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"Wir können nicht sachlich und kühl bleiben"

Elisabeth Schmidt19. Februar 2014

Mohammad Kahlawi demonstriert phantasievoll gegen den Terror in seiner Heimat. Im DW-Interview erklärt er, warum seine Aktionen für Syrer so wichtig sind und zugleich viele Deutsche verstören.

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Mohammad Kahlawi (Photo: Tarek Elias-Hasse)
Bild: DW/T.Elias-Hasse

DW: Sie gehen für Ihre Landsleute auf die Straße, organisieren fast pausenlos Vorträge und Spendenaktionen – warum machen Sie das?

Mohammad Kahlawi: Ich bin gegen Unrecht, gegen die unbeschreiblichen, unmenschlichen Massaker in Syrien, bei denen auch Kinder gefoltert werden. Außerdem tut es mir weh, dass sich die Medien nur auf die Extremisten in Syrien konzentrieren und so tun, als ob das die Revolution wäre – was überhaupt nicht stimmt. Ich mache bei meinen Aktionen alles nach, was meine Landsleute in Syrien machen. Sie arbeiten sehr viel mit Kunst, mit Trommeln, mit Karikaturen, mit Malerei. Gewaltloser Widerstand findet bis heute jeden Tag statt. Deswegen versuche ich, auch diese Seite ins Licht zu rücken.

Assads Spione in Deutschland

Viele syrische Familien in Deutschland haben Angehörige im Krisengebiet. Wie groß ist die Sorge, sie durch Protestaktionen in Deutschland in Schwierigkeiten zu bringen?

Dass sich Syrer Sorgen machen, hat vor allem den Grund, dass es Spione in Deutschland gibt. Sie versuchen einzuschüchtern – mit Berichten ans Regime und dadurch, dass sie Leute beobachten. Auf Veranstaltungen wurde ich schon oft gezielt fotografiert. Manchmal kommen auch Beschimpfungen über soziale Netzwerke, von Accounts, die nicht mehr existieren. Als ein Freund von mir vor kurzem verstorben ist, schrieb jemand auf meinem #link:http://www.youtube.com/hutaafelhurriyyeh:Youtube-Kanal#: "Endlich bist du verreckt, du Ratten- und Hurensohn". Einige Syrer haben deswegen bis heute Angst, öffentlich zu demonstrieren. Andere versuchen, sich gar nicht erst einzumischen. Ich nehme das niemandem übel. Aber man muss sein Gesicht zeigen!

In Deutschland demonstrieren aber nicht nur Regime-Gegner wie Sie, sondern auch Assad-Anhänger. Haben sie die Entwicklungen in Syrien nicht miterlebt?

Viele dieser Demonstranten sind Mitarbeiter von Assad oder Nutznießer, die vom Regime sehr viel profitiert haben. Manche haben in Syrien ein Handelsunternehmen. Dort kommt man mit einer Firma nicht weit, wenn man sich nicht mit dem Regime kooperativ zeigt. Vetternwirtschaft und Korruption sind sehr bekannt. Den kooperativen Leuten ist es lange Zeit gut gegangen.

Das Mitgefühl fehlt

Wie reagieren die Deutschen auf Ihre Aktionen und Demonstrationen?

Das ist ein heikles Thema. Es gibt Unterstützer, die für Aktionen aus ganz Deutschland extra nach München gekommen sind. Aber zahlenmäßig bin ich sehr enttäuscht. Bei den Demonstrationen kommen eigentlich nur Syrer, es waren sogar schon mehrere hundert. Die Deutschen erwarten, dass wir sachlich und kühl bleiben. Sie verstehen es falsch, wenn wir schreien. Das ist aus Frust, aus dem Leid heraus, weil teilweise Hunderte Syrer pro Tag sterben. Das können viele nicht nachvollziehen, das Mitgefühl fehlt. Sie verstehen die Krise manchmal als Streit zwischen Regierung und Opposition und fragen, warum wir Assad im Parlament nicht einfach das Vertrauen entziehen.

Kunstprojekt (Foto: Mohamed Kahlawi)
Mohamed Kahlawi will auf das Schicksal syrischer Kinder im Krieg aufmerksam machenBild: Mohammad Kahlawi

Hier besteht aber keinerlei Verhältnismäßigkeit! Jeder von uns hat jemanden verloren. Es ist ein unbeschreiblicher Schmerz. Wenn die Leute auf die Straße gehen, wollen sie ihren Frust abreagieren. Sie schreien und singen laut. Viele Deutsche haben dann eher Angst. Im Großen und Ganzen hätte ich mir mehr Anteilnahme von den Deutschen erwünscht. Wenn sie mit ihren Problemen kommen, muss ich ehrlich gesagt lachen. Sie vergessen, wie gut und schön und in Freiheit sie leben können. Ein Großteil ist desinteressiert.

Es war nicht umsonst

Haben Sie bei Ihren Demonstrationen und Aktionen denn überhaupt das Gefühl, gehört zu werden?

Ja, gerade auf privater Ebene habe ich viele Freunde für die Sache gewinnen können. Ich habe bereits viele E-Mails an Medien und Politiker in Deutschland, Österreich und der Schweiz verschickt. Wenn man sehr viel verschickt, kommt auch ein bisschen Reaktion. Ich habe auch vor dem EU-Parlament in Brüssel demonstriert für die Aufnahme neuer Flüchtlinge. Es war nicht umsonst.

Mohammad Kahlawi (42) kam vor gut 15 Jahren als Student nach Deutschland. Heute lebt er als Percussion-Musiker in München. Seit drei Jahren demonstriert er für Menschenrechte in seiner Heimat.

Das Interview führte Elisabeth Schmidt.