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PolitikNahost

Katar: Imagepflege durch "Soft Power"

26. August 2020

Das kleine Golf-Emirat investiert viel Geld in sein Image als weltoffenes Land: Katar sponsort Fußballvereine und finanziert Universitäten. Doch wie sieht es dahinter aus?

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Frankreich | Airbus von Qatar Airways
Bild: picture-alliance/dpa

Herzlichen Glückwunsch aus Katar an den "Partner" in München! Am Wochenende hatten die Bayern im Champions-League-Finale Paris Saint Germain mit 1:0 besiegt. Ein Triumph, den man in dem kleinen Emirat am Golf mindestens genauso überschwänglich gefeiert hätte, wären die Franzosen als Sieger vom Platz gegangen. Denn völlig unabhängig vom sportlichen Ergebnis stand ein Gewinner dieser Partie schon vorher fest: Katar.

Das aufgrund seiner Erdgas- und Erdölvorkommen zu Reichtum gekommene Emirat ist über verschiedene Gesellschaften führender Sponsor beider Vereine. Während Paris Saint Germain dem Emirat über die staatseigene Investorengruppe "Qatar Sports Investments" sogar vollständig gehört, haben die Bayern einen "Platin"-Sponsorenvertrag mit der nationalen Fluggesellschaft Qatar Airways.

Fußball Champions League Finale PSG - Bayern München
Bayern-Kicker Alaba (Mitte) tröstet PSG-Star Neymer nach dem Finale. Beide Vereine werden aus Katar gesponsortBild: picture-alliance/AP Photo/M.A. Lopes

Land in schwieriger Lage

Katar verspricht sich von sportlichen Beteiligungen und Erfolgen internationalen Image-Gewinn - ebenso wie vom Prestige-Projekt der Fußball-WM 2022 und ähnlichen Plänen für die Olympischen Spiele. Denn in der Region selbst steht das Land schwer unter Druck: Seit drei Jahren wird Katar auf beinahe allen Ebenen von einer Koalition arabischer Staaten boykottiert, zu der neben der regionalen Führungsmacht Saudi-Arabien vor allem die kleineren Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sowie Ägypten gehören. Alle drei Länder werfen Katar Unterstützung der Muslimbruderschaft vor, in der sie eine Bedrohung ihrer eigenen autoritären Herrschaftssysteme und regionalen Machtinteressen sehen. Außerdem stört sie die kritische Berichterstattung des katarischen Vorzeige-Senders Al-Jazeera über Menschenrechtsfragen in den drei Ländern sowie Katars vergleichsweise gute Beziehungen zum Iran, dem Hauptkonkurrenten der Saudis.

Fußball Bundesliga FC Bayern München vs FC Augsburg
Die Partnerschaft von Bayern München mit Qatar Airways ist bei Fußballfans umstritten Bild: imago images/MIS

Gut vernetzt in viele Richtungen

Vor diesem Hintergrund habe Katar erfolgreich ein dynamisches Netz außenpolitischer Allianzen gesponnen, das dem Emirat großen Spielraum gebe, sagt Fabian Blumberg, Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Golfstaaten. Diese Allianzen seien durchaus widersprüchlich. Zum einen unterhalte Katar gute und enge Beziehungen zur Türkei und zum Iran - zugleich aber auch zu den USA. Das in dem Emirat stationierte US-Militär, so der Experte, gewährleiste die Sicherheit der arabischen Golf-Monarchien - und zwar durchaus auch durch Abschreckung des Iran: "Damit ist Katar außenpolitisch in der Lage, unterschiedliche Akteure zusammenzubringen. Und es ist in einer Position, die eine Entspannung sowohl mit Israel als auch mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten theoretisch zulässt", sagte Blumberg der DW.

Sponsoring als Mittel der Politik

Seine eigene Sicherheit und seinen politischen Einfluss in der Region sowie auf internationaler Ebene versucht Katar außerdem strategisch durch Investitionen abzusichern - insbesondere in den Bereichen Sport und Wissenschaft. "Beides dient dem Ausbau katarischer Soft-Power sowie der Verbesserung des Images im Ausland", sagt Golfstaaten-Experte Blumberg. "Katar erscheint so als weltoffener und kosmopolitischer Staat." 

Der in Beirut lehrende deutsche Poli­tikwis­sen­schaftler Danyel Reiche kam kürzlich in einem Interview mit dem Fußball-Magazin "Elf Freunde" sogar zu einem noch weitreichenderen Schluss: "Sicher­lich würde sich die Welt­ge­mein­schaft kaum für dieses Land inter­ess­ieren, wenn Katar nicht erfolg­reich seit Anfang der 1990er-Jahre in den Sport inves­tiert hätte."

