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Wie stabil ist die kubanische Revolution?

7. Januar 2010

Die kubanische Revolution ist dringend reformbedürftig. Statt dessen herrscht unter Raúl Castro Stagnation auf der Insel.

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Raúl Castro verwaltet eine marode RevolutionBild: AP

2006 hat sich Fidel Castro wegen seines schlechten Gesundheitszustands aus der Regierung zurückgezogen und seinem Bruder Raúl die Ämter als Staats- und Regierungschef übertragen. Nachdem Fidel angekündigt hatte, nicht mehr zu kandidieren, wurde Raúl im Februar 2008 offiziell gewählt. Er versprach den Kubanern Reformen um ihre Lebensumstände zu verbessern. Der Politikwissenschaftler Karl Buck, der bis 2009 in der Europäischen Union für die Beziehungen zu Lateinamerika zuständig war, sieht darin eher einen taktischen Schachzug des jüngeren der beiden Castro-Brüder: "Raúl Castro weiß, dass er bestimmte Reformen im ökonomischen Bereich eingehen muss, weil er nicht das Charisma seines Bruders hat. Dessen Charisma konnte die normalen Kubaner manchmal ihre täglichen Probleme vergessen lassen", so Bucks Fazit.

Mehrere kleinere Reformen

51 Jahre nach dem Beginn der Revolution will Raúl Castro neue Impulse geben und hat Reformen angekündigt: Auslandsreisen und der Kauf von Wohnungen sollen ermöglicht werden. Bis jetzt gab es lediglich kleinere Reformen, die hinter den Erwartungen der Kubaner zurückblieben.

Internetcafé für Touristen in Havanna (Foto: AP)
Zugang zum Internet gibt es auf Kuba für Touristen, Kubaner müssen draußen bleibenBild: picture-alliance/ dpa

Seit April 2008 dürfen die Bürger offiziell Computer, Flachbildschirme und Handys kaufen. Allerdings kann sich fast kein Kubaner diesen Luxus leisten. Für einen modernen Fernseher muss ein Kubaner neun Jahre lang sein ganzes Gehalt sparen und Handys können nur mit dem Dollarersatz CUC bezahlt werden. Etwa 40 % der Kubaner bekommen dieses Zahlungsmittel von Verwandten aus dem Ausland überwiesen.

„Die EU hat die Wirtschaftsbeziehungen nie reduziert“

In den 90er Jahren, als Raúl Castro noch Vizepräsident war, hat die Europäische Union eng mit Kuba zusammengearbeitet, um auf diese Weise Einfluss auf die Regierung zu hben und auf die Einhaltung der Menschenrechte drängen zu können. Teil der Zusammenarbeit war auch eine gemeinsame Entwicklungspolitik. Diese Reformen haben jedoch eher zur Stabilität im Innern beigetragen, als zu großen Veränderungen, erklärt Karl Buck. Große Unterschiede würde es aber in der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit geben: "Während die USA noch immer die Helms-Burton-Gesetze haben - aggressiven Gesetze, die praktisch ein Embargo bedeutet haben und die Obama nicht so einfach beseitigen kann - hat die EU die Wirtschaftsbeziehungen zu Kuba nie in irgendeiner Weise reduziert."

Nachdem im Jahr 2003 75 Oppositionelle zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, weil sie Kritik an der Regierung übten, hat die EU die offiziellen politischen Kontakte abgebrochen. In der Folge wurden gezielt Mitglieder der kubanischen Opposition zu offiziellen Terminen in die diplomatischen Vertretungen der EU-Länder in Havanna eingeladen.

Diese Maßnahmen bezeichnete Fidel Castro damals als "Sanktion" und beendete seinerseits die Zusammenarbeit mit der EU. Die Europäische Kommission hatte bis dahin jährlich bis zu 15 Millionen Euro für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit zur Verfügung gestellt. Karl Buck zitiert Fidel in diesem Zusammenhang: "Er soll gesagt haben: Tanto fastidio por tan poca plata – so viel Ärger für so wenig Geld."

Kubaner verlassen dieInsel auf eiem Floß (Foto: AP)
Mitte der 90er Jahre verließen flohen 30.000 Kubaner über das Meer in die USABild: AP

Nach dem Wechsel in der kubanischen Führungsspitze hat Raúl Castro sehr schnell wieder in seiner traditionell pragmatischen Art die Suspendierung der Kooperation aufgehoben. "Seit 2008 gibt es wieder ein Programm mit Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklung", resümmiert der Politikwissenschaftler und Kubakenner Buck.

Die Wirtschaft stagniert, der Tourismus nimmt ab

Auch Kuba hat die Weltwirtschaftskrise zu spüren bekommen. Das Ausbleiben von Devisen könnte die politische Stabilität auf der Insel direkt gefährden, so die Prognose des Soziologen Nelson Valdés. Der gebürtige Kubaner, der an der University of New Mexico lehrt, schätzt die Situation in Kuba nicht unbedingt explosiv, aber doch sehr schwierig ein.

Der Rückgang des Tourismus, eine der Hauptdevisenquellen Kubas, werde zu einem Anstieg der Lebenshaltungskosten führen. Valdés zieht Parallelen zu den Fluchtwellen der 90er Jahre, als sich hunderte Kubaner auf selbstgebauten Flößen über das Meer nach Florida abgesetzt haben. Laut Valdés könnte es kommenden Frühling eine neue Fluchtwelle geben, da die wirtschaftliche Situation ähnlich sei wie in den 90er Jahren.

Die unbegrenzte Versorgung auf der Insel ist ein Mythos, die Nahrungsmittel sind knapp und werden zu 70 % importiert. Außerdem liegt die Hälfte der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen brach. Valdés appelliert in diesem Zusammenhang an die Umsetzung der unbegrenzten Reiseerlaubnis: "Jede Art von Fluchtwellen kann dann natürlich eine Reihe von heiklen außenpolitischen Situationen hervorrufen. Obama wird sich gegen die Forderungen nach Reiseerlaubnis stellen und so kann es zur Konfrontation kommen. Ich glaube, es würde weniger kosten den Nordamerikanern zu erlauben auf die Insel zu reisen.“ Viele Kubaner sind enttäuscht von der US-amerikanischen Regierung, da sie die angekündigte unbegrenzte Reiseerlaubnis für US-Bürger nach Kuba bis jetzt nicht umgesetzt hat.

Kuba und Venezuela rücken zusammen

Raúl Castro und Hugo Chávez (Foto: AP)
Raúl Castro und Hugo Chávez verkörpern die kubanisch-venezolanische FreundschaftBild: AP

Diese Enttäuschung schweißt Kuba und Venezuela enger zusammen, so Karl Buck: "Im Moment profitiert Kuba pro Jahr zwischen 2 und 4 Milliarden Dollar von der venezolanischen Hilfe in verschiedenster Form. Sollten die Beziehungen sich durch den Abtritt von Chavéz verschlechtern, dann würde das erhebliche Auswirkungen auf die kubanische Aktionsmöglichkeit im Innern wie Außen haben und damit möglicherweise auch auf die innenpolitische Stabilität."

Venezuela ist der engste politische Verbündete und gleichzeitig auch der größte Handelspartner Kubas. Aber die Stabilität in Kuba hängt nicht nur von den Beziehungen zu Venezuela ab, sondern auch von den Reformen, die Raúl Castro letztendlich durchsetzen wird und davon inwieweit die Wirtschaft im Land dadurch angekurbelt werden kann.

Autorin: Athene Pi Permantier
Redaktion: Mirjam Gehrke