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Entwicklungsfinanzierung

Andreas Becker, zurzeit Doha1. Dezember 2008

Auf der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Doha befürchten fast alle angereisten Teilnehmer, dass die Finanzkrise die Entwicklungsländer besonders hart treffen könnte, wenn nichts unternommen wird.

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Nicolas Sarkozy hält bei der Eröffnung der Doha-Konferenz eine Rede (Quelle: dpa)
UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in DohaBild: picture-alliance/Bildfunk
Justin Lin Yifu (Quelle: dpa)
Justin Lin Yifu, Chefvolkswirt der WeltbankBild: picture-alliance/ dpa

Der Chinese Justin Lin hat es weit gebracht. Seit Juni ist er, als erster Mensch aus einem Entwicklungsland, Chefvolkswirt der Weltbank in Washington. Er klingt nüchtern und distanziert, wenn er spricht, wie viele Ökonomen. Vielleicht, weil die Zahlen, die er präsentiert, schon dramatisch genug sind: Durch die Nahrungsmittel- und Ölpreiskrisen seien seit Jahresbeginn weltweit 100 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze gefallen. "Die Entwicklungsländer stehen vor den Folgen einer Finanzkrise, die ihren Anfang in der entwickelten Welt hatte", so Lin.

Zwar sind die Entwicklungsländer nicht unmittelbar von der Finanzkrise betroffen. Hier gibt es keine Banken, die sich mit hochspekulativen Anlageprodukten verzockt haben. Trotzdem werden die Auswirkungen der Krise gewaltig sein, glaubt Lin. Denn sie trifft die Entwicklungsländer dort, wo es weh tut. Zum Beispiel beim Export ihrer Waren. Der war in den letzten Jahren stark gewachsen, jetzt geht es abwärts, sagt der Chefvolkswirt: "Für das nächste Jahr erwarten wir - zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg - dass der weltweite Handel abnehmen wird."

Rückgang der ausländischen Investitionen

Ähnlich sieht es bei den Investitionen aus dem Ausland aus. Die hatten sich in den letzten Jahren sogar verfünffacht. Auch damit ist jetzt Schluss, sagt Uwe Bott. Als Präsident von Cross Border Finance berät er Firmen und Anleger bei grenzüberschreitenden Anlagen. "Wegen ihres eigenen Risikomanagements können viele Investoren im Moment nicht in Entwicklungsländern investieren. Sie müssen jetzt ihr Kapital zurückbringen."

All das führt dazu, dass die Wirtschaft in den Entwicklungsländern im nächsten Jahr weniger wachsen wird - nicht mehr um 7,5 Prozent, wie bisher, sondern nur noch um 4,5 Prozent. Das klingt immer noch viel im Vergleich zu den reichen Ländern, deren Wirtschaft sogar schrumpft. Doch in den Entwicklungsländern sind Wachstumseinbußen folgenreich. "Jedes Prozent weniger Wachstum bedeutet, dass 20 Millionen Menschen die Chance verlieren, sich aus der Armut zu befreien", sagt Weltbank-Chefökonom Justin Lin.

Millenniumsziele rücken in weite Ferne

Ein Rückgang von drei Prozentpunkten heißt also, dass 60 Millionen Menschen weiter in Armut leben müssen. Zählt man die 100 Millionen Menschen dazu, die allein in diesem Jahr wieder unter die Armutsgrenze gerutscht sind, wird deutlich: Die Millenniumsziele, die unter anderem eine Halbierung der weltweiten Armut vorsehen, rücken in weite Ferne.

Natürlich wirken Statistiken wie die von Chefvolkswirt Lin abstrakt. Der frühere Banker und heutige Finanzberater Avinash Persaud warnt deshalb davor, vor lauter Zahlen die Menschen zu übersehen, die von jeder Krise betroffen sind. "Man kann die asiatische Wirtschaftskrise Ende der 90er Jahre in der Entwicklung der Säuglingssterblichkeit in Indonesien erkennen", sagt Persaud, der auch in einem Expertengremium der Vereinten Nationen tätig ist. "Die Kurve geht da schrecklich nach oben. Diese Krisen betreffen die Menschen direkt. Bei dieser Krise steht uns das leider noch bevor."

Konjunkturpakete für Entwicklungsländer?

Ban Ki-Moon sitzt bei der Eröffnung der Doha-Konferenz neben derm Emir von Qatar, Scheich Hamad bin Chalifa Al-Thani (Quelle: AP)
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon (l.) will Kürzungen der Entwicklungshilfe verhindernBild: AP

Um die Auswirkungen der Finanzkrise abzumildern, haben die Regierungen der reichen Länder Konjunkturpakete geschnürt. Mit Milliardeninvestitionen versuchen sie, ihre Wirtschaft - und damit ihre Bevölkerung - vor dem Schlimmsten zu bewahren. Ähnliches könnten auch die Entwicklungsländer gut gebrauchen, findet Ban-Ki Moon, der Generalsekretär der Vereinten Nationen. "Wollen wir jetzt auch noch an Entwicklungshilfe sparen, die insgesamt 100 Milliarden Dollar ausmacht, während die reichen Länder Billionen mobilisieren, um ihre Finanzprobleme in den Griff zu bekommen?"

Die so angesprochenen reichen Länder haben zwar versichert, ihre Entwicklungshilfen nicht zu kürzen. Neues Geld für Rettungspakete in Entwicklungsländern wird es aber auch nicht geben.