Akademische Imagepflege

Demselben Ziel dient das akademische Engagement des Landes. Kurz nach der Jahrtausendwende lud Katar US-amerikanische Universitäten und Think-Tanks ein, eigene Niederlassungen in dem Emirat zu gründen. Als einer der ersten Institutionen eröffnete 2003 die renommierte "Rand Corporation" eine Filiale in Doha. Die Zusammenarbeit mit der dort ansässigen "Qatar Foundation" dauerte bis 2013, wurde dann aber, offenbar auf Druck Saudi-Arabiens, wieder aufgelöst.

USA Donald Trump und Tamim bin Hamad al-Thani
Gut vernetzt: Katars Alleinherrscher Scheich Tamim bin Hamad al-Thani mit US-Präsident Donald Trump Bild: Reuters/K. Lamarque

Zudem ließ Katar Millionen Dollar direkt in Universitäten auf amerikanischem Boden fließen. Allein die Unterstützung der Georgetown University in Washington war dem Emirat laut Recherchen der "Jerusalem Post" mehr als 330 Millionen US-Dollar wert. Das Motiv liege auf der Hand, analysierte die Zeitung: Die Universität sei für Katar von strategischem Wert, da sie nicht nur in unmittelbarer Nähe zu den Machtzentren der USA liege, sondern auch zahlreiche künftige Diplomaten und Politiker ausbilde. Diese, so das Kalkül, könnten dank der Unterstützung aus Katar geneigt sein, den öffentlichen Diskurs über Katar weniger kritisch zu halten.

Charme-Offensive über Al-Jazeera

Eine Charme-Offensive verfolgt Katar auch über den Sender Al-Jazeera. Mit dessen beiden Vorzeigekanälen - dem arabisch- und dem englischsprachigen News-Programm - bedient er gekonnt unterschiedliche Zielgruppen. So fährt der arabische Kanal einen teils dezidiert islamisch-konservativen Kurs, ablesbar etwa an Sendungen wie  "Al-Sharia wa al-Hayah" (Die Scharia und das Leben), die viele Jahre von dem ägyptischen Prediger Yusuf al-Qaradawi geprägt wurde, der den Muslimbrüdern nahesteht.

Die Berichterstattung über Syrien und den Israel-Palästina-Konflikt bedient oft populistische Stimmungen in der Region. Der englischsprachige Kanal von Al-Jazeera präsentiert sich hingegen neutral, modern und weltoffen. "Gäbe es Al-Jazeera nicht, wäre Katar in der Welt viel weniger bekannt", bilanziert der Polit-Analyst Mehran Kamrava in seinem Buch "Qatar. Small State, big politics".

Katar | Al-Dschasira Newsroom
Prestige-Sender mit unterschiedlichen Gesichtern: Al-Jazeera sendet aus Katars Hauptstadt DohaBild: picture-alliance/dpa/T. Brakemeier

Problematische Menschenrechtslage

Das von Katar auf internationaler Bühne angestrebte Image des weltoffenen Standort stößt allerdings an harte Grenzen - insbesondere bei Menschenrechten. So wird Homosexualität mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. Auch außereheliche Intimbeziehungen können harte Strafen nach sich ziehen.

Stark eingeschränkt ist auch die Meinungsfreiheit: "Sowohl Print- als auch Rundfunkmedien werden von führenden Familien beeinflusst und unterliegen der staatlichen Zensur", heißt es in einer Studie der Menschenrechtsorganisation "Freedom House" zum Berichtsjahr 2019: "Alle Journalisten in Katar praktizieren ein gewisses Maß an Selbstzensur und müssen mit möglichen Gefängnisstrafen wegen Verleumdung und anderen Pressedelikten rechnen."

Auch ausländische Arbeitnehmer im Land sähen sich weiterhin vielfachem Missbrauch ausgesetzt, betont Maham Javaid von der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch". In einem Land, in dem Ausländer rund 90 Prozent der Bevölkerung stellen, ist dies kein zu unterschätzendes Phänomen.

Katar Gastarbeiter aus Ghana in Doha
Wenig Rechte für ausländische Arbeitskräfte: Gastarbeiter in DohaBild: Getty Images/AFP/M. Naamani

Reformpläne seien bislang nicht effektiv umgesetzt worden, bemängelt die Menschenrechtlerin. So müssten ausländische Arbeiter hinnehmen, dass Gehälter teils zu spät oder gar nicht ausgezahlt würden. Durch das so genannte Kafala-System - ausländische Arbeitnehmer sind auf einen Bürger des Landes als eine Art Pate angewiesen - hielten sich Abhängigkeitsverhältnisse aufrecht. "Gelegentlich", so Javaid, "interessiert sich Katar mehr für sein internationales Image als für das, was vor Ort zu tun wäre."

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika