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Wie lebenswert sind Chinas Städte?

28. April 2010

"Better City, Better Life" - das ist das Motto der Weltausstellung in Shanghai. Ein aktuelles Thema in einem Land, in dem es über 100 Millionenstädte gibt. Und zehn Megacitys mit über 10 Millionen Einwohnern.

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Autobahnkreuz in der südwestchinesischen Millionenstadt Kunming (Foto: DW / Thomas Latschan)
Autobahnkreuz in der südwestchinesischen Millionenstadt KunmingBild: Thomas Latschan

Han Han ist einer der erfolgreichsten Blogger der Welt - mit bislang rund 200 Millionen Klicks. Und er ist ein Idol für viele junge Chinesen. Nicht nur, weil er dazu auch noch Romanautor und Rennfahrer ist, sondern vor allem, weil er provoziert. "Worse City, Worse Life" - so nannte er beispielsweise einen Vortrag, den er bei einer offiziellen Veranstaltung im Vorfeld der Expo hielt. Unmittelbar nach dem Beginn der Rede wurden prompt sämtliche Fernseh- und Radioübertragungen eingestellt.

Nachtaufnahme des Expo-Geländes mit Blick auf den chinesischen Pavillon (Foto: AP)
So möchte sich Shanghai der Welt präsentieren: als moderne GlitzermetropoleBild: dpa

Denn die Botschaft des Bloggers steht im krassen Gegensatz zum offiziellen Motto der Expo - das lautet "Better City, Better Life". Dieses Motto aber, so Han Han, hat mit der Realität nichts zu tun. So steigen die Immobilienpreise in Shanghai in immer unerschwinglichere Höhen. Die hohen Lebenskosten machten vielen jungen Menschen die Erfüllung ihrer Träume unmöglich. Für Han Han sind sie zu "Sklaven der Hypotheken" geworden.

Zahlen, Zahlen, Zahlen

Selbst im Fernsehen werden diese Sklaven der Hypotheken thematisiert. Eine der erfolgreichsten Serien des Jahres 2009 hieß "Leben wie eine Schnecke". Die Heldin der Geschichte lebt mit ihrem Mann zunächst in einem winzigen Zimmer in Shanghai – wie eine Schnecke - weil die beiden Geld für eine eigene Wohnung sparen möchten. Aber auch nachdem sie endlich die erste Zahlung geleistet haben und in die ersehnte Eigentumswohnung umgezogen sind, wird das Leben nicht besser.

Skyline von Shanghai (Foto: AP)
Bild: AP

"Jeden Morgen, wenn ich die Augen öffne, ist mein Kopf voller Zahlen", berichtet die Heldin des Films. Und zählt auf: "Die Hypotheken 6000 Yuan (umgerechnet 650 Euro) monatlich, das Essen, Kleidungen etc. 2500, die Kindergartengebühr 1500, 600 Yuan für Geschenke an wichtige Funktionsträger, dann die Verkehrskosten 580, die Hausverwaltungsgebühr 300 bis 400, Telefonrechnungen 250, dazu noch Gas, Wasser und Strom 200." Vom ersten Atemzug an müsse sie jeden Tag mindestens 400 Yuan verdienen, um in Shanghai leben zu können. "Keinen Moment darf ich aufatmen. An die Zukunft denke ich gar nicht. Ich habe keine Zukunft. Meine Zukunft ist jetzt, in diesem Moment."

Wenig Grün

Lin Lin lebt seit vier Jahren in Shanghai. Die 29-Jährige hat sich als Deutschlehrerin selbstständig gemacht. Mit ihrem jetzigen Leben ist für sie ein Traum wahr geworden. Ihr gefällt der Job. In ihrer Freizeit liest sie, joggt und trifft Freunde. Den Verkehr in Shanghai findet Lin Lin akzeptabel, vor allem wenn man Shanghai mit der Hauptstadt Peking vergleicht.

Eine Müllsammlerin bei der Arbeit (Foto: DW / Sandra Petersmann)
Eine Müllsammlerin bei der Arbeit - auch das gehört zum Stadtbild von ShanghaiBild: DW

Auch Sun Hong, ein 30-Jähriger IT-Fachmann, findet die Shanghaier U-Bahn gut, die Sporteinrichtungen oder Shoppingmalls. Aber: Ihm fehlen in der pulsierenden Stadt die Ruhepole. "Shanghai ist das Finanz- und Wirtschaftszentrum Chinas. Das Tempo in dieser Stadt ist sehr schnell. Aber es gibt kaum einen Ort, an dem man sich ausruhen kann." Die vorhandenen Parkanlagen seien viel zu klein, bemängelt der IT-ler. Außerdem sähen sie alle gleich aus. Er wünscht sich größere Grünanlagen, einfach "ein Stückchen Natur in der Stadt, wo man seine Ruhe finden kann."

Lebensqualität ausbaufähig

Genau an diesem Punkt muss einiges verbessert werden, meint auch Hu Xingdou, Soziologe der Beijing University of Science and Technology. "Die Stadtverwaltungen haben nur die Wirtschaftsleistung im Visier: Mehr Investitionen anziehen, mehr Fabriken errichten, mehr Wolkenkratzer bauen. Das Wohl der Bürger ist zweirangig." Hu Xingdou sieht die Urbanisierung und die wachsende Zahl der Megastädte positiv. Ressourcen könnten in Großstädten besser genutzt und Reichtum schneller erzeugt werden. Aber die Lebensqualität in den chinesischen Megacities lässt noch viel zu wünschen übrig. Es ist noch ein langer Weg zu "Better City, Better Life".

Autorin: Miao Tian
Redaktion: Esther Broders