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Wie lange sollen die Atomkraftwerke laufen?

3. September 2010

Die Bundesregierung will ihren Streit über längere Laufzeiten von Atomkraftwerken beilegen. Dazu soll es am Sonntag einen Gipfel im Kanzleramt geben. In der Bevölkerung sind die Pläne höchst umstritten.

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Das AKW Biblis in der südhessischen Gemeinde Biblis (Foto: dpa)
Deutschlands ältestes AKW steht in Biblis (Südhessen)Bild: picture-alliance/ dpa

Am Sonntag (05.09.2010) will die Bundesregierung ihren internen Streit darüber beenden, wie lange die 17 Atomkraftwerke in Deutschland noch laufen sollen. Dazu wollen die Spitzen der Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel im Kanzerlamt zusammenkommen.

Einig ist sich die schwarz-gelbe Koalition lediglich darin, dass sie den 2002 gesetzlich festgelegten Ausstieg aus der Kernenergie grundsätzlich aufheben will. Nach dem unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung mit der Energiewirtschaft ausgehandelten Kompromiss soll das letzte Atomkraftwerk in Deutschland etwa 2021 vom Netz gehen. Wie viele Jahre die Atomkraftwerke nun länger betrieben werden sollen, ist aber innerhalb der Koalition höchst umstritten.

Acht, zehn, 15 oder 20 Jahre?

Merkel selbst plädiert für eine Laufzeitverlängerung von zehn bis 15 Jahren. Ihr Parteifreund Umweltminister Norbert Röttgen spricht sich für eine kürzere Frist aus. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hält dagegen eine Verlängerung von bis zu 20 Jahren für möglich.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto: AP)
Bundeskanzlerin Merkel nach einem Besuch des Kernkraftwerks in LingenBild: AP

Das Bundespräsidialamt hält nach einem Zeitungsbericht nur eine Verlängerung von maximal neun Jahren für möglich. Dies gelte jedenfalls, wenn eine Zustimmungspflicht des Bundesrates vermieden werden solle, berichtet das "Handelsblatt" am Freitag. Die Zeitung beruft sich auf Informationen aus Regierungskreisen über ein internes Gutachten der Verfassungsjuristen von Bundespräsident Christian Wulff.

Muss der Bundesrat beteiligt werden?

Die Bundesregierung will bei ihren Plänen eine Beteiligung des Bundesrates vermeiden, weil die Regierungskoalition in der Länderkammer keine Mehrheit hat. Die Opposition aus SPD, Grünen und der Linkspartei könnte die Pläne dort zu Fall bringen. Vertreter von SPD und Grünen hatten mehrfach beteuert, vor dem Bundesverfassungsgericht klagen zu wollen, falls die Regierung versuche, ihre Atompläne ohne Beteiligung des Bundesrates durchzusetzen. Die Opposition lehnt jegliche Verlängerung der Laufzeiten vehement ab.

Auch in der Bevölkerung sind die Regierungspläne umstritten. Wie aus einer Umfrage der ARD hervorgeht, sprachen sich 59 Prozent der Befragten dafür aus, am Ausstiegsbeschluss festzuhalten. Nur 37 Prozent fänden es grundsätzlich richtig, wenn die Laufzeiten der deutschen Reaktoren verlängert würden.

Wird nach bestimmten Bedingungen gefragt, ändert sich das Meinungsbild jedoch. Danach wären 73 Prozent der Deutschen mit einer Verlängerung der Laufzeiten einverstanden, "wenn ein wesentlicher Teil der zusätzlichen Gewinne der Stromkonzerne für den Ausbau erneuerbarer Energien eingesetzt würde". Nur 25 Prozent wären auch in diesem Fall nicht damit einverstanden.

Minister Röttger will Nachrüstungen durchsetzen

Bei dem Gipfel am Sonntag spielt auch die Forderung von Minister Röttgen eine Rolle, dass die Atomkraftwerke technisch nachgerüstet werden sollen. Unter anderem sollen sie besser gegen den Absturz von Flugzeugen geschützt werden. Die sieben ältesten Reaktoren gelten wegen zu geringer Wandstärken der Reaktoren als nicht stabil genug, um Terrorattacken mit Passagierflugzeugen standzuhalten. Technische Nachrüstungen würden Milliardeninvestitionen der Kraftwerks-Betreiber notwendig machen.

Die SPD warf der Regierung deshalb ein Spiel mit der Sicherheit der Bevölkerung vor: "Das ist der Versuch, den ältesten Kraftwerken noch einmal eine lange Schonfrist zu geben", sagte Fraktionsvize Ulrich Kelber. Die Grünen sprachen in diesem Zusammenhang von "Schrottmeilern".

Kommt die Brennelementesteuer?

Außerdem will die Regierung darüber sprechen, ob es eine Besteuerung von Brennelementen geben solle. Ursprünglich sollte die Steuer am Mittwoch mit den anderen Haushaltsbegleitgesetzen beschlossen werden. Denn Finanzminister Wolfgang Schäuble braucht die dadurch erwarteten Einnahmen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro zum Stopfen von Etatlöchern. Stattdessen nahm das Kabinett aber den Entwurf eines bereits ausformulierten "Kernbrennstoffsteuergesetzes" nur zur Kenntnis und gab dem Finanzministerium den Auftrag, weiter mit den Atomkonzernen zu verhandeln. Diese wehren sich heftig gegen die geplante Abgabe.

Autor: Martin Muno (dpa, apn, afp, rtr)
Redaktion: Martin Schrader

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