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Mehr Wilderei seit Corona

Claire Wordley
29. Juni 2020

Der Corona-Lockdown hat es Wilderern leicht gemacht. Viele Länder in Europa verzeichnen einen Anstieg von Wildtierdelikten. Raubvögel und der ohnehin stark bedrohte Stör sind besonders gefährdet.

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Ermittler von Wildtierkriminalität Falco mit vergiftetem Raubvogel
Bild: Gábor Deák

Falco und Carlo sind ganz aufgeregt, wenn ihre Suche erfolgreich ist und sie einen verrotteten Adlerkadaver, ein Stück vergiftetes Fleisch oder mit Gift versehene Eier finden. Die beiden Spürhunde helfen bei der Aufdeckung von illegaler Jagd von Wildtieren. Ihre Funde übergeben sie ungarischen Naturschützern. In letzter Zeit waren die beiden Hunde besonders beschäftigt. 

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Der Lockdown aufgrund der Corona-Epidemie hat sich auf die Tierwelt ausgewirkt. Wildtiere wie Hirsche und Luchse ziehen dorthin, wo sie sich sonst nicht hin wagen - in die Städte. Gleichzeitig hat auch die Jagd auf Tiere zugenommen. Das illegale Töten, Fangen und Vergiften von Wildtieren hat während der Corona-Krise zugenommen. Denn durch den Lockdown gibt es weniger Zeugen für diese Verbrechen. 

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Bei Wildtierkriminalität denken viele Menschen vor allem an illegal gehandelte Schuppentiere in China oder an getötete Nashörner in Afrika. Doch Wilderei gibt es auch in Europa.

Gefährdete Raubvögel 

In der Europäischen Union sind alle Raubvögel geschützt. Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen ist es illegal, diese Vögel zu töten oder ihre Nester zu zerstören. Trotzdem bleibt der Mensch für die Vögel eine Gefahr. 

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"Laut Studien sollte es in England etwa 300 Kornweihenpaare geben, tatsächlich sind es aber nur etwa 10 bis 15 Paare. Grund dafür ist das illegale Jagen", sagt Mark Thomas von der britischen Royal Society for the Protection of Birds der DW.  

Östlicher Kaiseradler, Ungarn
Ein junger Östlicher Kaiseradler fliegt am Himmel über Südost-UngarnBild: Márton Árvay
Der vergiftete Körper eines Rotmilans in Klatovy, Tschechische Republik
Während des Lockdowns im April wurde ein vergifteter Rotmilan in Klatovy, in der Tschechischen Republik, gefunden.Bild: Klára Hlubocká

Raubvögel werden aufgrund ihrer vermeintlichen Bedrohung für andere Tiere wie Fasane, Raufußhühner und Hasen oder Nutz- und Haustiere verfolgt. Außerdem stehen ihre Gelege bei Eiersammlern hoch im Kurs.

Mark Thomas sagt, dass die Berichte über Wildtierdelikte seit dem Lockdown stark angestiegen sind. Sein Team war so beschäftigt wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr.  

Hunde zum Schutz von Adlern  

Die illegale Jagd auf Raubvögel hat auch in Ungarn und der Slowakei zugenommen. Birdlife Hungary meldet, 77 Tiere, darunter Seeadler und Kaiseradler, die zwischen Januar und April dieses Jahres vergiftet aufgefunden wurden. Damit wurden mehr als doppelt so viele Tiere getötet wie durchschnittlich in den letzen vier Jahren.

"Es ist schwer zu sagen, warum es einen Anstieg gibt. Es könnte jedoch sein, dass Menschen denken, die Polizei sei im Moment zu beschäftigt, um sich mit solchen Delikten zu befassen", sagt Márton Árvay von Birdlife Hungary der DW.  

Spürhunde für Wildtierkriminalität in Ungarn
Hunde-Fahnder Falco und Carlo im März in Ungarn mit Beweisen für illegalen Wildtierhandel Bild: Gábor Deák
Rotmilan-Küken
Forschungszwecken markierte Vögel sind während des Lockdowns verschwunden, auch dieser Rotmilan in Großbritannien. Er wurde vergangenes Jahr als Jungtier abgebildet.Bild: RSPB

Vogelschutzorganisationen auf dem europäischen Festland setzen zunehmend Hunde zur Bekämpfung von Wildtierkriminalität ein. Die Hunde erschnüffeln Kadaver und verbotene Gifte wie Carbofuran. 

