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Politik

Wird Ungarns Orban zum Notstands-Diktator?

24. März 2020

Inmitten der Corona-Krise hat die Regierung dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorgelegt, wonach der Ministerpräsident im Rahmen eines Notstands per Dekret regieren kann. Die Opposition ist skeptisch, aber ohne Chance.

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Ungarn Viktor Orban Migrations Gipfel Budapest
Wie weit will Ministerpräsident Viktor Orban gehen? Bild: Reuters/B. Szabo

Das Parlament in Budapest debattierte über den vorliegenden Gesetzesentwurf, der es Ministerpräsident Viktor Orban ermöglichen würde, für unbegrenzte Zeit und ohne parlamentarische Kontrolle auf dem Verordnungsweg zu regieren. Die notwendige Zweidrittel-Mehrheit dafür hat Orbans Regierungspartei Fidesz im Parlament und so wird die Vorlage voraussichtlich nächste Woche beschlossen.

Vordergründig geht es um die Bewältigung der Corona-Krise. Laut der Johns Hopkins University meldet Ungarn derzeit offiziell 187 bestätigte Infektionsfälle, neun Menschen sind gestorben (Stand 24.03,19.00 Uhr MEZ). In der Einleitung des Entwurfs steht, das Gesetz solle dafür sorgen, "dass die Regierung alle zur Eindämmung beziehungsweise Abwehr der Folgen der COVID-19-Pandemie nötigen außerordentlichen Maßnahmen treffen kann". Dabei, so die Vorlage, könne sie "die Anwendung einzelner Gesetze suspendieren und sonstige außergewöhnliche Maßnahmen treffen".

Wer profitiert?

Abgeordnete der Opposition kritisierten vor allem, dass es keine Garantien und Fristen gebe. Auch andere Kritiker befürchten, dass das Gesetz das Machtgefüge in Ungarn zu Gunsten der Regierung und zu Ungunsten des Parlaments verändern werde.

Weitere Bestimmungen des Gesetzentwurfs beinhalten, dass Strafen für Verstöße gegen Quarantänebestimmungen sowie für die Verbreitung von Falschnachrichten massiv verschärft werden. Vor allem letztere Regel ist Kritikern zufolge bewusst schwammig formuliert. So kann jemand, der eine wahre Tatsache auf eine Weise wiedergibt, die dazu angetan ist, "größere Gruppen von Menschen zu beunruhigen", mit Gefängnisstrafen bis zu drei Jahren bestraft werden. Da könnte eine Meldung über fehlende medizinische Ausrüstung in Krankenhäusern schnell zum Straftatbestand werden.

Europarat sieht Menschenrechte in Gefahr

Das Vorgehen der ungarischen Regierung hat auch den Europarat auf den Plan gerufen. Zwar äußerte sich Europarats-Generalsekretärin Marija Pejcinovic in einem offenen Brief zunächst allgemein. Die Maßnahmen von Staaten im Kampf gegen die Corona-Pandemie müssten mit nationalen Verfassungen und internationalen Standards im Einklang stehen. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte müssten dabei respektiert werden, schrieb Pejcinovic.

Doch sie sprach dann auch Ungarn direkt an. Ein unbestimmter und unkontrollierter Ausnahmezustand könne nicht garantieren, dass die Grundprinzipien der Demokratie eingehalten werden, erklärte die Europarat-Generalsekretärin in Richtung Viktor Orban. Auch der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Rik Daems, erklärte, ein Ausnahmezustand müsse von den Staaten ständig überprüft werden. Nur auf Basis von Vermutungen dürfe ein Ausnahmezustand nicht verlängert werden, betonte Daems.

Der Europarat mit Sitz in Straßburg hat zur Aufgabe, über die Menschenrechte in seinen 47 Mitgliedsstaaten zu wachen. Er ist keine Institution der Europäischen Union.

fab/kle (dpa, afp, Johns Hopkins University)