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Wie man in den Wald hinein ruft…

Andreas Sten-Ziemons6. November 2013

Dass Fans sich beschweren, wenn es sportlich nicht läuft, ist ihr gutes Recht. Aber was einige Anhänger ihren Spielern zumuten, geht weit über das erträgliche Maß hinaus, meint DW-Sportreporter Andreas Sten-Ziemons.

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Themenbild Kolumne Flügelzange (DW-Grafik: Peter Steinmetz)
Bild: DW

Die Beziehung zu den Fans ist im Profifußball elementar. Spieler und Trainer bestätigen quer durch die Ligen immer wieder, wie sehr sie die Unterstützung ihrer Fans brauchen. Jeder Profi genießt es, sich im Erfolgsfalle bejubeln zu lassen und gemeinsam mit dem Anhang zu feiern. Ein schönes Bild hat hierzu der vergangene Spieltag der Fußball-Bundesliga geliefert, als Bremens Argentinier Santiago Garcia das 3:2 gegen Hannover erzielte und anschließend von den Bremer Fans am Zaun vor Begeisterung fast erdrückt wurde.

Belastend kann die Beziehung zu den Fans dann werden, wenn es sportlich nicht läuft. Sprechchöre aus der Kurve wie "Wir wollen euch kämpfen sehen!" oder "Wir haben die Schnauze voll!" sind da noch die harmlose Variante. Schwieriger wird es, wenn man nach einem verlorenen Spiel den direkten Kontakt zu den Fans sucht und sich einem wütenden Mob gegenübersieht. Da wird mit vor Zorn verzerrten Gesichtern gepöbelt, geschimpft, gedroht und es werden Stinkefinger in den Himmel gereckt. So geschehen in Nürnberg, wo sich die Mannschaft des FCN nach der Heimniederlage im Kellerduell gegen den SC Freiburg seinen aufgebrachten Fans stellte.

Schreie, Spucke, Schläge

Sportdirektor Martin Bader versuchte, umringt von den Spielern, mit einer kurzen Ansprache beruhigend auf die Anhänger einzuwirken. Die Situation eskalierte, als Kapitän und Torwart Raphael Schäfer auch ein paar Worte sagen wollte und daraufhin von den Fans niedergebrüllt wurde. Frustriert stapfte Schäfer von dannen und schmiss seine Kapitänsbinde auf den Boden - was die Fans erst recht in Aufregung versetzte.

Fußball Bundesliga 11. Spieltag: 1. FC Nürnberg - SC Freiburg am 02.11.2013 im Grundig Stadion in Nürnberg (Bayern). Der Nürnberger Torhüter Raphael Schäfer bleibt nach dem 0:3 auf dem Rasen stehen (Foto: Daniel Karmann/dpa)
Da hing die Binde noch am Arm: Nürnbergs Torwart Raphael Schäfer beim Spiel gegen FreiburgBild: picture-alliance/dpa

Nicht nur bei Gebrüll und Beschimpfungen blieb es am vergangenen Wochenende in anderen Stadien: In der 2. Bundesliga wurden Spieler von Fortuna Düsseldorf nach der Niederlage beim VfR Aalen von wütenden Fans bespuckt und bei Alemannia Aachen in der 4. Liga gab es sogar eine Ohrfeige für Torwart Frederic Löhe.

Was muss man sich eigentlich alles gefallen lassen, bloß weil man als Spieler für einen Fußballverein aufläuft? Wo verläuft die Grenze? Erst bei körperlicher Gewalt, oder muss man schon vorher einen Schlussstrich ziehen? Muss man sich von Halbwüchsigen, die es beim Fußballspielen selbst wohlmöglich nicht über Kreisliga-Niveau hinaus gebracht haben, auf übelste Weise beschimpfen lassen? Muss man sich von Teenagern anpöbeln lassen, die auch deshalb da unten am Zaun stehen und ausrasten, weil sie denken, dass das zum "echten Fan-Verhalten" dazu gehört?

Andere Saiten aufziehen

Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es auch heraus, heißt es. Vielleicht sollte man daher den Fans einfach mal die kalte Schulter zeigen. Einfach mal nicht in die Kurve gehen, wenn einen dort ohnehin nichts anderes erwartet als Schreie, Spucke und Schläge. Ein bisschen mehr Konsequenz hat schließlich noch keinem geschadet. Das funktioniert bei der Erziehung von Kleinkindern, warum sollte es nicht auch bei diesen Fans funktionieren? Das geistige Niveau der Adressaten dürfte sich ungefähr die Waage halten. Und vielleicht führt die nicht gewährte Gunst sogar dazu, dass sich die Schreier, Spucker und Schläger Gedanken über ihr Verhalten machen. Auch wenn da bei einigen wirklich nur sehr geringe Hoffnung besteht…

Raphael Schäfer hat sich einen Tag nach seinem frustrierenden "Gespräch" mit den Fans entschuldigt. Alles sei ein Missverständnis gewesen. Das Wegwerfen der Binde "ein riesengroßer Fehler". Er habe überreagiert. Überreagiert? Tatsächlich? Oder hätte nicht vielmehr Raphael Schäfer eine Entschuldigung der Fans erwarten dürfen?