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Wie Jil Sander die Damenmode revolutionierte

Isabel Surges
27. November 2018

Rüschen und ähnlichen Schnickschnack verabscheut Jil Sander. Als Modedesignerin wollte sie Frauen nicht nur einkleiden, sondern deren Selbstbewusstsein stärken. Jetzt wird die wohl bekannteste deutsche Modeschöpferin 75.

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Jil Sander (1983)
Bild: picture-alliance/dpa

Niemand steht so sehr für die Marke Jil Sander wie die Designerin selbst. Feminin, selbstbewusst, zielstrebig. Ihre internationale Bekanntheit und ihren weltweiten Erfolg hat sie dabei vor allem zwei Dingen zu verdanken: ihrem unabdinglichen Fleiß und ihrer Vision, von der ihre Mode von Anfang an geprägt war.

Geboren am 27. November 1943 in Hedwigenkoog und aufgewachsen im Hamburg der fünfziger Jahre, neigte Heidemarie Jiline "Jil" Sander nach eigenen Angaben schon in ihrer Kindheit dazu, Freunde und Familie modisch zu beraten. Nach ihrem Textilingenieur-Studium in Krefeld, bei dem sie ihr Faible für hochwertige und edle Stoffe entdeckte, verschlug es sie für zwei Jahre nach Los Angeles. 1965 kehrte sie nach Hamburg zurück und arbeitete dort als Moderedakteurin für Frauenzeitschriften.

Italien Milan - Jil Sander
Sander auf der Fashion Week in Mailand 2004Bild: Getty Images/AFP/F. Guillot

Karriere fest im Blick: Erste Boutique mit 24 

Doch die Mode dieser Zeit überzeugte die junge Frau nicht: zu viele Schnörkel, zu viele Rüschen, zu viel "Chichi". Mit 24 Jahren machte sie sich selbstständig und eröffnete eine Modeboutique im mondänen Hamburger Stadtteil Pöseldorf in der Milchstraße. Zunächst schmückten fremde Pariser Designerstücke ihre Auslage, 1975 erschien dann ihre erste eigene Kollektion. Als sie diese in Paris präsentierte, waren die Kritiker zunächst wenig begeistert. Erst ein Jahr später sollte ihr die von ihr geschaffene minimalistische Mode, die sich durch ihre leichte Kombinierbarkeit auszeichnete und so unter dem Beinamen "Zwiebel-Look" bekannt wurde, zu Weltruhm verhelfen.

Jil Sander bringt frischen Wind in die Modewelt

Sander erschuf Mode für moderne Businessfrauen. Edle Stoffe, klare Linien, kein Schnickschnack. Ihre Kleidung sollte den Frauen Selbstbewusstsein geben in einer von Männern dominierten Geschäftswelt. "Bei mir ging es viel um Form, Funktion und Proportion. Ich wollte nie nur dekorieren", sagte Sander einmal in einem Interview.

Bequem, stilvoll und hochwertig sollte ihre Mode sein. Derweil versuchte sie nie, den Kleidungsstil der Männer zu kopieren. Als stilprägend gilt allen voran ihr Blazer, der durch seinen passgenauen Schnitt und seine gekonnte Betonung der weiblichen Proportionen schnell zum Kassenschlager avancierte. Ihre schlichte, zurückhaltende Mode hob sich von den verspielten Designs von Dior und Armani ab, von denen die Modewelt zum damaligen Zeitpunkt geprägt war.

Ausstellung Jil Sander. Präsens 4. November 2017 – 6.  Mai 2018 | Portrait Jil Sander
Seinerzeit ungewöhnlich: Jil Sander wirbt für Jil SanderBild: Peter Lindbergh

Gesicht ihrer eigenen Marke

Revolutionär war nicht nur ihre puristische Kleidung, sondern auch die Art und Weise, wie sie ihr Parfüm bewarb, das Ende der 70er-Jahre in Kooperation mit dem Kosmetikhersteller Lancaster auf den Markt kam: mit ihrem eigenen Gesicht. Nie zuvor hatte eine Designerin sich selbst als Werbemittel vermarktet. Und das, obwohl Sander sich sonst eher zurückhaltend zeigt. Sie hütet ihre Privatsphäre und gibt nur selten Interviews. 

International erfolgreich

Von Hamburg ging es in die Welt: In den folgenden Jahren expandierte ihr Modelabel. Jil Sander eröffnete Niederlassungen in New York, Paris und Tokio. Bald folgte auch eine Herrenkollektion und 1989 ging das Modeunternehmen als eines der ersten an die Frankfurter Börse. Als es 1999 mit Prada fusionierte, schien alles perfekt zu sein. Der italienische Partner sollte dabei helfen, das Accessoiregeschäft weiter auszubauen. Bloß fünf Monate später schied Sander jedoch unerwartet aus dem Unternehmen aus - zu groß seien die Differenzen gewesen zwischen der kühlen Hanseatin und dem temperamentvollen Prada-Geschäftsführer Patrizio Bertelli.

Rückzug aus dem Business

Nach ihrem Rückzug verbrachte sie viel Zeit in ihrem Garten, der ihr Anwesen Gut Ruhleben im schleswig-holsteinischen Plön umgab, wo sie mit ihrer langjährigen Lebensgefährtin Angelica Mommsen lebte. Dort fand sie Ruhe, las und ging spazieren. Im Garten ihres Landhauses auf Ibiza erntete sie Oliven, die sie zu Olivenöl verarbeiten ließ.

Vom Laufsteg ins Museum

Es folgten kurze Ausflüge in die Modeindustrie. Einige Jahre war sie Kreativdirektorin beim japanischen Fast-Fashion Konzerns "Uniqlo". Später kam sie als Chefdesignerin zum Unternehmen Jil Sander zurück, gab den Posten aber 2013 wieder auf, um für ihre Frau da zu sein, die an Krebs erkrankt war. Danach wurde es ruhig um Jil Sander. Erst 2017 trat sie wieder in die Öffentlichkeit mit ihrer Ausstellung "Präsens" im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt.