1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Professor Karapandža: Plagiatsjäger und Hobbit

24. Juli 2019

Bei seinen Studenten an der European Business School ist der Finanzprofessor Raša Karapandža sehr beliebt. In seiner alten Heimat Serbien wird er angefeindet, weil er sich mit den Mächtigen angelegt hat.

https://p.dw.com/p/3McLy
Professor Rasa Karapandza
Bild: DW/N. Rujević

"Karapandža" klingt zunächst bedrohlich. Zur Zeit der osmanischen Herrschaft auf dem Balkan war das ein türkischer Spitzname, er bedeutet "schwarze Klaue". Ein Kontrast zur zierlichen Figur und ruhigen Stimme des 41-jährigen Professors Raša Karapandža. "Ich bin eher wie ein Hobbit", scherzt er während des Gesprächs mit der DW in seinem Büro in der Wiesbadener European Business School (EBS). 

Karapandža hat ein Faible für Fantasy. Er verspricht seinen Gästen, ihnen später ein Kabinett auf dem Campus der Universität zu zeigen, das aussehe wie aus der Hogwarts-Schule für Zauberei, die Harry Potter besuchte.

Obwohl er viel witzelt, lacht Karapandža selten. Ein Professor durch und durch, nur ohne Krawatte. Das sei veraltet, ein Hemd reiche heute. Aber er glaubt fest daran, dass Moral für einen Lehrenden nie aus der Mode kommen sollte. 

Warum sonst würde sich ein angesehener Finanzprofessor, der an der ältesten privaten Universität Deutschlands lehrt, mittlerweile  Gastprofessor der New York University ist und weltweit hofiert wird, mit Plagiaten in Serbien beschäftigen? Wozu sollte er sich mit den Mächtigen in der alten Heimat anlegen, wo die Politik immer noch Medien, Justiz und anscheinend auch Universitäten kontrolliert? 

"Dasselbe können Sie dann auch Professoren fragen, die das Plagiat des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg entlarvt haben", sagt Karapandža. "Das ist mein Job."

Wächst Baumwolle in Serbien?

Vor fünf Jahren dokumentierte Karapandža auf dem serbischen Meinungsportal "Peščanik", wie der damalige Belgrader Bürgermeister Siniša Mali seine Doktorarbeit über die Privatisierung in Transformationsländern großzügig aus anderen Werken zusammengebastelt habe, ohne Quellen zu nennen.  

Mali bediente sich aus Dokumenten der Privatisierungsagentur, die er früher geleitet hatte, aber auch aus wissenschaftlichen Texten anderer Autoren. So hörte die Öffentlichkeit in Serbien von einem gewissen Dr. Stifanos Hailemariam aus Eritrea. "Seine Arbeit hat Mali einfach übernommen, und das in einer schlechten Übersetzung, mit allen Grafiken", sagt Karapandža und zeigt den Text auf seinem Laptop. Der serbische Politiker sei sogar zu faul gewesen, um die Beispiele über die Produktion von Baumwolle ein wenig zu überarbeiten: "Baumwolle, die für Eritrea ganz wichtig ist, wird natürlich in Serbien nicht erzeugt. Er hätte wenigstens stattdessen Himbeeren nennen sollen", sagt Karapandža.

Doch Siniša Mali ist nicht irgendwer. Der reiche Finanzpolitiker hat sehr gute Beziehungen zum starken Mann Serbiens, Aleksandar Vučić, der das Balkanland seit sieben Jahren mit eiserner Hand regiert. Viele Skandale, über die die wenigen regierungskritischen Medien Serbiens berichteten - unter anderem war die Rede von schmutzigen Geschäften, dubiosen Vermögen und sogar häuslicher Gewalt gegen seine ehemalige Frau - prallten an Mali ab.

Er ist bei weitem nicht der einzige Politiker in Serbien, dem ein Plagiat vorgeworfen wird. Eine Gruppe junger serbischer Wissenschaftler, die in Großbritannien lehren, stellte die Doktorarbeiten des Innenministers, des Bürgermeisters eines Belgrader Bezirks sowie der Gouverneurin der Zentralbank in Frage.  

