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75 Jahre Kefalonia-Massaker

21. September 2018

Im Herbst 1943 metzelte die deutsche Wehrmacht auf der griechischen Insel Kefalonia 5.200 italienische Soldaten nieder. Das Massaker ist ein Wendepunkt in den griechisch-italienischen Beziehungen.

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Griechenland Brauchitsch auf Akropolis Mai 1941
Immer noch eine Wunde im griechisch-deutschen Verhältnis. Bild: picture-alliance/akg-images

Die griechische Insel Kefalonia im ionischen Meer gilt als Urlaubsparadies - auch bei Deutschen. Traumstrände und türkisfarbenes Wasser locken jährlich zehntausende Touristen an. Die Architektur erinnert daran, dass Kefalonia vom 13. bis ins späte 18. Jahrhundert zu Venedig gehörte. Bis heute ist die Insel ein Hybrid aus italienischer und griechischer Kultur - verbunden auch durch ein Trauma. Weit weg von den Urlaubstränden, auf einem Hügel in der Hauptstadt Argostoli, befindet sich das Mahnmal für eines der blutigsten Episoden der Inselgeschichte. Im Jahr 1943 metzelte die deutsche Wehrmacht nach dem Bruch zwischen Hitler-Deutschland und Italien etwa 5.200 Soldaten der italienischen Divison "Acqui" nieder. Das Massaker von Kefalonia gilt als eines der größten Kriegsverbrechen der Wehrmacht in Süd-Europa.

Clotilde Perrotta ist Präsidentin von "Mediterraneo", einem griechisch-italienischen Kulturverein in Kefalonia. "Zuerst ging es bei uns vor allem um Ausstellungen und Konzerte", sagt die Italienerin aus Kefalonia. Man wollte bewusst die bi-kulturelle Identität der Insel pflegen. Dann aber begann man den Fokus auf die Geschichte zu richten, vor allem auf das Massaker vom September 1943. "Wir haben inzwischen ein kleines Museum dazu eingerichtet. Regelmäßig kommen Besucher und informieren sich. Und wir hatten 2003 sogar eine Konferenz, zu der Gäste und Wissenschaftler aus Griechenland, Italien und Deutschland kamen", berichtet Perrotta.

Widerstand gegen Mussolini

Nach der Besetzung Griechenlands 1941 zuerst durch das faschistische Italien und später durch die deutsche Wehrmacht, standen Kefalonia und die anderen ionischen Inseln unter italienischer Militärverwaltung. Als am 8. September 1943 bekannt wurde, dass Italien vor den Alliierten Mächten kapituliert hatte, zerbrach das Bündnis zwischen Hitler und Mussolini. Deutsche Truppen, die teilweise schon in Kefalonia stationiert waren, wurden verstärkt und gingen dazu über, die Kontrolle über die Insel zu übernehmen. Der italienische Befehlshaber Antonio Gandin, ein glühender Verehrer Adolf Hitlers, sah hier die Möglichkeit, nicht einfach zu kapitulieren, sondern sich den deutschen Truppen anzuschließen.

Zweiter Weltkrieg Deutsche Gebirgsjäger vor dem Start nach Kreta
Deutsche Gebirgsjäger waren gefürchtete Besatzer in GriechenlandBild: Bundesarchiv, Bild 183-L19017/CC-BY-SA

Gandin ließ seine Truppen per Referendum abstimmen. Diese entschieden allerdings, gegen die Deutschen zu kämpfen. Daraufhin kam es zu schweren Gefechten mit der Wehrmacht. Insgesamt fielen 1.300 italienische und nur etwa 40 deutsche Soldaten. Ab dem 21. September ging die Wehrmacht dazu über, Italiener, die sich bereits ergeben hatten, direkt zu erschießen, ohne Prozess und ohne Gnade. Bis zum 24. September wurden auf diese Weise etwa 5.200 Soldaten der italienischen Armee hingerichtet. In Italien markieren die Ereignisse auf der griechischen Insel einen historischen Wendepunkt, erklärt Perrota: "Für uns war dies der Beginn des Widerstandes gegen den Mussolini-Faschismus von Seiten des Militärs."

Auch für die griechischen Bewohner von Kefalonia veränderte sich nach der Kapitulation Italiens und dem daraus resultierenden Massaker auf ihrer Insel der Kriegsalltag. Denn: Die Jahre der Besatzung durch Italien verliefen relativ friedlich. Von den Leiden der Menschen auf dem griechischen Festland, die die Wehrmacht zu Hunderttausenden aushungern ließ oder abschlachtete, bekam man hier nur wenig mit. Mit dem Einmarsch der Deutschen änderte sich dies. "Als die Menschen sahen, wie kaltblütig die Deutschen die italienischen Soldaten niedermetzelten, war man entsetzt", erklärt Perrotta. Griechen versteckten Italiener, um sie vor dem Tod zu retten. Aus den Feinden wurden Verbündete. Bis heute gestaltet sich das Verhältnis zwischen Griechenland und Italien wesentlich unkomplizierter als das Verhältnis zwischen Griechenland und Deutschland.

Für Deutsche Touristen zensiert

Die Übersetzerin Doris Wille lebt seit fast 30 Jahren in Kefalonia. Seit vielen Jahren begleitet das Massaker die Deutsche bei ihrer Arbeit und im Kontakt mit den Menschen. Dabei hat sie durch Zufall davon erfahren: "Ich habe schon ein paar Jahre hier gelebt, bevor ich Ende der 1990er Jahre durch Zufall zum ersten Mal von dem Massaker gehört habe. Ich habe damals einen Reiseführer über die Insel übersetzt und gesehen, dass in der italienischen Fassung ein Kapitel über das Massaker enthalten war, das in der deutschen Version schlichtweg fehlte. Auf Nachfrage meinte die (griechische) Autorin, das könne man deutschen Touristen nicht zumuten. Deshalb habe sie es weggelassen."

Seitdem habe sich viel verändert. Vor allem der Film 'Corellis Mandonline' , der von der Zeit der Besatzung handelt und auch das Massaker thematisiert, habe die Besatzungsjahre einer breiteren Masse bekannt gemacht. Unter den Statisten habe es viele alte Leute gegeben, die diese Zeit selbst miterlebt hatten und zum Teil im Widerstand gewesen waren. Die Zeit habe Griechen und Italiener zusammengeschweißt. Freundschaften seien entstanden, die mitunter bis heute anhalten. "Ich kenne einen Zeitzeugen, der bis heute Besuch von den Kindern eines Überlebenden bekommt", berichtet Wille.

Eines aber käme beim Fokus auf das Massaker zu kurz: "Was beim entsetzlichen Ausmaß dieses Kriegsverbrechens oft vergessen wird, ist, dass es auch viel Leid in der griechischen Bevölkerung gab. In den zwölf Monaten deutscher Besatzung, die auf das Massaker noch folgten, wurden Dörfer abgefackelt und Menschen exekutiert." In den letzten Jahren gebe es vermehrt Publikationen zum Thema, unterstreicht die Wahl-Kefallonierin. Doch für Deutschland besteht hinsichtlich der griechischen Besatzungsjahre noch viel Aufholbedarf.

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Florian Schmitz Reporter mit Schwerpunkt Griechenland