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Zahlen und Fakten

13. Oktober 2011

Ob Wahrsager, Hellseher oder Kartenleger - Menschen wollen seit jeher wissen, wie die Zukunft aussieht. Das wollen auch die Konjunkturforscher. Doch wie sicher sind ihre Prognosen?

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Mehrere Mappen mit einer Gemeinschaftsdiagnose der Wirschafts-Forschungsinstitute (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/ dpa

Ob Internationaler Währungsfonds, OECD, Banken oder Wirtschaftsforschungsinstitute: Sie alle treffen alljährlich mehrmals ihre Voraussagen über die konjunkturelle Entwicklung eines Landes. Natürlich gibt es bei Konjunkturprognosen Ungenauigkeiten – nach oben, wie nach unten. Denn es gibt Ereignisse, die sich nicht im Voraus berechnen lassen.

Container im Duisburger Hafen (Foto: Duisburger Hafen)
Konjunkturmotor AußenhandelBild: Duisburger Hafen

Sogenannte externe Schocks nennen das die Wissenschaftler: Naturkatastrophen gehören dazu, wie auch Terroranschläge oder auch Wirtschaftskrisen in anderen Ländern. Die Zukunft, so der Chef des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels, Anton Börner im Gespräch mit DW-WORLD.DE, lasse sich eben schwer voraussagen.

Die Unternehmen des Außenhandelsverbandes bekommen es als erste zu spüren, wenn sich die weltweite Wirtschaftslage abkühlt, dann leeren sich auch ihre Auftragsbücher: "Wir sind ja alle abhängig von Informationen, wir sind auch abhängig von Emotionen", so Verbandschef Börner. "Das weltwirtschaftliche Ergebnis ist immer die Summe aus vielen einzelnen Entscheidungen. Da ist es schon bereichernd, wenn man viele Prognosen hört."

Irrtümer nicht ausgeschlossen

Das Jahr 2001 ist ein Beispiel für Prognose-Irrtümer. Zu Beginn des Jahres hielten die Wissenschaftler noch ein Wachstum in Deutschland von bis zu drei Prozent für möglich. Danach ging es bergab. Letztlich legte die Wirtschaft um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu. Die Gründe: Die ökonomische Lage verschlechterte sich weltweit durch den Ölpreisschock, die US-Konjunkturschwäche und die Terroranschläge vom 11. September in New York.

Rolf Kroker, Leiter Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik des IW (Foto: IW)
Dr. Rolf Kroker, IWBild: Rolf Kroker

Konjunkturforscher sind eben keine Hellseher. Wüssten sie, wie sich Menschen in Zukunft verhalten - dann zählten sie zu den Propheten! Sind sie denn klüger als andere? Auch das treffe nicht ganz zu, sagt Rolf Kroker, vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln zu DW-WORLD.DE. Auf jeden Fall sollten sie auf ihrem speziellen Fachgebiet spezielle Kenntnisse haben: "Ein Konjunkturforscher muss beispielsweise wissen, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung in den USA, Europa oder China auf die deutsche Konjunktur auswirkt." Er müsse die Handelsverflechtungen kennen und vieles, vieles mehr: "So gesehen sollte er natürlich auf seinem Spezialgebiet ein bisschen mehr Wissen haben - und klüger sein als andere."

Prognosen haben Schwierigkeitsgrade

Eine gute oder schlechte Konjunkturaussicht lässt sich nicht mit hundertprozentiger Gewissheit vorhersagen. Es sind Tendenzen, um die es geht. Es handelt sich um ein Bündel von Informationen, das zu einem bestimmten Zeitpunkt analysiert und berechnet wird.

Dabei gelten auch für Prognosen einige Schwierigkeitsgrade, wie Rolf Kroker vom IW erläutert: "Unter Konjunkturprognostikern sagt man ja "the trend is your friend". Das heißt, wenn wir eine gute konjunkturelle Entwicklung haben, dann ist es leicht zu prognostizieren, ob das jetzt ein Plus von drei Prozent oder 3,2 Prozent wird - das ist dann weniger relevant." Das Schwierige sei aber, die konjunkturellen Wendepunkte zu treffen: "Das heißt, richtig zu prognostizieren, wann es kippt - in die eine oder andere Richtung."

Die "alten Hasen" unter den Prognostikern, so Kroker weiter, seien da schon im Vorteil. Denn sie hätten aus Erfahrung ein Gespür dafür, wie sich die wirtschaftliche Lage weiter entwickelt.

Veränderungen müssen mit einfließen

Auch historisches Wissen fließt in jede Berechnung mit ein, so Michael Schröder vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim im Gespräch mit DW-WORLD.DE. Die Erfahrungen, die Zusammenhänge der letzten 20, 30 vielleicht auch 50 Jahre seien die zentrale Basis, um eine Prognose zu erstellen.

Professor Dr. Michael Schröder vom ZEW
Professor Michael Schröder, ZEWBild: ZEW

Allerdings müssten in jede Prognose auch institutionelle und strukturelle Veränderungen mit einfließen, sagt ZEW-Experte Michael Schröder. Denn Prognosen, die komplett falsch lägen, könnten Politik und Wirtschaft zu einem komplett falschen Handeln veranlassen: "Wenn wirklich Prognosen über einen längeren Zeitraum entweder einen Aufschwung anzeigen, der nicht eintritt oder ein Abschwung, der nicht eintritt, dann könnte es auch zu einer Art, zumindest teilweise, sich selbsterfüllenden Prophezeiung kommen. Das ist zumindest denkbar."

So schlecht aber seien Prognosen in der Regel nicht, sagt Schröder. Ja, die Konjunkturforscher lägen zwar auch schon einmal "daneben". Aber überwiegend seien ihre Leistungen als gut zu bewerten.

Autorin: Monika Lohmüller
Redaktion: Henrik Böhme