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Wie Tizian die Malerei Venedigs prägte

13. Februar 2019

Während des "Goldenen Zeitalters" in Venedig studierte Tizian beim angesagtesten Maler seiner Zeit - und überholte ihn bald. Eine Ausstellung im Frankfurter Städel Museum zeigt, wie er die Kunst erneuerte.

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Selbstbildnis von Tizian
Das Selbstbildnis malte Tizian 1562Bild: picture-alliance/akg-images/E. Lessing

Gerhard Richter lobte die Werke des venezianischen Superstars Tizian (um 1488-1576) wegen ihrer "schönen Wahrheit". Anfang der 1970er Jahre malte der deutsche Künstler seine "Verkündigung nach Tizian". Der Brite Lucian Freud nannte Tizians Gemälde der Kriegsgöttin Diana in einer Rede 2001 "einfach die schönsten Bilder der Welt". Immer wieder gibt es Künstler, die nicht nur das Publikum begeistern, sondern auch die Künstlerschaft selbst. Tizian ist einer von ihnen, ein Erneuerer der Malerei und ein ehrgeiziger Emporkömmling im Venedig des Cinquecento.

1516 wurde Tizian zum Ratsmaler Venedigs ernannt. Ein überraschender Karrieresprung für einen Künstler, der wahrscheinlich im Jahr 1488 in einem Dolomitendorf als Sohn eines Rechtsberaters geboren wurde. Schon als Zehnjähriger kam er als Schüler nach Venedig und landete kurz danach beim damaligen Starmaler Venedigs: Giovanni Bellini. 

Venedig putzt sich heraus 

Venedig im 16. Jahrhundert: Die Stadt ist reicher als andere Stadtstaaten im Cinquecento. Die Bürger, reiche Adlige, haben die Stadt zum größten Handelsplatz der Welt gemacht. Venedig ist ein Warenumschlagplatz, wo Deutsche, Slawen und Türken Geschäfte machen. Geld gibt es genug. Die Herrschenden geben es mit vollen Händen aus, um ihre Stadt zu verschönern. Dazu engagieren sie Maler wie Paolo Veronese oder Jacopo Tintoretto. Zu Ehren Venedigs schaffen sie viele Bilder.

Verkündigungsszene von Tizian in der Frari Kirche in Venedig (Foto: imago/Hohlfeld)
Tizians Altargemälde in der Frari-Kirche ist bis heute ein PublikumsmagnetBild: imago/Hohlfeld

Auch der junge Tizian startet durch: mit der Enthüllung seines Altargemäldes "Mariä Himmelfahrt" im Jahr 1518 in der Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari. Spektakulär ist das Werk allein schon wegen seines Formats: Die Himmelfahrt wurde aus 21 Zedernholztafeln zusammengesetzt und misst 24 Quadratmeter. In über fünf Metern Höhe schaut Maria zu Gott im Himmel auf, der ihr entgegen schwebt. 

Tizian gibt den Ton an

Tizians Altarbild in der Frari-Kirche setzt neue Maßstäbe und sorgt für Aufsehen. Sein Zeitgenosse, der Kunsttheoretiker Lodovico Dolce, stellt es auf eine Stufe mit den größten Gemälden seiner Zeit. Es verbinde "das Beste von Michelangelo und Raffael" und füge ihm außerdem noch "ein perfektes Kolorit" hinzu, schreibt er damals. Das spricht sich bis nach Rom herum. Der Vatikan lädt Tizian ein, aber der will zunächst nicht nach Rom gehen. Erst 1545 besucht er die Stadt.

Sein berühmtes Altarbild hing im 19. Jahrhundert übrigens zwischenzeitlich im Museum. Seit 1919 befindet es wieder in der Frari-Kirche in Venedig - dem Ort, für den es einst konzipiert wurde. 

Gemälde zeigt Madonna mit Kind
In den frühen Jahren strahlen leuchtende Farben in Tizians Gemälden, wie in dem Bild "Maria mit dem Jesuskind und der Heiligen Katharine" (1530)Bild: Städel Museum/bpk/RMN/Grand Palais/T. Le Mage

Die Ausstellung "Tizian und die Renaissance in Venedig" im Frankfurter Städel-Museum stellt rund 20 Werke des Meisters in den Mittelpunkt. Darüber hinaus sind Gemälde und Zeichnungen seines Lehrers Giovanni Bellini sowie anderer Zeitgenossen wie Jacopo Tintoretto oder Paolo Veronese zu sehen.

Veronese und Tintoretto sind jünger als Tizian, beide gelangen ebenfalls zu großer Berühmtheit. Sie stehen unter dem Einfluss Tizians - und befinden sich zeitlebens in einem Wettbewerb, der sie antreibt, besser als der Konkurrent zu sein. 

