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Besser integrieren

3. Juni 2011

Teure Fehleinkäufe gibt es nicht nur bei Spielern in der Fußball-Bundesliga, sondern auch im Management von Unternehmen. Dabei gibt es längst Programme, die Fehlinvestitionen vermeiden helfen.

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Rettungsring mit Aufschrift "Willkommen an Bord" (Foto: fotolia/Dmitry Koksharov)
Viele Manager gehen unter, weil sie niemand richtig einweistBild: fotolia/Dmitry Koksharov

Nach einem schwierigen Auswahlverfahren eine leitende Position in einem Unternehmen zu bekommen ist anscheinend noch nicht der größte Erfolg. Denn mit dem Neueinstieg fangen für viele Manager die Schwierigkeiten erst richtig an, weiß Wolfgang Walter, Partner bei der Personalberatung Heidrick & Struggles in Düsseldorf. "Ungefähr 35 bis 45 Prozent der Menschen, die neu in die Führungsebene eines Unternehmens kommen, sind nach 18 bis 24 Monaten schon wieder verschwunden."

Der Hauptgrund für das Scheitern sei dabei die fehlende Integration der neuen Mitarbeiter. Oft sind für den Arbeitgeber vor allem die langjährige Erfahrung in der Branche und die fachliche Kompetenz des Bewerbers entscheidend. Er oder sie macht das schon, glauben die Unternehmen, vergessen aber, dem neuen Mitarbeiter klare Aufträge zu geben, was genau und mit welchen Mitteln er eigentlich bewirken soll. Während in einem Unternehmen eine Anweisung per Mail direkt umgesetzt wird, wird in einem anderen Unternehmen solche Mail einfach gelöscht. Erst nachdem der neue Mitarbeiter geschafft hat, Vertrauen aufzubauen und Kontakte zu entwickeln, geht es mit der Sache voran. Denn hinter dem eigentlichen Organigramm eines Unternehmens steht oft ein Schattenorganigramm, in dem ganz andere Kräfteverhältnisse herrschen.

Integrieren statt verlieren

Julia Merkel, Personalleiterin von Esprit Europe (Foto: Julia Merkel)
Julia Merkel, Personalleiterin von Esprit EuropeBild: Julia Merkel

Bis sie das erkannt haben, machen einige Mitarbeiter viel zu viele Fehler - manchmal zur Schadenfreude der älteren Kollegen, sagt Wolfgang Walter. Denn je höher jemand im Unternehmen einsteigt, desto weniger kann er auf die Kollegialität zählen. Letztendlich sind aber Unternehmen an den Fehleinstellungen genauso wenig interessiert wie die Mitarbeiter. Immerhin verursacht eine gescheiterte Führungskraft Ausgaben vom mindestens Drei- bis Fünffachen eines Jahresgehalts. Immer mehr Unternehmen setzen daher auf eine gezielte Einarbeitung der Neueingestellten und führen die sogenannten Onboarding-Prozesse ein.

Onboarding heißt - übersetzt aus dem Englischen - "an Bord nehmen". Das Programm dauert sechs bis zwölf Monate und ist darauf gerichtet, die neuen Mitarbeiter möglichst schnell nicht nur fachlich, sondern auch sozial und emotional zu integrieren.

Wobei die Integration schon im Vorfeld der Einstellung beginnt, erklärt Julia Merkel, Personalleiterin des Modekonzerns Esprit International. "Das fängt mit dem Einstellungsgespräch an, wo es ja nicht nur darum geht, gegenseitig zu prüfen, ob die Rolle auf die neuen Kollegen passt, sondern auch um gegenseitiges Klären von Erwartungen, von Einschätzungen, von Kompetenzen und von den Möglichkeiten, wie man die Zukunft gemeinsam gestalten kann."

Ungeschriebene Gesetze

Ein Mitarbeiter ist am Rudern und wird von dem Anderen im Boot beobachtet (Foto: Fotolia/Martina Orlich)
Als neuer Mitarbeiter wird man von Kollegen ständig beobachtet, aber nicht immer unterstütztBild: Fotolia/Martina Orlich

An Bord von Esprit angekommen, bekommt der neue Mitarbeiter schon am ersten sogenannten "Willkommen-Tag" einen intensiven Terminplan für Einzelgespräche mit mehreren Kollegen aus verschiedenen Bereichen. In den regelmäßigen Feedback-Runden mit Vorgesetzten und Kollegen werden die Fehler direkt angesprochen und gegenseitige Kritik offen geäußert. Außerdem wird dem neuen Mitarbeiter ein erfahrener Kollege zur Seite gestellt, der jede Frage kompetent beantworten kann.

Gerade bei den scheinbar unwichtigen Kleinigkeiten sind Insider-Tipps gefordert, denn jedes Unternehmen hat eigene ungeschriebene Gesetze. Während es bei dem einen Unternehmen tödlich sei, mit dem Ferrari zur Arbeit zu kommen, sollte man bei einem anderen Arbeitgeber unbedingt mit eigenem Luxuswagen vorfahren, um in der selben Liga wie andere Führungskräfte zu spielen, warnt Personalexperte Wolfgang Walter.

Oft entscheiden Kleinigkeiten

Logo der Bank of Amerika (Foto: dpa)
Die Bank of Amerika - Onboarding ist dort zur Selbstverständlichkeit gewordenBild: picture alliance/dpa

So hat auch Andrea Heuser, Chefassistentin bei Esprit, bereits nach drei Wochen im Unternehmen erfahren können, was ihre Kollegen nicht gutheißen: "Die hassen Papier. Sie haben mir sehr schnell vermittelt, dass hier nur das Nötigste ausgedruckt wird, was man wirklich aktuell braucht." Das Onboarding-Programm bei Esprit schätzt sie vor allem, weil sie Unterstützung und wertvolle Ratschläge von ihrem "Paten" im Unternehmen bekommen hat.

Die schiefen Blicke auf zu viel bedrucktes Papier sind aber nichts im Vergleich zu den Folgen, die eine falsche Geste in einer fremden Kultur haben kann. Beim Wechsel in andere Länder oder bei multikulturell aufgestellten Unternehmen ist die Gefahr des Scheiterns viel höher, verrät Wolfgang Walter. Besonders unterschätze man das bei Dingen, die auf den ersten Blick ähnlich sind. "Wenn jemand von Deutschland in die Schweiz wechselt und sagt: die sprechen ja Deutsch. Die sprechen kein Deutsch, wirklich nicht." Die Art des Umgangs, das schnelle "Du" im professionellen Bereich sei überhaupt nicht zu vergleichen mit vertraulichem "Du", das man sich nach längerer Freundschaft oder Kollegenschaft erwirbt.

Deswegen ist Onboarding gerade bei den großen internationalen Unternehmen wie Ford, Coca-Cola, Henkel oder Metro schon längst Standard. Hier werden vor allem speziell geschulte externe Berater eingesetzt, die sich mit Gepflogenheiten der anderen Kultur gut auskennen. Als das erfolgreichste Beispiel von Onboarding gilt die Bank of America, die nach eigenen Angaben ihre Aussteigerquote mittlerweile auf zwölf Prozent senken konnte. Bei allen Vorteilen des Einarbeitungsprogramms ist es trotzdem kein Allheilmittel: Integration kann man nun mal nicht erzwingen. Menschlich passen sollte es von vornherein.

Autorin: Tetyana Bondarenko
Redaktion: Rolf Wenkel