Jüngst wurde bekannt, dass der Innenminister Nebojša Stefanović - ebenfalls einer der engsten Vertrauten des serbischen Präsidenten - nicht einmal seine Diplom ordnungsgemäß erworben hat. Er "studierte" am Londoner Standort der privaten serbischen Universität "Megatrend". Diese angebliche Hochschule in der englischen Metropole hat sich durch eine DW-Recherche noch vor fünf Jahren als Briefkastenfirma entpuppt. Die Opposition und Kritiker, diese "Elitisten", würden sich nicht um Wissen scheren, sondern nur um akademische Titel, antwortete Vučić in einem eigenen Artikel für die Regierungszeitung "Politika". "Die Form soll das Wichtigste sein, deswegen sind sie die Elite und wir, der Rest, zahnloses Pack", schrieb der Präsident ironisch und nahm seine Minister im Schutz. Somit ist für ihn die Sache vom Tisch.   

Siniša Mali nannte Karapandža "Twitter-Professor"
Siniša Mali nannte Karapandža "Twitter-Professor"Bild: Getty Images/P. Dench

"Aufmerksamkeitsgeiler Anonymus"

Im Unterschied zu anderen Spitzenpolitikern der Fortschrittspartei hat Finanzminister Mali allerdings nicht an einer fragwürdigen privaten Hochschule promoviert, sondern an der traditionsreichen Belgrader Universität. Eine von der Uni beauftragte Kommission kam zu dem Schluss, Mali habe zwar rund 14 Prozent seiner Doktorarbeit übernommen - doch das sei noch vertretbar.

Karapandža zweifelt an der Unabhängigkeit der Kommission. Ihre Mitglieder seien keine Finanzexperten und einer von ihnen spreche nicht einmal Englisch. Wie sollte er dann die Arbeit des serbischen Politikers mit jener aus Eritrea vergleichen? "Der ehemalige Minister zu Guttenberg hat wegen acht Paragrafen seinen Doktortitel verloren. Im Fall von Siniša Mali reden wir über Dutzende von Seiten", gibt Professor Karapandža zu bedenken. Deutsche Politiker seien allerdings auch keine Engel, die nach so einer Affäre einfach klaglos zurücktreten würden. Karapandža erinnert sich noch an den Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sie habe Guttenberg schließlich als Minister bestellt "und nicht als wissenschaftlichen Assistenten". Es war aber der Druck von Medien und Akademikern, der ihn später aus dem Amt jagte. 

In Serbien hingegen schweigen die meisten. Seit fünf Jahren wird Raša Karapandža in regierungstreuen Medien als "aufmerksamkeitsgeiler Anonymus" diffamiert, Mali hat ihn jüngst als "Twitter-Professor" bezeichnet. Das Boulevardblatt "Alo" schrieb sogar dem Präsidenten der European Business School und forderte ihn auf, Karapandža zu feuern. In Wiesbaden wurden die Vorwürfe ernstgenommen, eine unabhängige Kommission entlastete Karapandža. 

Die Studenten haben ihn zehnmal in Folge zum Professor des Jahres gewählt. Wie erklärt er sich seine Beliebtheit? "Ich bin fürchterlich gut organisiert. Und die Emails sind wichtig! Meine Antwortzeit bei Fragen von Studenten beträgt im Schnitt sechs Minuten."  

Der Fall Mali beschäftigt ihn immer noch, jetzt hat die Belgrader Universität zusätzliche Erklärungen von der zuständigen Fakultät angefordert. Karapandža wäre gerne in einer Kommission dabei, doch der entsprechende Anruf bleibt aus. 

Er denke nie darüber nach, nach Serbien zurückzukehren - der Spießrutenlauf durch die dortigen Boulevardblätter hat ihn in dieser Entscheidung bekräftigt. "Außerdem mag ich Wiesbaden. Wir sind hier gut integriert", sagt er auch im Namen seiner Frau und seines Sohnes. 

Am Ende führt Karapandža seine Gäste tatsächlich in einen Raum, der ein wenig an Hogwarts erinnert. Massivholz, tiefe Sessel, schwere royalrote Vorhänge. An den Wänden hängen Porträts der ehemaligen Rektoren und Dekane der Universität. "Mein Bild ist nicht dabei. Noch nicht", sagt er und muss endlich selber lachen.