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Gesellschaft

"Wir müssen aufräumen mit den Rollenklischees"

7. März 2019

Anlässlich des internationalen Frauentags hat die Bundesfamilienministerin bei der Müllabfuhr mit angepackt. Ein symbolischer Akt, der zeigen soll: In Sachen Gleichstellung ist Deutschland noch längst nicht am Ziel.

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Berlin - Netzwerk-Treffen von Müllwerkerinnen: Franziska Giffey Bundesfamilienministerin
Bundesfamilienministerin Giffey macht sich für Frauen in Männerberufen und Männer in Frauenberufen starkBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Die Arbeit sei "körperlich ziemlich anstrengend, aber ist es deshalb ein Männerberuf?", fragte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, nachdem sie mit der Berliner Stadtreinigung (BSR) bei einer Abfallentsorgungstour unterwegs war. Im vergangenen November hatte die BSR erstmals 15 Frauen bei der Müllabfuhr eingestellt. Wie viele Frauen bundesweit als Müllwerkerinnen arbeiten, ist statistisch nicht erfasst.

Gleichstellung hänge von vielen Faktoren ab, das gelte auch für die Berufswahl, erklärte Giffey. "Ich möchte eine Arbeitswelt, in der Frauen in typischen Männerberufen genauso gut arbeiten können wie Männer in typischen Frauenberufen." Mit Rollenklischees müsse aufgeräumt werden, so die Ministerin.

Wie gleichberechtigt sind Frauen in Deutschland?

Genug getan?

In Deutschland wurde hinsichtlich der Gleichstellung der Geschlechter bereits genügend getan, gaben 43 Prozent der befragten Männer in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos an. Bei den Frauen vertraten nur 28 Prozent diese Auffassung.

Die Ergebnisse sind Teil einer weltweiten Onlinebefragung, die Ipsos zusammen mit dem International Women's Day und dem Global Institute for Women's Leadership umsetzte. Insgesamt wurden 18.800 Menschen aus 27 Ländern befragt.

Fast jede(r) zweite Deutsche sieht die Geschlechtergerechtigkeit noch lange nicht erreicht. 44 Prozent der Befragten sehen es auch heute noch als Vorteil an, ein Mann zu sein. Nur zwölf Prozent halten es für vorteilhafter, eine Frau zu sein. Wie die Befragung ergab, ist aber auch mehr als jede(r) Vierte der Überzeugung, dass das Geschlecht kaum einen Unterschied macht.

Australian Senatorin Larissa Waters mit Baby im Parlament
In Australien stillt eine Parlamentarierin - in Thüringen wurde eine Abgeordnete mit Baby des Saales verwiesenBild: Reuters/M. Tsikas

Aus der Politik kamen zum Weltfrauentag am 8. März Forderungen nach mehr Entschlossenheit bei der Gleichstellung. "Gleichstellung ist eine Frage der Gerechtigkeit" und "ohne Gleichstellung gibt es keine echte Demokratie", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas in Berlin.

"Wenn im Deutschen Bundestag heute wieder weniger Frauen sitzen als noch vor 20 Jahren, dann läuft etwas schief", kritisierte der Außenminister. Auch international sorge ihn "der populistische Ruf nach starken Führern" sowie Diffamierungen einer progressiven Gleichstellungspolitik.

Starke Wirtschaft nur zusammen mit Frauen

Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier rief zu verstärkten Anstrengungen auf, damit die "gleiche Teilhabe von Frauen und Männern endlich eine Selbstverständlichkeit wird". Chancengleichheit sei "ein Wirtschaftsthema und ein handfester Wettbewerbsfaktor". Ohne die Leistung von Frauen wäre Deutschland nicht Weltspitze. Dennoch seien Frauen in Führungsetagen weiter unterrepräsentiert, verdienten im Schnitt weniger und gründeten seltener eigene Unternehmen.

Deutschland Regierung - Seehofers Führungsriege
Nur Männer: Die Besetzung im Bundesinnenministerium entpuppte sich vor einem Jahr als GAU für die PR-AbteilungBild: picture alliance/dpa/Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat

Nach Ansicht der EU-Kommission haben Frauen im Job nach wie vor mit Alltagsproblemen wie Belästigungen, geringeren Löhnen und weniger Karrierechancen zu kämpfen. Einem neuen Bericht der Kommission zufolge verdienen Frauen im Durchschnitt 16 Prozent weniger als Männer. Der Lohnunterschied lasse sich nur teilweise dadurch erklären, dass Frauen häufig in schlechter bezahlten Branchen arbeiteten. Weitere Gründe seien etwa schlechte Kinderbetreuungsangebote und Firmen, die keine flexiblen Arbeitszeiten anböten. Deshalb arbeiteten Frauen insgesamt weniger.

Dennoch sind so viele Frauen wie nie zuvor in der EU berufstätig. Zwei von drei Frauen (66,4 Prozent) zwischen 20 und 64 Jahren hatten 2017 eine Arbeitsstelle, wie dem aus Bericht hervorgeht. Unter den Männern gingen drei von vier Männern (77,9 Prozent) einer Arbeit nach.

Der Internationale Frauentag am 8. März geht auf die Konferenz sozialistischer Frauen im Jahr 1910 in Kopenhagen zurück. Initiatorin war die Frauenrechtlerin Clara Zetkin. Ausgerufen wurde der Tag erstmals 1911. Zunächst fand er am 19. März statt, erst später setzte sich der 8. März durch.

Als Novum in Deutschland ist der Tag in Berlin in diesem Jahr erstmals gesetzlicher Feiertag. Die Einführung löste gemischte Reaktionen aus.

ust/wa (dpa, afp)