1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Wir wünschen uns mehr Offenheit im Islam"

10. Juni 2010

Reformmuslime haben in Deutschland ihren eigenen Verband gegründet. Er nennt sich "Liberal-Islamischer Bund", doch schon regt sich die Kritik. Gründerin und Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor im DW-WORLD-Interview.

https://p.dw.com/p/NlyK
Lamya Kaddor, Professorin für islamische Religionspädagogik an der Universität Münster. (Foto: Karlheinz Schindler)
Lamya Kaddor - Vorsitzende des "Liberal-Islamischen Bundes"Bild: picture alliance/ZB

Ende Mai hat sich in Duisburg der "Liberal-Islamische Bund" (LIB e.V.) gegründet. Der Verein will all jenen Muslimen Stimme und Forum geben, die "offen sind für einander widersprechende Blickwinkel". Im Interview mit der Deutschen Welle spricht die Vorsitzende des Verbandes Lamya Kaddor über den konservativen Islam, ein sich veränderndes Weltbild und die Kritik an ihrem Verein.

DW-WORLD: Es gibt schon mehrere Islamverbände in Deutschland. Warum gibt es nun den Liberal-Islamischen Bund?

Lamya Kaddor: Es gibt vier Dachverbände für den Islam in Deutschland. Aber nicht alle Muslime in Deutschland haben sich durch die existierenden Verbände repräsentiert gefühlt. Viele davon sind liberal-gläubige Muslime. Und wir hoffen, genau diese Zielgruppe anzusprechen.

Droht Ihnen nicht Kritik, weil sie außergeschlechtliche und gleichgeschlechtliche Partnerschaften befürworten?

Befürworten ist zu viel gesagt. Wir wünschen uns nur, dass Muslime diese Art von Partnerschaften tolerieren und akzeptieren. Das heißt aber nicht, dass ein Muslim sie gutheißen muss. Wir wünschen uns in diesen Punkten mehr Offenheit und Toleranz.

Junge Frauen gehen in die Sehitlik Moschee in Berlin. (Foto: dpa)
Moscheen sind in vielen deutschen Städten präsentBild: picture-alliance/dpa

Sie fordern einen flächendeckenden islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache an öffentlichen Schulen. Wie waren denn bisher die Reaktionen darauf?

Durchweg sehr positiv. Mittlerweile ist das sehr akzeptiert und wird unterstützt. Aber ich fordere das ja nicht erst seit gestern, sondern schon länger. Aber die Reaktionen der Politik und der Gesellschaft sind sehr unterstützend.

Man liest von viel Ablehnung gegenüber ihrem Verein, die sich vor allem an dem Begriff liberal reibt.

Teilweise haben die Menschen ein sehr konservatives, traditionelles, ja sogar ein naives Weltbild, weil sie davon ausgehen, dass der Islam klare Vorgaben kennt und diese unveränderlich sind. Einige sehen uns jetzt als Bedrohung und werfen uns die Zersplitterung der muslimischen Community vor. Doch die Muslime waren nach dem Tode Muhammads noch nie eine homogene Gruppe – es gab schon immer Unterschiede in der Glaubensauffassung und der Praxis.

Muslime beten in der Essener Fatih-Moschee, der größten Moschee im Ruhrgebiet, beim Tag der offenen Moschee. (Foto: dpa)
In Deutschland leben ungefähr vier Millionen MuslimeBild: dpa

Es leben ungefähr vier Millionen Muslime in Deutschland. Wie viele davon wollen sie denn ansprechen?

Eine ganze Menge und vor allem auch junge Menschen. Wir hoffen, insbesondere Musliminnen und Muslime als Mitglieder zu gewinnen, die sich in Deutschland verorten, integriert sind - trotzdem oder gerade, weil sie auch gläubige Muslime sind.

Lamya Kaddor bildete von 2004 bis 2008 islamische Religionslehrer an der Universität Münster aus. An derselben Universität vertrat sie von August 2007 bis März 2008
die neue Professur für Islamische Religionspädagogik. Die 32-Jährige syrischer Herkunft ist Buchautorin und Sprecherin des islamischen "Forum am Freitag" beim ZDF. Sie ist außerdem Lehrerin im nordrhein-westfälischen Schulversuch "Islamkunde in deutscher Sprache".

Das Interview führte Arne Lichtenberg.
Redaktion: Michael Borgers

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema