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Wie ein Deutscher Neapel ein Aquarium schenkte

Marc von Lüpke-Schwarz20. August 2013

Der deutsche Biologe Anton Dohrn eröffnete 1874 in Neapel ein Aquarium. Mit den Eintrittsgeldern finanzierte er die Erforschung der Meere. Unter den vielen Besuchern: ein deutscher Kaiser.

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Fische in einem Aquarium (Foto: picture alliance)
Bild: picture alliance / zb

Auf Schusters Rappen, sprich seinen Füßen, reiste 1870 ein junger Mann Richtung Jena. Die mühsame Art seiner Fortbewegung lag keineswegs an seiner Armut. Der 30-jährige Anton Dohrn hatte zuvor eine Idee gehabt, deren Ausmaß ihn schier überwältigte. Daher hatte er kurz zuvor seinen bequemen Platz in einer Kutsche aufgegeben - um die Gedanken ungestört schweifen zu lassen. Aber von vorne: Dohrn war Zoologe mit einer großen Leidenschaft: Das Meer und seine Erforschung. Wissenschaft war allerdings schon damals eine teure Angelegenheit und Dohrn mit keiner derart üppigen Geldbörse gesegnet. Was also tun?

Am Golf von Neapel

In Berlin hatte Dohrn gerade eben eine Sensation gesehen, das Aquarium - eigentlich mehr eine Art Zoo - des berühmten Zoologen Alfred Brehm, wo neben Meerestieren auch Vögel und Affen zu bewundern waren. Besucherströme besichtigten das Aquarium in großer Masse. Was aber noch viel wichtiger war: Jeder zahlte Eintrittsgeld.

Felix Anton Dohrn um 1900 (Foto: picture alliance)
Der Zoologe Anton Felix Dohrn begründete die Zoologische StationBild: picture alliance / akg-images

Dohrn bekam dadurch die Erleuchtung zur Verwirklichung seines Lebenstraums: eine eigene Forschungsstation. "Die Zoologische Station ließe sich erreichen, wenn man am Mittelmeer, dem reichsten Meere Europas, ein großes Aquarium errichtet und mit der Einnahme desselben zugleich die Kosten des kleinen Laboratoriums deckt!", meinte Dohrn. Zahlende Besucher würden die wissenschaftliche Forschung finanzieren, Anton Dohrn war von seiner Idee überwältigt.

Nun hielt ihn nichts mehr in Deutschland. Im Februar 1870 reiste er bereits ins italienische Neapel, auf der Suche nach einem passenden Platz für sein Aquarium. Und wurde fündig. Allerdings stellten sich viele technische Fragen: Wie baut man ein Aquarium? Wie lässt sich das Wasser temperieren? Und vor allem: Wie bleibt es garantiert dicht? Dohrn erhielt vielfältige Hilfe. Die beiden Brüder Werner und Carl Wilhelm Siemens vom aufstrebenden Elektrokonzern Siemens berieten ihn. Doch gerade als das Unternehmen in Schwung kommen sollte, brach der Deutsch-Französische Krieg von 1870 aus - aus dem zukünftigen Aquariumgründer wurde zunächst ein Soldat.

Die Zoologische Station Neapel um 1900
Die Zoologische Station Neapel um 1900Bild: public domain

Aus den Netzen der Fischer

Trotz dieses Rückschlags eröffnete Dohrns Zoologische Station im Januar 1874 ihre Pforten. Zuvor hatte Dohrn noch ein schwerwiegendes Problem lösen müssen: Woher sollten die Fische und das andere Meeresgetier stammen, um die Aquarienbecken zu bevölkern? Dohrns Lösung: Er kaufte den Fischern Neapels einfach ihren Fang ab. Plötzlich liebten die Neapolitaner den kauzigen Deutschen, den sie zuvor angesichts seiner Pläne noch misstrauisch beäugt hatten.

Das Geld für die Zoologische Station, die ganz traumhaft in einem Park mit Palmen lag, hatte der unermüdliche Dohrn in ganz Europa eingesammelt. Und die Menschen strömten in sein Aquarium, um dort die Unterwasserwelt des Mittelmeeres zu bewundern. Auch die Deutschen kamen. Spätestens seit der beliebteste deutschsprachige Reiseführer "Baedeker" den Reisenden einen Besuch in Dohrns Aquarium empfahl, war der Erfolg nicht mehr aufzuhalten. Dohrn wusste, welche Meeresbewohner die Menschen sehen wollten: "Was nicht irgendwie durch Farbe, Gestalt, Bewegung sich aus der Masse heraushob, war der Besichtigung durch ein verehrliches Publikum nicht würdig."

Hans von Marées Fresko 'Ausfahrt der Fischer' (Foto: Zenodot Verlagsgesellschaft mbH)
Hans von Marées Fresko "Ausfahrt der Fischer" ziert das Innere des GebäudesBild: Zenodot Verlagsgesellschaft mbH

Ein "Mekka" der Wissenschaft

Und nicht nur die Touristen kamen zu Dohrn. Auch die Wissenschaftler strömten aus allen Ländern nach Neapel, um an dieser bislang weltweit einzigartigen Institution zu forschen. Hier fanden sie ein Forschungsschiff für Expeditionen, Laborausrüstung und vor allem ein interdisziplinäres Umfeld vor, in dem viele Wissenschaftszweige miteinander wirkten: Chemiker und Physiologen, Zoologen und Botaniker. Dohrn vermietete die Laborplätze an die Forscher.

Die Zoologische Station genoss bald Weltruf, selbst der amerikanische Präsident Theodore Roosevelt und der deutsche Kaiser Wilhelm II. besichtigten die Einrichtung. Als Anton Dohrn 1909 starb, ging die Führung der Zoologischen Station an seinen Sohn über. Durch beide Weltkriege blieb die Einrichtung unbeschädigt, weltweit geachtet als Forschungsinstitut von internationalem Ruf. 1967 übernahm die italienische Regierung die Leitung, sonst änderte sich nichts - die Stazione Zoologica Anton Dohrn, wie sie auf Italienisch heißt, ist immer noch eine hochgeachtete Adresse für internationale Zusammenarbeit in der Wissenschaft. Anton Dohrn wäre über den Erfolg seines Lebenswerks sicher erfreut.