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Wikileaks-Gründer Assange vor Auslieferung

2. November 2011

Wikileaks-Mitbegründer Assange hat seinen Berufungsprozess gegen eine Auslieferung an Schweden verloren. Die Zukunft der Enthüllungsplattform scheint trotz des Verfahrens gegen ihn nicht in Gefahr.

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Wikileaks-Gründer Julian Assange nach dem Urteilsspruch (Foto: AP)
Bild: dapd

Die Richter des Londoner High Court wiesen am Mittwoch (02.11.2011) den Einspruch des Australiers Julian Assange gegen seine Auslieferung nach Schweden zurück. Der Gründer der Enthüllungsplattform war im Dezember auf Betreiben schwedischer Ermittler in Großbritannien verhaftet worden. Ihm wird vorgeworfen, zwei Frauen während eines Aufenthalts in Stockholm zum Sex gezwungen zu haben. Assange bestreitet dies und spricht von "einvernehmlichem" Geschlechtsverkehr und politisch motivierten Anschuldigungen.

"Wir werden in den kommenden Tagen über das weitere Vorgehen nachdenken", so der einzige Kommentar des 40-Jährigen nach dem Urteilsspruch. Seine Anwälte haben nun zwei Wochen Zeit, beim höchsten Gericht Großbritanniens, dem Supreme Court, Einspruch gegen die geplante Auslieferung einzulegen. Ob einer solchen Beschwerde stattgegeben würde, ist allerdings fraglich. Schließlich muss ein "besonderes öffentliches Interesse" vorliegen, damit sich der Oberste Gerichtshof überhaupt mit einem Fall befasst. Assange muss derzeit eine elektronische Fußfessel tragen und lebt auf dem Landsitz eines Freundes in England.

Folgenschwere Datenpanne

Der Name der 2006 gegründeten Enthüllungsplattform leitet sich aus "Wiki" für Wikipedia, der frei zugänglichen Online-Enzyklopädie, und "Leaks", englisch für "Leck", ab. Die Idee: Wikileaks macht geheime Informationen für jeden im Internet zugänglich. Sogenannte "Whistleblower", Informanten, die unerkannt bleiben wollen, schicken Assange seither brisante Original-Dokumente zu. Die Mitarbeiter der Internetplattform schreiben selbst nichts dazu, sondern stellen sie einfach online, um unethisches Verhalten von Regierungen oder Unternehmen aufzudecken.

Die Internetseite von Wikileaks, auf der vertrauliche Depeschen des US-Außenministeriums zu lesen sind (Foto: dpa)
Brisante Dokumente: im September veröffentlichte Wikileaks rund 250.000 US-Botschafts-DepeschenBild: picture alliance/dpa

In Verruf geriet die Plattform durch eine Datenpanne im vergangenen September. Wikileaks waren rund 250.000 US-Botschaftsdepeschen zugespielt worden. Die Hacker planten, wie gewohnt die Namen von Informanten zu schwärzen und die Dokumente auf die Internetseite zu stellen. Doch dann gelangte das Passwort für den Zugang zu den Originaldokumenten in Umlauf. Assange hatte es dem Guardian-Reporter David Leigh verraten, der zu dieser Zeit an einer Biographie des berühmten Programmierers schrieb. Diese wurde unautorisiert veröffentlicht – inklusive Passwort. Leigh beteuert allerdings, er sei davon ausgegangen, das Passwort werde regelmäßig geändert. Wikileaks sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, schlampig mit Daten umzugehen und das Leben der Informanten zu gefährden.

Neugründung im November

Der Betreiber der Seite 'netzpolitik.org' Markus Beckedahl (Foto: Markus Beckedah)
Kenner der Enthüllungs-Plattform: der bekannte deutsche Blogger Markus BeckedahlBild: beckedahl.org

Seit der Festnahme Assanges im Dezember 2010 hat die Plattform Geldsorgen. Die Kreditkartenunternehmen Visa, Paypal und Mastercard weigern sich, Spenden für Wikileaks zu bearbeiten. "Wir haben 95 Prozent unserer Einnahmen eingebüßt", kritisierte der Wikileaks-Chef. Ende Oktober hatte er deswegen angekündigt, die Veröffentlichung geheimer Dokumente vorübergehend einzustellen. Man werde sich vorerst auf das Sammeln von Spenden konzentrieren. "Wikileaks ist durch das Verfahren gelähmt", erklärt der deutsche Blogger Markus Beckedahl, der die bekannte Plattform "Netzpolitik" betreibt, im Interview mit DW-WORLD.DE.

Geschadet hat Wikileaks nach Beckedahls Einschätzung auch der öffentlich ausgetragene Streit zwischen Assange und seinem früheren Sprecher, Daniel Domscheidt-Berg, der inzwischen ein eigenes Portal betreibt. Dieser habe bei seinem Weggang wahrscheinlich einen zentralen Server mitgenommen. "Seitdem gibt es auf der Webseite keine Möglichkeit mehr, auf anonymem Wege Dokumente hochzuladen", erläutert Markus Beckedahl. Dass damit das Ende der Enthüllungsplattform gekommen sei, glaubt er allerdings nicht: "Wikileaks ist nicht tot." Gerade erst wurde eine Spendenaktion gestartet, bereits Ende November will man mit einer neuen Plattform an den Start gehen. Auch die Auslieferung Assanges nach Schweden und eine Haftstrafe würde die Seite inzwischen überstehen. "Die Marke Wikileaks ist mittlerweile so stark geworden, dass sie auch weiter von vielen Informanten genutzt werden wird", erklärt Beckedahl gegenüber DW-WORLD.DE.

Autorin: Friederike Schulz (afp, rtr)
Redaktion: Miriam Klaussner