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"Wir können nicht alle überschüssigen Chinesen aufnehmen."

Interview: Guido Baumhauer15. Juni 2002

Wer als Chinese in Deutschland studieren will, muss an der Akademischen Prüfstelle in Peking vorbei. Das ist ein Blick in die Vergangenheit der Bewerber. Arvid Enders von der Deutschen Botschaft im Gespräch mit DW-WORLD.

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Keine Schuldgefühle: Arvid Enders

DW-WORLD: Wenn ein chinesischer Studienbewerber zu Ihnen kommt, was genau prüfen Sie da? Wie sieht dieses Prüfverfahren aus?

Arvid Enders:

Wir machen keine Aufnahmeprüfung. Wir überprüfen im Prinzip die Vergangenheit. Wir stellen fest: Kann es diese Dokumente überhaupt geben, gibt es diese Hochschule, gibt es diesen Studiengang an dieser Hochschule und letztendlich auch hat dieser Mensch diesen Studiengang an der Hochschule absolviert? Wenn diese Dokumente überprüft sind, laden wir ein zum Interview. In diesem Interview wird wiederum nur rückblickend geprüft, ob der mit seinen Unterlagen dokumentierte akademische Werdegang plausibel ist. Und wenn jemand angibt, vier Semester Physik studiert zu haben, dann müssen ihm die Grundkenntnisse der Naturwissenschaften geläufig sein.

DW-WORLD: Sie machen auf der einen Seite einen Dokumententest und auf der anderen Seite einen Wissenstest. Haben Sie denn Spezialisten mit Fachwissen oder sind das alles Mitarbeiter der Botschaft, die sich Fragen aus einem Lexikon zusammensuchen, um die chinesischen Bewerber zu piesacken?

Arvid Enders:

Nein, piesacken tun wir zum Glück nicht. Wir schauen uns die Dokumente an, die eingereicht wurden. Anhand des Studienbuches können wir sehen, was für ein Wissen wir erwarten könnten. Dann bereiten sich die zwei Kollegen darauf vor – jeweils ein Natur- und ein Geisteswissenschaftler – wobei je nach dem wer sich dort vorstellt, dann der Natur- oder der Geisteswissenschaftler die eigentliche Prüfung führt und der andere dann mitprotokolliert. Und dann, nach dieser Vorbereitung stellt man Fragen zu dem bisherigen Studium dieses Studenten.

DW-WORLD: Wie haben denn die Chinesen bisher darauf reagiert, dass es diese Prüfstelle gibt?

Arvid Enders:

Zweigeteilt. Zum einen gibt es diejenigen, die wir wollen, die Studenten, die ein gutes Studium absolviert haben. Die fanden, dass es eine gute Sache ist. Sie ärgern sich natürlich darüber, dass manche nach Deutschland kommen und eigentlich die Voraussetzungen nicht haben und sie dann unter diesem Generalverdacht leiden müssen.

Es gab schon die erste deutsche Hochschule, die keine Zulassung mehr an Chinesen erteilt hatte, aufgrund der schlechten Erfahrung mit gefälschten Zeugnissen in der Vergangenheit. Man kann gleich sagen, nach Einführung der Akademischen Prüfstelle, hat diese deutsche Hochschule auch wieder Zulassungen erteilt.

Auf der anderen Seite sind da natürlich diejenigen, die hier keine Chance haben auf einen Zugang in das lokale Bildungssystem und die deswegen ihre ganze Hoffnung auf das Ausland gesetzt haben und vielleicht sehr finanzkräftig sind. Die waren natürlich weniger fröhlich darüber, denn formelle Voraussetzungen für ein Studium die Deutschland ist das Bestehen der Hochschulzugangsprüfung in China. Von den Schulabsolventen bestehen das aber nur 60% und unter den anderen 40 % bestand die Hoffnung, dann eben in Deutschland zu studieren.

Arvid Enders und Guido Baumhauer
Arvid Enders und Guido Baumhauer

Diesen Plan haben wir natürlich indirekt zu Nichte gemacht. Aber man muss sagen, letztendlich zum Schutz dieser Leute, denn sie investieren sehr viel Geld, und wenn sie die Voraussetzungen für ein Studium in ihrer Muttersprache nicht haben, ein Studium in einer für sie sehr schweren Fremdsprache zu absolvieren, dann konnte man in den meisten Fällen davon ausgehen, dass es ihnen nicht gelingt. Diese Leute haben wir vor einem späteren Scheitern in Deutschland bewahrt und vor dem schlimmen Gesichtsverlust.