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Türkei: Polizei sprengt Hochzeitsparty

20. Juli 2013

Es war ruhiger geworden in der Türkei. Doch niemand soll glauben, dass der Widerstand gegen die Regierung eingeschlafen sei. Prompt ging die Polizei wieder gewaltsam vor, auch gegen ein Brautpaar unter den Demonstranten.

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Das Paar im Gezi-Park (Foto: AFP/Getty)
Bild: Ozan Kose/AFP/Getty Images

In Istanbul setzte die Polizei Wasserwerfer und Schlagstöcke ein, um rund 1000 Menschen auseinanderzutreiben, die nahe dem Gezi-Park eine Hochzeit zweier Demonstranten feiern wollten. Das Paar hatte sich bei den Demonstrationen kennengelernt - dies wurde von der türkischen Presse als "die Liebesgeschichte des Aufstands" gefeiert. Bei dem Paar handelt es sich um eine 32-jährige Krankenschwester und einen 34-jährigen Elektriker. Die Menschen riefen "Lang lebe der Widerstand, lang lebe die Liebe", bevor sie von der Polizei aus den Straßen rund um den Gezi-Park vertrieben wurden.

Zuflucht im Hotel

Die Braut hatte neben einem weißen Hochzeitskleid auch einen weißen Helm und eine mit Blumen geschmückte Gasmaske getragen. Der Helm des Bräutigams war rot. Das Paar konnte sich schließlich - sichtlich geschockt - in ein Hotel retten.

Der Streit um ein Stadtentwicklungsprojekt auf dem Gelände des Gezi-Parks war Auslöser wochenlanger Proteste in der Millionenmetropole. Auf dem angrenzenden Taksim-Platz demonstrierten Zehntausende Menschen gegen die türkische Regierung um Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Vor zehn Tagen war der Gezi-Park wieder geöffnet worden, Demonstrationen dort sind aber weiterhin verboten.

Türkei: die Generation Gezi

Bei den wochenlangen Protesten war die Polizei mit aller Härte eingeschritten. Vier Demonstranten und ein Polizist wurden getötet, rund 8000 Menschen wurden verletzt. Nach Schätzungen der Polizei hatten sich 2,5 Millionen Menschen in 80 türkischen Städten an den Demonstrationen beteiligt.

An den neuerlichen Protesten gegen die islamisch-konservative Regierung von Erdogan beteiligten sich mehrere Hundert Menschen. Das Wasser der Wasserwerfer war zeitweise mit einer Chemikalie versetzt, die ähnlich wie Tränengas wirkt, wie Agenturen berichten. Demonstranten klagten über Beschwerden an den Augen und in den Atemwegen. Offenbar können Wasserwerferpiloten die unbekannte Substanz dem Wasser auf Knopfdruck hinzumischen. Das Wasser färbt sich dann orange, Wasser und Sprühnebel rufen teils schwere Reizungen hervor.

Polizisten verfolgten Demonstranten in die Seitengassen der Einkaufsstraße Istiklal Caddesi, die zum Taksim-Platz führt. Über den Kurznachrichtendienst Twitter wurde von neuerlichen Festnahmen berichtet. In der Fußgängerzone waren zum Zeitpunkt des Wasserwerfereinsatzes auch zahlreiche Passanten und ausländische Touristen unterwegs.

Mit Wasserwerfer gegen Demonstranten (Foto: AFP)
Wieder Wasserwerfer in IstanbulBild: Reuters

Schlechte Umfragewerte

Das harte Vorgehen gegen Demonstranten hat die türkische Regierung nach einer Umfrage Sympathiepunkte bei den Wählern gekostet. Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) käme im Falle einer Parlamentswahl nur noch auf 44,1 Prozent, zitierte die Zeitung "Hürriyet Daily News" aus einer Umfrage des Meinungsinstituts Sonar. Im Februar 2012 seien es noch 53,2 Prozent und im vergangenen November 47,3 Prozent gewesen.

ml/sti (dpa, afp)