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EU-Hilfe

19. Februar 2010

Die EU-Entwicklungshilfeminister wollen Projekte und Soforthilfe in Haiti besser koordinieren. Der deutsche Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, erklärt die EU-Pläne im Interview.

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Der deutsche Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel (FDP) (Foto: dpa)
Dirk Niebel: "EU muss mehr bei multilateralen Projekten koordinieren"Bild: dpa

DW-WORLD.DE: Herr Niebel, das Problem der Entwicklungshilfe in Haiti ist nicht, dass es zu wenig Spenden gäbe, sondern vielmehr, dass alle Länder alles machen wollen. Warum funktioniert die Abstimmung unter den EU-Staaten denn so schlecht?

Das ist ein großes Problem auf Haiti, weil wir gerade in der Zeit direkt nach dem Beben nur die beiden Zugänge Hafen und Flughafen hatten. Es war viel Hilfsbereitschaft da, viele Hilfsgüter und technische Ausrüstungen, die Helfer aber nicht angekommen sind und zu den Hilfsbedürftigen durchkamen. Die Problematik war deshalb so schwerwiegend, weil die gesamten Strukturen der Staatlichkeit Haitis zusammengebrochen waren und auch die Strukturen der Vereinten Nationen, die im Land waren, besonders schwer getroffen worden sind von diesem Erdbeben. Das war also eine absolute Sondersituation. Sie ist auch mit dem Tsunami 2004 nicht vergleichbar, weil es hinter dem zerstörten Gebiet immer noch ein Hinterland mit einer Infrastruktur gab. Und in Haiti war es eben eine Sondersituation, die die internationale Welt so noch nicht zu meistern hatte. Und das zeigt, dass es eine große Aufgabe ist, hier eine bessere Koordination für die Zukunft sicher zu stellen.

Aber das war nicht nur ein spezielles Problem in Haiti: Auch in der täglichen Entwicklungspolitik gibt es häufig die Situation, dass sich die einzelnen Länder gegenseitig auf die Füße treten. Was müsste da innerhalb der EU geändert werden, damit das nicht mehr vorkommt?

Da sind wir zum Glück schon auf einem guten Wege - insbesondere innerhalb der EU, weil eben nicht jeder alles in jedem Land machen soll, haben wir schon eine vernünftige Arbeitsteilung vereinbart. In bestimmten Partnerländern treten nicht alle EU-Staaten auf. Deutschland hat sein bilaterales Engagement von früher 120 Staaten auf 58 Partnerländer zurückgefahren. Darüberhinaus gibt es natürlich noch einige regionale Kooperationen, wo regional übergreifende Themen mit verschiedenen Ländern bearbeitet werden. Und innerhalb dieser Partnerländer gibt es auch andere Staaten, die sich engagieren und da muss man sich absprechen. Das klappt überwiegend gut bei solchen Fragen wie, wer sich mit welchen Schwerpunkten beschäftigt. Wenn Länder gleiche Schwerpunkte haben, wer die Führung übernimmt und wer mit wem gemeinsam arbeitet. Insgesamt muss es allerdings noch verbessert werden, damit auch die neuen Mitgliedsstaaten, die mit weniger Entwicklungsmitteln arbeiten müssen, einen signifikanten Einsatz haben. Und entsprechend erkennbar Entwicklungsleistungen liefern können. Da müssen sich die traditonellen Entwicklungshilfegeber ein Stück weit zurücknehmen. Und sie müssen auch die Frage beantworten, ob sie in Zukunft auch in jedem Land, in dem sie jetzt vertreten sind, arbeiten sollen.

Sie sagen also, es gibt bereits eine gemeinsame europäische Entwicklungspolitik?

Notunterkünfte auf Haiti nach dem Erdbeben (Foto: dpa)
Nicht immer erreicht die Hilfe sofort alle BedürftigenBild: picture-alliance/ dpa

Es gibt vom Grundsatz her eine gemeinsame Abstimmung innerhalb Europas. Einige Mitgliedsstaaten sind hier intensiver dabei, andere weniger. Dazu gibt es noch die europäische Entwicklungspolitik durch den EU-Kommissar und den europäischen Entwicklungsfonds. Hier muss die Abstimmung zwischen den bilateralen Gebern aus der EU und dem Fonds noch verbessert werden.

Momentan werden sieben Prozent der europäischen Entwicklungsgelder zentral aus Brüssel vergeben, 93 Prozent verteilt jeder EU-Staat selbst. Das ist relativ wenig Zusammenarbeit?

Die Bundesrepublik Deutschland ist einer der größten Geber für die EU-Entwicklungszusammenarbeit - wie wir auch insgesamt einer der größten Geber für die EU sind. Wir wollen aber ausdrücklich unserem Koalitionsvertrag gemäß unsere bilaterale Zusammenarbeit stärken, weil wir hier auch eine größere Steuerungsfähigkeit und eine größere Erkennbarkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit haben. Wir wollen weniger nur danach schauen, wie viel Geld ausgegeben wird, sondern noch mehr gucken, wie wirksam das Geld eingesetzt wird. Deshalb glauben wir, dass die Mischung aus bilateralen und multilateralen Maßnahmen genau die richtige ist.

Das heißt, Brüssel kann das Ihrer Meinung nach gar nicht leisten?

Brüssel kann eine Menge leisten und zwar überall da, wo sich multilaterale Strukturen sinnvollerweise engagieren. Das ist meistens da, wo man wenig Personal benötigt. Immer da, wo man bilaterale Projekte durchführt, die direkt an den Menschen wirken. Das heißt, man gibt keine Hilfen in den Haushalt eines Partnerlandes, sondern dahin, wo sie mehr Personal benötigen. Das ist bilateral leichter zu machen. Was Brüssel allerdings leisten kann - beispielsweise in Haiti - ist, dafür zu sorgen, dass die europäischen Geber sich untereinander und die dann wieder mit der internationalen Gebergemeinschaft abstimmen, damit nicht plötzlich 50 Staaten Notunterkünfte liefern und keiner mehr die Nahrung.

Das komplette Interview können Sie als mp3-Download anhören am Ende des Textes anhören.

Das Interview führte Manfred Götzke.

Redaktion: Nicole Scherschun