Nach Angaben von Raptor Protection of Slovakia seien Schüsse auf Vögel und Vergiftungen seit dem Einsatz von Spürhunden stark zurückgegangen. Dennoch hat die Organisation einen Anstieg der Raubvogelabschüsse während des Lockdowns gemeldet.  

Zusammenarbeit mit Jägern 

Im Vereinigten Königreich könnte diese Reihe von Verbrechen eine langersehnte Diskussion über das Töten von Raubvögeln auslösen. 

Viele Naturschützer auf der Insel wünschen sich höhere Geld-und Gefängnisstrafen für das Jagen von Raubvögeln. Manche fordern zudem eine Genehmigungspflicht für Jagdreviere, in denen speziell gezüchtetes Wild gejagt wird. 

Britische Jagdorganisationen fühlen sich zu Unrecht zum Sündenbock gemacht. Die Moorland Association sagte der DW, dass sie die Jagd auf Raubvögel nicht tolerieren. In Ungarn, so Márton Árvay, hatte die Verfolgung von Raubvögeln eigentlich abgenommen - bis zu diesem Jahr. Er führt den Rückgang auf die Projekte Helicon und Pannon Eagle der EU zurück, die aktiv mit Jägern zusammenarbeiten, um das Bewusstsein für diese Vögel zu schärfen. Außerdem erforschen sie, wie Raubvögel besser geschützt werden können.

Röntgenbild eines Bussards, erschossen über Manchester in Großbritannien
Auf einem Röntgenbild erkennt man den Schuss, der einen Bussard über Manchester, Großbritannien, getötet hat.Bild: Veterinary surgery in Diggle

"Wir haben eng mit Jagdverbänden zusammengearbeitet, um den Lebensraum für Wildarten zu vergrößern. Damit wollten wir sicherzustellen, dass es reichlich Wild gibt und die Konflikte verringert werden.", so Árvay zur DW. "Die meisten Jäger haben inzwischen ein besseres Bewusstsein für Raubvögel."

Árvay und sein Team hoffen, dass die Zusammenarbeit mit den Jägern nach dem Lockdown weitergeht.

Illegaler Kaviar 

Es sind nicht nur Vögel, die in den letzten Monaten in die Schusslinie geraten sind. In Rumänien, Bulgarien und in der Ukraine wurde ein Anstieg des illegalen Fischfangs verzeichnet.  

Störe gibt es seit Dinosaurierzeiten. Heute gehören sie zu den am stärksten gefährdeten Tieren. Früher wurde Störkaviar aus der Donau in ganz Europa legal verkauft, doch  der Bau von Staudämmen sowie Überfischung führten dazu, dass die Population auf nur ein Prozent des einstigen Bestandes zurückgegeangen ist.

Donau-Stör
Störe gibt es schon seit Millionen Jahren, doch die Überlebenden aus prähistorischen Zeiten sind jetzt vom Aussterben bedrohtBild: naturepl.com/Frei/ARCO/WWF

Mittlerweile sind alle Störarten geschützt. Jutta Jahrl, WWF-Projektleiterin für das EU-Life-Projekt für den Stör in der Donau, sagt, dass der Fisch während der Corona-Zeit besonders gewildert wurde.

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"Leider verlieren aufgrund von Covid-19 viele Menschen in der Region ihre Arbeit und haben sich deshalb aus Verzweiflung dem Störfang zugewendet", sagte Jahrl der DW. "Störkaviar ist ein Luxusgut und hat demnach einen hohen Preis." 

Mit diesem Geschäft ließ sich während der Corona-Krise gutes Geld verdienen, denn Kunden kauften fleißig Kaviar auf dem Schwarzmarkt. Doch Jahrls Team gibt nicht auf und arbeitet weiterhin hart daran, bedrohte Arten wie den Stör nicht aussterben zu lassen.