Ausstellung zeigt Tizians Experimentierfreude

In acht thematischen Kapiteln werden ausgewählte Aspekte präsentiert, die für die Malerei des 16. Jahrhunderts in der Lagunenstadt charakteristisch sind. Von Tizian sind Porträts, Landschaften, mythologische und religiöse Themen zu sehen. Besonders in seinen Porträts beweist er seine Wandlungsfähigkeit und Experimentierfreude. Tizian malte Halbfiguren, Gruppenporträts, Dogenporträts oder auch Kinderbildnisse. Er entwickelte Ganzfiguren und Reiterporträts, malte Humanisten, Künstler und kaiserliche Räte. Kaiser Karl V., dessen Reiterbildnis zu dem Schönsten zählt, was Tizian je schuf, erhob ihn in den Rang eines Pfalzgrafen. Auch sein Sohn, Philipp II., liebte es, sich von Tizian malen zu lassen.

Tizians Gemälde zeigt Christus, der Maria Magdalena erscheint (Foto: Städel Museum/The National Gallery London)
"Noli me tangere" - Christus erscheint Maria Magdalena - ein beliebtes Motiv im CinquecentoBild: Städel Museum/The National Gallery London

Erneuerer der Malerei

Zurück ins 16.Jahrhundert: Im Laufe der Jahre wird der Ausnahmekünstler immer freier im Farbauftrag. Manchmal trägt er die Farben so locker nebeneinander auf, dass manch ein Betrachter heute Parallelen zum Impressionismus zu entdecken meint. Die Linie als Abgrenzung der Formen löst sich mehr und mehr auf. Er widmet sich mythologischen Darstellungen genauso wie den Geschichten der Bibel. Auch in der Darstellung liegender Akte - etwa bei der "Venus von Urbino" von 1538 - übt sich Tizian und verfeinert seine Technik der Auflösung von Konturen. Bis in die Moderne dient seine Venusdarstellung als Maß aller Dinge und ist im 19. Jahrhundert dem Künstler Edouard Manet ein Vorbild für sein eigenes Gemälde der Liebesgöttin. 

Meister der Porträtmalerei 

Tizian, der es gewohnt ist, als bedeutender Mann in Venedig bei den Reichen und Mächtigen zu verkehren, verhilft dem Porträt als eigenem Genre zu großer Anerkennung. Während seine Vorgänger und Zeitgenossen viel Wert auf die Repräsentation, die realistische Wiedergabe der dargestellten Person und deren Kleidung legen, weiß Tizian diesen Drang zur Selbstinszenierung einzuschränken.

Gemälde zeigt "Dame in Blau mit Parfümbrenner" von Sebastiano del Piombo (Foto: Städel Museum/National Gallery of Art)
Auch Gemälde von Tizians Zeitgenossen sind im Städel Museum zu sehen, etwa Sebastiano del Piombos "Dame in Blau mit Parfümbrenner" Bild: Städel Museum/National Gallery of Art

Sein Prinzip lautet schon damals: Weniger ist mehr. Im Weglassen liegt die hohe Kunst der Konzentration auf das Wesentliche. Er legt den Fokus auf den Ausdruck des Menschen: den Blick der Augen, die Gestik der Hände oder die Haltung. Das Ergebnis sind zeitlose Werke, die etwas vermitteln, das über das Bild hinausweist. Der Farbe kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: Tizians Rot ist magisch, dunkel und edel - angeblich soll den Maler das gefärbte Haar der Kurtisanen Venedigs beeindruckt haben, die ihm Modell standen. Daraus entwickelte sich später der Begriff "Tizianrot". 

Spätwerk in dunklen Tönen

Die Farbpalette des Venezianers war im Laufe seiner etwa 80-jährigen Schaffenszeit von einem großen Wandel geprägt: Zinnober- und Karmesinrot, Magenta, Rosa, Bordeaux, Blau, Grün, Orange, Violett, Weiß und Gold. Die mythologischen Figuren Bacchus und Ariadne treten in rosa und blau auf. In späteren Kompositionen dominieren dunkle und dumpfe Töne. Tizian hat in Venedig einen großen Vorteil: Durch den regen Handel stehen ihm auch seltene Farbstoffe zur Verfügung, darunter beispielsweise der blaue Lapislazuli. Tizian malt bis zu seinem Tod. Er stirbt 1576 beinahe 90-jährig an der sich rasant ausbreitenden Pest in Venedig.

Die Ausstellung "Tizian und die Renaissance in Venedig" ist vom 13. Februar bis zum 26. Mai 2019 im Städel Museum in Frankfurt zu sehen. 

Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion