädchen, die sich Spitznamen gegeben haben, die heute noch Kult sind: Posh Spice, Baby Spice, Ginger Spice, Sporty Spice - und Scary Spice. Letztere hatte es mir besonders angetan - vor allem wegen ihrer Haare.

"Wenn du aufhören würdest, dein Haar zu glätten und es wachsen lassen würdest, würdest du genauso aussehen wie sie", meinte eine meiner Kolleginnen, während unsere Köpfe unisono zu dem Song wippten, der den Spice Girls zum Durchbruch verhalf und der mittlerweile mehr als eine Milliarde Streams auf Spotify hat.

Locken und Rebellion

Brenda Haas, Porträt.
Spice Girls-Fan: DW-Redakteurin Brenda HaasBild: Brenda Haas

Was Scary Spice mit meinen Haaren zu tun hat? Nun, ich bin in Malaysia aufgewachsen. Als Kind der 1970er und 80er wurde ich wegen meiner lockigen Haare gnadenlos gehänselt. Selbst unter meinen Schulkameraden malaiischer, chinesischer und sogar indischer Abstammung fielen meine Haare auf - das ging soweit, dass sich auch völlig Fremde mir gegenüber sehr unangenehm äußerten.

Irgendwann begann ich, ziemlich eigensinnig zu werden - wahrscheinlich als Schutzmechanismus. Ich war quasi gegen alles, war weder zurückhaltend noch sanftmütig.

Als ich fürs Studium ins Ausland ging, wurde es leichter; ich lernte, meine Vorstellungen von Selbstbewusstsein und Schönheit zu erweitern. Doch zu Hause war ich mit meinen Locken wieder eine "Minderheit" und hatte mich damit abgefunden, dass ich mich anpassen musste - was dazu führte, dass ich die Faust in der Tasche ballte und mir jahrelang die Haare glättete.

Und dann platzte diese Mädchen-Band aus England in meine Welt und verbreitete ihr Evangelium: Sei individuell, sag deine Meinung und lebe die "Girl Power". Ganz vorne mit dabei: die vorwitzige Melanie aka Scary Spice mit ihrer wilden Lockenmähne. Und ich war bekehrt.

Girlband Spice Girls posiert in bunter Kleidung.
Das Spice Girls-Evangelium: Girl PowerBild: United Archives/TBM/picture alliance

Um es klar zu sagen: Die Gruppe ist nicht allein für die Entwicklung meines Selbstbewusstseins verantwortlich. Aber wie sie ihre ernsthafte Botschaften spielerisch verbreiteten und sich dabei selbst nicht allzu ernst nahmen, das hat mich beeindruckt.

Feministinnen in Wonderbras?

Die Kritiker, die die Band oft als zusammengecastete Retorten-Popband abtaten, bemängelten nicht nur ihren Gesang, sondern auch, wie sie ihren Feminismus feierten. Plötzlich waren da fünf freche Mädchen, die Figur zeigten, Sexiness zelebrierten und vor Selbstbewusstsein strotzten - das war vielen nicht geheuer. Geri Halliwell-Horner alias Ginger Spice hatte 1997 sogar einen "Power-Eid" entwickelt: "Ich, die ich bei klarem Verstand bin und einen neuen Wonderbra trage, verspreche feierlich, zu jubeln und zu tanzen. Zig-a-zig-ah! Ariba! Girl Power!"

Sicherlich keine Zeilen, die in die Geschichte der Redekunst eingehen. Doch die Spice Girls und ihre Songs verkörperten Selbstermächtigung, Individualität und Frauenfreundschaft. Neben spritzigem Pop und einer Prise Frivolität transportierten die Spice Girls das, wofür die Frauenrechte stehen: dass Frauen frei sind, das zu tun, was sie wollen, "was sie wirklich, wirklich wollen".

Spice Girls posieren mit Prinz Charles, heute König Charles
Selbst die britische Königsfamilie war nicht vor den Spice Girls sicherBild: PA Giles/dpa/picture-alliance

In einem Gespräch mit der BBC im Jahr 2017 sagte Halliwell-Horner: "Eigentlich gilt 'Girl Power' für viel mehr als nur ein Geschlecht. Es geht um jeden. Jeder verdient die gleiche Behandlung, egal welcher Rasse man angehört, welches Geschlecht man hat oder wie alt man ist. Das haben wir einfach auf eine sehr verständliche Weise ausgedrückt."

