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Politik

Netzpolitik.org: "Wir hätten es nicht veröffentlicht"

Maximiliane Koschyk
11. Januar 2017

Die US-amerikanische Webseite Buzzfeed hat ein fragwürdiges Dossier zu Trumps Russland-Beziehungen veröffentlicht und wird dafür kritisiert. Zurecht? Ja und nein, sagt Markus Beckedahl im Interview mit der DW.

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Deutschland Markus Beckedahl bei der Digitalkonferenz re:publica
Bild: picture-alliance/dpa/S. Kembowski

DW: Die Leser sollten sich selbst ein Bild machen, argumentiert das US-amerikanische Medienportal Buzzfeed. Sie hat ein umstrittenes und nicht verifiziertes Dossierüber die Einflussnahme Russlands auf den designierten US-Präsidenten Donald Trump veröffentlicht. Herr Beckedahl, reicht das Ihrer Meinung nach als Legitimation aus, fragwürdige Informationen ohne gesicherte Quellen zu veröffentlichen?

Markus Beckedahl: Diese Veröffentlichung stellt einen weiteren Höhepunkt eines Wahlkampfes dar, der mit Lügen und Falschinformationen geführt wurde. Donald Trump, der Lügengeschichten als Erfolgsrezept gesehen hat, ist jetzt selbst davon betroffen. Letztendlich ist es eine redaktionelle Entscheidung, die Buzzfeed getroffen hat. Ich kann nur aus meiner persönlichen Sicht sagen, wir hätten bei Netzpolitik.org dieses Dossier in dieser Form höchstwahrscheinlich nicht veröffentlicht, weil die Quelle aus unserer Sicht leicht dubios ist und es nicht ausreichend Belege für eine Richtigkeit gibt. Nichtsdestotrotz gibt es aber auch Gründe dafür, so etwas zu veröffentlichen.

Warum übergehen Journalisten in so einem Fall den Schritt des Überprüfens und Einordnens von Informationen?

Ökonomischer Druck führt sicherlich dazu, dass man weniger Zeit für Recherche hat. In diesem Fall geht es auch um Geheimdienstinformationen, die äußerst schwer zu verifizieren sind. Bei Geheimdienstinformationen gibt es immer verschiedene Seiten und auch immer die Frage, wie vertrauenswürdig sind Informationen? Buzzfeed selbst argumentiert, man habe dieses Dossier veröffentlicht, weil es bereits Teil der politischen Debatte sei. Es sei die Basis für viele Gerüchte, aber auch politische Debatten, die es im Moment um den Einfluss von Russland auf Trump, den kommenden Präsidenten, gäbe. Dass das eine Veröffentlichung legitimieren würde, ist zumindest eine nachvollziehbare Argumentation.

Aber braucht es nicht gerade jetzt, da eben auch viel über Fake News und Informationskriege gesprochen wird, eine deutlichere Einordnung und Prüfung von Informationen durch Journalisten und nicht das Veröffentlichen von unverifizierten Quellen?

Ja, das wär natürlich schön, aber da müssen sich viele Medien an die eigene Nase fassen. Wir können das ganz schön auch in Deutschland beobachten: Viele Medien berichten gerade, dass ihnen Geheimdienste erzählt hätten, die Russen würden hinter ganz vielen Desinformationskampagnen stehen. Das ist sicherlich möglich, aber eben auch unbewiesene Geheimdienstinformation. Insofern ist diese Veröffentlichung fast schon vergleichbar mit den Geschichten, die wir hier gerade zu einem ähnlichen Thema die ganze Zeit hören.

USA Donald Trump in Manchester
"Hexenjagd", "Fake News", "Leben wir in Nazi-Deutschland?" - das twittert Trump über die VorwürfeBild: Reuters/C. Allegri

Netzpolitik.org war in Deutschland ein Vorreiter in der Veröffentlichung von sogenannten Leaks, mittlerweile profilieren sich aber auch vermehrt renommierte Medienhäuser mit Geschichten, die sie als Leaks publizieren. Ist das nicht eigentlich grundsätzliches journalistisches Handwerk, das gerade hochstilisiert wird?

Ganz grundsätzliches Handwerk ist es, eine Geschichte zu haben, sie gut zu verifizieren, sie zu beschreiben und mit Kontext zu versehen. Die neuen Möglichkeiten, die das Internet gebracht hat und die wir bei Netzpolitik.org auch einsetzen, sind die, dass man Quelleninformationen - sofern personenbezogene Daten und so weiter nicht enthalten sind - als zusätzliche Originalquelle den Lesern zur Verfügung stellen kann. Um Vertrauen zu schaffen, um auch die eigene Arbeit als Journalist hinterfragen zu können, dadurch, dass Leser zu eigenen Bewertungen und einer kritischen Herangehensweise kommen können. Leaks generell sind aber gleichzeitig auch das exklusive Präsentieren von Nachrichten geworden und haben damit auch einen ökonomischen Wert in unserer Echtzeit-Mediengesellschaft bekommen. Das wird dementsprechend auch gerne genutzt, um die eigene Marke zu steigern.

Zeigt das aktuelle Beispiel von Buzzfeed, dass Medienhäuser unter Druck stehen, solche Leaks zu produzieren, es aber vielleicht oftmals nicht richtig können, weil das entsprechende Material es nicht hergibt?

Den Druck, der Schnellste und der Beste zu sein, den gibt es generell im Journalismus. Ich finde diesen Druck nicht gut, aber er ist natürlich komplett nachvollziehbar, weil sich die Medienwelt einfach geändert hat und alles immer schneller geworden ist. Ich hoffe, wir kriegen da auch mal die Gegentrends zu sehen. Ich glaube, wir können Leaks in diesem Fall gar nicht von sonstigen Exklusivgeschichten oder Klatschgeschichten unterscheiden, sondern es ist einfach der ökonomische Druck und die Frage, wie kann man sich selbst als Medium in sozialen Netzwerken, die auf Schnelligkeit und Echtzeit angelegt sind, positionieren.

Das Interview führte Maximiliane Koschyk.

Markus Beckedahl ist Gründer und Chefredakteur von netzpolitik.org. Die Plattform setzt sich seit 2004 für digitale Freiheitsrechte ein.