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Wie sicher ist der Bundestag?

19. November 2020

Die Debatte im Bundestag über das Infektionsschutzgesetz wurde von Störungen überschattet - im Gebäude selbst. Der Ältestenrat denkt jetzt über Hausverbote nach.

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Deutschland Berlin | Proteste gegen Coronamaßnahmen
Bild: Fabrizio Bensch/REUTERS

Mittwoch im Bundestag: Immer wieder redet eine aufgebrachte Frau auf Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ein, filmt ihn mit ihrem Handy, wirft ihm vor, gewissenlos zu sein. Altmaier, der gerade einen Fahrstuhl betreten will, bleibt ruhig. Dann wirft ihm eine zweite Person, ein Mann, vor, aufgeblasen und arrogant zu sein. Es herrscht eine aggressive Stimmung. Auch andere Abgeordnete berichten, von Störern bedrängt worden zu sein, mitten im Parlament.

So sagt der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle der DW am Donnerstag: "Als die Frau, die später Peter Altmaier beleidigte, mir ihre Handykamera ins Gesicht hielt, stand ich glücklicherweise direkt vor dem Plenarsaal, sodass ich mich der Situation einfach entziehen konnte. Die Bedrohung und Beleidigung von Abgeordneten in den Liegenschaften des Deutschen Bundestags ist eine völlig neue Qualität der Beeinträchtigung unserer demokratischen Prozesse und darf uns als Parlamentarier nicht kalt lassen."

DW Interview mit Konstantin Kuhle - Bundesvorsitzender Junge Liberale (JuLis)
"Auch mich hat die Frau versucht zu stören." Der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle.Bild: DW

Eingeladen hatten die Störer Mitglieder der Fraktion der "Alternative für Deutschland" (AfD). Franziska Brantner, Abgeordnete der Grünen, sagt dazu im Gespräch mit der DW am Donnerstag: "Es ist ungeheuerlich, dass die AfD gezielt Personen in den Bundestag einschleust, die Abgeordnete belästigen und vor der Abstimmung versuchen einzuschüchtern. Dem muss umfassend nachgegangen werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Abgeordneten nicht mehr frei ihrer Arbeit nachgehen können."

Verstörende Bilder auch außerhalb

Hauptthema der Volksvertreter war an diesem Tag die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes, das Gegner der Corona-Politik zum Anlass nahmen, heftig gegen die Regierung zu protestieren. Während Altmaier im Bundestag bedrängt wurde, löste die Polizei draußen vor dem Parlament eine Demonstration von einigen tausend Menschen auf, die ohne Masken erschienen waren und keinen Abstand hielten. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein, fast 200 Personen wurden festgenommen.

Deutschland Bundestag Änderung des Infektionsschutzgesetzes AfD
Provokationen auch im Plenarsaal: Die AfD behauptet, ab jetzt gelte das Grundgesetz nicht mehr. Die Plakate mussten wenig später entfernt werden.Bild: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Dass Störer es bis in den Bundestag schaffen, beschäftigt nun dessen Ältestenrat. Die AfD-Fraktionsspitze bestätigte, dass zwei der Störer auf Einladung der Fraktion im Bundestag gewesen seien. "Wir bedauern das inakzeptable Verhalten", erklärten die AfD-Fraktionschefs Alice Weidel und Alexander Gauland. Der Ältestenrat lässt nun strafrechliche Konsequenzen sowohl für die Abgeordneten als auch für ihre Gäste prüfen. Die störenden Besucher könnten auch mit einem Hausverbot belegt werden, heißt es weiter.

Bundestag ist eigentlich besonders gesichert

Der Bundestag mit all seine Gebäuden und die unmittelbare Umgebung sind rechtlich besonders geschützte Bereiche, wie in den Regierungsvierteln vieler anderer Länder auch. Um den Bundestag herum gibt es eine Bannmeile, von der im Alltag aber fast nichts zu spüren ist. Demonstrationen sind generell verboten, können aber trotzdem zugelassen werden, wenn keine Störung zu erwarten ist. Der Bereich hinter dem Reichstagsgebäude, zwischen dem Bundestag und der Parlamentarischen Gesellschaft, wo früher die Berliner Mauer Ost und West trennte, ist generell abgesperrt und nur für Abgeordnete, Minister und andere Berechtigte betretbar.

Berlin | Anti-Corona Demo
Die Polizei setzt am Brandenburger Tor Wasserwerfer ein. Das Parlament ist nur einen Steinwurf entfernt. Bild: Andreas Rabenstein/dpa/picture alliance

Ein Parlament - durchaus offen für Besucher

Der Bundestag verfügt über eine eigene Polizei, das Hausrecht hat der Präsident, derzeit ist das Wolfgang Schäuble (CDU). Bürger können das Parlament über einen separaten Eingang besuchen und werden dann in der Regel zu der imposanten Kuppel geleitet, von der aus sie den Abgeordneten beim Debattieren zusehen können. Das hatte Schäuble extra für die brisante Sitzung am Mittwoch untersagt.

Die Politiker können aber auch Besuchsgruppen einladen, zumeist aus ihren Wahlkreisen, die dann auf die beiden Besuchertribünen des Plenarsaals geleitet werden, um für knapp 30 Minuten dort einen Blick auf die Kanzlerin werfen zu können. Journalisten dürfen ebenfalls auf die Tribünen, und sie können die Politiker in der Westlobby treffen. Dort können sie Interviews führen, der Bereich unmittelbar vor dem Eingang zum Plenarsaal ist aber auch für die Presse tabu.

Unter den Störern: bekannte Youtuber vom rechten Rand

Einzelne Abgeordnete - und genau das war am Mittwoch der Fall - können zudem bis zu sechs Einzelpersonen als Gäste einladen, die sie beim Besuch aber ständig begleiten müssen. Und die Gäste müssen sich respektvoll verhalten und sich an die Hausordnung des Bundestages halten. Was am Mittwoch eben nicht geschah. Obwohl anders als sonst die Gäste diesmal sogar vorher angemeldet werden mussten.

Peter Altmaier CDU mit Maske
Blieb trotz allem gelassen: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Unter den Störern, die Altmaier und andere Abgeordnete bedrängten, waren auch einige sattsam bekannte Youtuber aus der rechten Szene. Am Ende wurden sie von der Bundestagspolizei aus dem Gebäude gebracht. Für die Störer kann die Aktion durchaus teuer werden: Schon Ordnungswidrigkeiten im Bundestag können mit Bußgeldern von einigen tausend Euro bestraft werden. Wer die Abgeordneten massiv stört, dem droht im Extremfall sogar eine Freiheitstrafe von bis zu einem Jahr.

Sicherheitsregeln werden ständig angepasst

Hausausweise für den Bundestag bekommen alle Abgeordneten und ihre Mitarbeiter. Journalisten müssen sich beim Bundestag akkreditieren und erhalten einen Jahresausweis, wenn sie nachweisen, dass sie kontinuierlich über die Bundespolitik berichten. Sie können sich dann aber weitgehend frei im Bundestag bewegen. Ausgenommen ist aber zum Beispiel ein Restaurant, das auch die Pressevertreter nur betreten dürfen, wenn ein Abgeordneter sie einlädt.

Über die konkreten Sicherheitsmaßnahmen selbst im Bundestag schweigen sich die Verantwortlichen im Übrigen seit Jahren aus. Aber immer wieder ist zu hören: Sie werden ständig verschärft in Zeiten von Terror und immer größerer Aggressivität in der Gesellschaft.