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Wirbel um "Zwarte Piet"

Stephanie Höppner27. Oktober 2013

Harmlose Weihnachtstradition oder echte Diskrimierung? Der schwarz bemalte Helfer des niederländischen Nikolaus erhitzt seit Jahrzehnten die Gemüter. Jetzt haben sich die Vereinten Nationen eingeschaltet.

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Das Bild zeigt einenen Computerbildschirm mit der Facbook-Debatte zurm Zwarten Piet. (Photo: Koen van Weel/AFP/Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images

Den Niederlanden ist es ernst mit ihrem Brauchtum - sie sehen ihren "Zwarte Piet" in Gefahr. Mit seinem schwarz angemalten Gesicht, den bunten Pumphosen und der Kraushaar-Perücke ist der Helfer des niederländischen Nikolaus schon seit den 1990er Jahren Gegenstand einer Rassismus-Debatte.

Nun bekommt die Diskussion eine neue Dimension: Eine Expertenkommission der Vereinten Nationen hat sich des Themas angenommen - und die aus Jamaika stammende Vorsitzende Verene Shepherd fasste die Ergebnisse kurz und knapp zusammen: "Das Fest ist eine Rückkehr zur Sklaverei." Und die Tradition gehöre dringend abgeschafft.

Ringen vor Gericht und im Internet

Damit spricht sie zahlreichen dunkelhäutigen Niederländern aus dem Herzen, die sich seit langem über die Figur des Nikolaus-Helfers beschweren. Mit ihnen hat sich der Amsterdamer Künstler Quinsy Gario solidarisiert: Er hat gegen dieses "koloniale Relikt" Klage beim Europäischen Menschengerichtshof eingereicht.

Anhänger der vorweihnachtlichen Tradition haben sich auf Facebook zu einer Gruppe zusammengeschlossen, die innerhalb von 24 Stunden bereits eine Million Fans erreichte und mittlerweile weit über zwei Millionen "Likes" zählt. "Hände weg von unserem Piet!" heißt ihre Forderung. Das niederländische Nikolaus-Fest sei "einzigartig, unschuldig und freundlich".

Sinterklaas und Zwarte Pieten kommen per Boot in Antwerpen an. (Photo: DIRK WAEM/AFP/Getty Images)
"Zwarte Piet" und "Sinterklaas" sind in den Niederlanden beliebtBild: AFP/Getty Images

Gegen Stereotypen

Auch die Gegner des "Zwarte Piet" sammeln sich zum virtuellen Kampf. Der Historiker Roelof Jan Minneboo hat die Seite "Zwarte Piet is Racisme" ("Der Schwarze Peter ist Rassismus") eingerichtet - und bekam deshalb bereits Morddrohungen. "Aber so was nehmen wir nicht ernst", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle, "auf dem Computer schreibt sich so etwas schnell." Was ihn viel stärker beunruhige, sei die hohe Anzahl der Menschen, die sich selbst als nicht rassistisch einstuften, aber durch ihr Verhalten und ihre Sprache das Gegenteil verkörperten - "gerade bei Facebook", sagt er. Für ihn gehe es darum, dass die Figuren "Sinterklaas" und "Zwarte Piet" alte Stereotypen bedienen: "Da sitzt ein weißer Mann auf einem Pferd, umgeben von einer schwarzen Gefolgschaft, die sich als lustige Tollpatsche geben."

Auch in Deutschland hat es in den vergangenen Jahren Diskussionen über die Verwendung derartiger Stereotypen gegeben - vor allem in Kinderbüchern. Astrid Lindgrens "Negerkönig" im Kinderbuch-Klassiker "Pippi Langstrumpf" wurde vom Verlag in einen "Südseekönig" umgetauft. Und aus Otfrieds Preußlers "Die Kleine Hexe" wurde das Wort "Negerlein" gestrichen. Kritiker halten dem entgegen, dass so Kulturgut verfälscht werde.

Von schwarz zu hellbraun?

"Man kann eine Tradition nicht einfach so schnell ändern", sagt Historiker Albert van der Zeijden vom niederländischen Zentrum für immaterielles Erbe im DW-Interview. "Und wenn eine Organisation wie die Vereinten Nationen bestimmen wollen, wie wir unser Nikolaus-Fest zu feiern haben, wird das einfach nur Widerstand hervorrufen."

Er plädiert eher für einen sanften Wandel und schlägt vor, dass der "Zwarte Piet" sich über die kommenden Jahre langsam und behutsam verändert. "Wir brauchen auf jeden Fall eine Lösung, die für alle tragbar ist", sagte er. Eine Idee ist, dass das Gesicht des "Zwarte Piet" schleichend aufgehellt wird, eine andere Idee, dass das krause Haar der Afro-Perücke glattem Haar weicht. "Dann sieht er eher aus wie ein Fabelwesen, weniger wie ein dunkelhäutiger Immigrant", meint van der Zeijden. Auch eine Fantasiefarbe im Gesicht - grün oder blau beispielsweise - hält er in für denkbar.

Für Roelof Jan Minneboo geht der Vorschlag, die Gesichtsfarbe zu bleichen, jedoch am Problem vorbei. "Das ist historisch gesehen geradezu ironisch." Denn das erinnere an die niederländischen Sklavenhalter in der Kolonie Suriname, die versuchten, die dort lebenden Menschen aufzuhellen, in dem sie mit dunkelhäutigen Sklavinnen Nachwuchs zeugten.