Auch Superstars haben Lieblings-Spice-Girls

Mehrere Millennial- und Gen Z-Stars von heute sagen, dass die Spice Girls sie inspiriert haben. Der britische Superstar Adele, ein bekennender Fan vor allem von Ginger Spice, gehörte zu den Tausenden, die das Reunion-Konzert der Band 2019 in London besuchten.

Nach der Show schwärmte die 16-fache Grammy-Gewinnerin auf Instagram: "Es ist kein Geheimnis, wie sehr ich sie liebe, wie sehr sie mich motiviert haben, um mein Leben zu rennen und niemals zurückzuschauen. Ich habe jetzt endlich Ginger getroffen, ich habe mich mit den Mädels betrunken."

Ein Clip von Adele, die mit James Corden in "Carpool Karaoke" "Wannabe" singt, ging schon 2016 viral. Der ebenfalls britische und nicht-binäre Sänger Sam Smith trug auf Instagram ein T-Shirt mit dem Hashtag "I wanna be a Spice Girl", woraufhin die Gruppe antwortete: "Du bist dabei."

Die Spice Girls haben auch in der LGBTQ-Gemeinschaft seit langem treue Fans. Zur Feier des Pride Day im Jahr 2021 trugen die Bandmitglieder T-Shirts mit der Aufschrift "proud and wannabe your lover" in regenbogenfarbener Schrift.

Im Jahr 2018 erzählte die US-Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin Emma Stone ("La La Land") in Jimmy Fallons "Tonight Show", dass ihre Besessenheit von den Spice Girls zu ihrem heutigen Künstlernamen geführt hat. "Als ich aufwuchs, war ich superblond. Mein richtiger Name ist Emily, aber ich wollte Emma heißen, wegen Baby Spice. Und wissen Sie was? Jetzt bin ich es."

Und Victoria Beckham erzählte dem "Breaking Beauty"-Podcast im Jahr 2021, dass Sängerin Beyoncé ihr einmal gesagt habe: "Es waren die Spice Girls, die mich dazu brachten, das zu tun, was ich heute tue." Beyoncé war Mitglied der Girl-Band "Destiny's Child", bevor sie ihre große Solokarriere startete. Auf der ganzen Welt gründeten sich Girl-Bands, bis hin zu den heutigen K-Pop-Superstars "Blackpink" aus Südkorea ließen sich alle von den Vorbildern aus Großbritannien inspirieren.

Von der Hitparade auf die Briefmarke

Die 1994 gegründeten Spice Girls wurden zur größten Girlgroup aller Zeiten, verkauften weltweit mehr als 100 Millionen Tonträger und hatten neun Nummer-1-Hits in Großbritannien. Nach ihrer Debütsingle "Wannabe" im Jahr 1996 veröffentlichte die Gruppe drei Hit-Alben und 1997 den Film "Spice World". Ab 1998 starteten die Spice Girls verschiedene Solokarrieren, kamen aber immer wieder zusammen, zuletzt 2019.

Briefmarke, darauf abgebildet fünf Frauen, die auf einer Bühne posieren.
Sonderbriefmarke zum 30. Bandjubiläum der Spice GirlsBild: Royal Mail/PA Media/dpa/picture alliance

Nun sind sie die erste weibliche Popgruppe, der die britische Post eine ganze Briefmarkenausgabe widmet. Es ist das sechste Mal, dass einer Musikgruppe diese Ehre zuteil wird, nach den Beatles im Jahr 2007, Pink Floyd im Jahr 2016, Queen im Jahr 2020, den Rolling Stones im Jahr 2022 und Iron Maiden im Jahr 2023.

"Wir freuen uns sehr, von der Royal Mail neben einigen der kultigsten und einflussreichsten Musiklegenden gefeiert zu werden", so die Gruppe in einer Erklärung. "Als wir die Spice Girls gründeten, hätten wir uns nicht träumen lassen, dass wir 30 Jahre später die erste weibliche Band sein würden, der eine ganze Briefmarkensammlung gewidmet wird - das ist Girl Power!"

Und jetzt sage ich euch, was ich wirklich, wirklich, wirklich will: diese Briefmarken. Zig-a-zig-ah!

Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch.