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Wikipedia - jetzt besser?

Marcus Bösch24. September 2007

Die Online-Enzyklopädie Wikipedia basiert auf einem herrlich einfachen Prinzip. Jeder kann mitmachen. Der Haken an der Sache: Manipulation und Vandalismus. Neue Markierungssysteme und Scanner sollen Qualität garantieren.

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Collage: Wikipedia-Logos mit Stempelabdruck: Geprüfte Qualität (dpa & dw)
Gesichtet. Geprüft. Gelungen?Bild: picture-alliance/dpa
Das Internet-Lexikon Wikipedia will verlässlicher werden. In den nächsten Tagen beginnt der Test eines neuen Kennzeichnungssystems. In der Standardansicht sollen künftig nur Texte angezeigt werden, die erfahrene Autoren als frei von Verunstaltungen markiert haben. "Ziel ist es, die Verlässlichkeit und Qualität der Texte zu erhöhen", sagt Philipp Birken, Wikimedia-Vorstandsmitglied. Die neue Funktion werde voraussichtlich im November in das deutsche Hauptportal integriert. Ob anderssprachige Seiten folgen, sei noch unklar.

Prüfer versus Nutzer

Artikel sollen auf verschiedene Arten markiert werden können. Während auch neue Wikipedia-Nutzer Beiträge mit dem Vermerk "gesichtete Version" versehen können, ist das Qualitäts-Siegel "geprüfte Version" so genannten Prüfern vorenthalten. Zum Prüfer würden Benutzer ernannt, "die sich durch ihr Fachwissen ausgezeichnet" hätten. Was das genau heißt und wie viele solcher Prüfer es geben wird, steht noch nicht fest.

Die Modifikationen kommen nicht überraschend. Denn das Kennzeichnungssystem erinnert sehr stark an die unter dem Schlagwort "Verantwortungskultur" umgesetzten Regeln des Wikipedia-Konkurrenten Citizendium. Wikipedia Gründer Larry Sanger hatte das neue Wissensportal gegründet, nachdem er Wikipedia und seinen Gründer-Kollegen Jimmy Wales im Streit verlassen hatte.

Wikipedia-Gründer Jimmy Waley (Foto:DW)
Wikipedia Chef Jimmy Wales: Nach dem Streit, Ideen geklaut?Bild: DW/Christine Elsässer

Alle manipulieren

Bei Citizendium können eingestellte Beiträge nur bei Angabe eines Klarnamens nebst funktionierende E-Mailadresse editiert werden. Redakteure sollen Streitigkeiten zwischen "normalen Autoren" schlichten. Verhindert werden sollen auf dem seit November 2006 freigeschalteten Portal, dass einzelne Artikel zu persönlichen Spielplätzen wild gewordener Aktivisten werden. Ein Problem vor dem Wikipedia immer wieder steht.

Manipulationen in Wikipedia-Einträgen stammen dabei auch von vermeintlich seriösen Stellen. Egal ob Parteien, Unternehmen, Behörden oder dem Vatikan - keiner der nicht manipuliert. Da verschwinden kritische Kommentare oder ganze Einträge. Ein Mitarbeiter des Öl-Konzerns Chevron-Texaco löschte beispielsweise einfach den kompletten Beitrag über Biodiesel. Von einem Rechner im Vatikan aus, wurde die Biographie des nordirischen Politikers Gerry Adams manipuliert.

Acht Millionen Veränderungen

Die Urheber der Manipulationen aufgedeckt hat ein kleines Recherche-Werkzeug des amerikanischen Informatikstudenten Virgil Griffith. Seit der so genannte WikiScanner online ist, hat er in der deutschen Variante der Online-Enzyklopädie in nur einem Monat knapp acht Millionen anonyme Veränderungen registriert. Sie stammen aus den Computernetzen von mehr als 50.000 Organisationen, Behörden und Unternehmen. Und sind auf einer Wikipedia-Internetseite öffentlich abrufbar. Oft handelt es sich zwar nur um die Ausbesserung von Rechtschreibfehlern. Manchmal aber eben auch um bewusst versuchte Einflussnahme.

"Bei nicht kontroversen Themen funktioniert Wikipedia schon. Bei kontroversen Themen kann Wikipedia durch Instrumente wie diese zuverlässiger werden", erklärt WikiScanner-Erfinder Griffith auf seiner Internetseite. Der Student besorgte sich einfach eine Datenbank mit Adressen bekannter Institutionen und Firmen. Sein Programm gleicht diese mit den bei Wikipedia gespeicherten IP-Adressen der Bearbeiter von Artikeln ab. Das Ergebnis: Peinlich, wenn zum Beispiel ein Mitarbeiter der Lufthansa den Beitrag über das Unternehmen mit dem Satz "Lufthansa gilt als das beste Unternehmen der Welt" versieht.

Ziel: Brockhaus und Britannica

Mit dem neuen Markierungssystem verfolgt Wikipedia-Gründer Jimmy Wales weiter den Anspruch "einmal so gut wie Brockhaus oder Britannica" zu werden. Auch wenn er zugibt, in Sachen Qualität noch weit entfernt zu sein. Abgehängt hat er auf jeden Fall seinen ehemaligen Kollegen und jetzigen Konkurrenten Sanger. Denn den weit über acht Millionen Artikeln von Wikipedia stehen ganze 2800 Beiträge von Citizendium gegenüber. Wenn Wikipedia nun auch noch das Alleinstellungsmerkmal der Konkurrenzseite kopiert, dürfte damit das vorzeitige Ende von Citizendium besiegelt sein.