1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Druck auf Bundesregierung wächst

20. Juli 2020

Wer wusste was wann, diese Frage tritt beim mutmaßlichen Milliarden-Betrug bei Wirecard immer mehr in den Vordergrund. Um dies zu klären, kommt der Finanzausschusses des Bundestages zu einer Sondersitzung zusammen.

https://p.dw.com/p/3fbDU
Das Logo von Wirecard auf der Unternehmenszentrale in Aschheim
Bild: Getty /L. Preiss

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sollen bei der Sitzung des Gremiums am 29. Juli zum milliardenschweren Finanzsskandal beim Zahlungsdienstleister Wirecard Stellung nehmen. Sprecher der beiden Minister signalisierten, die Ressortchefs planten ihre Teilnahme.

Opposition droht mit Untersuchungsausschuss

Grüne, FDP und Linkspartei sprachen von der "letzten Chance", die politische Verantwortung" aufzuarbeiten. Der Grünen-Finanzpolitiker Danyal Bayaz warf der Regierung vor, nur scheibchenweise aufzuklären. "Das ist die letzte Chance der Regierung, einen Untersuchungsausschuss noch abzuwenden." Ähnlich äußerte sich Florian Toncar von der FDP: "Sollte es nächste Woche keine Klarheit geben, führt kein Weg mehr an einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorbei."

Die Linkspartei mahnte eine Klärung "aller offenen Fragen" durch die Bundesregierung zu deren Einsatz für Wirecard in China an. "Unumgänglich" sei jenseits der Sondersitzung unter anderem der Aktenzugang zum Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, erklärte der Linken-Fraktionsvize und Obmann im Finanzausschuss, Fabio De Masi. De Masi beklagte gegenüber der Deutschen Welle zudem weitreichende Folgen des Skandals. "Ich denke, es ist eine große Peinlichkeit für den Finanzplatz Deutschland, denn Investoren werden nun sehr zurückhaltend sein, wenn es um das Vertrauen in unsere Finanzaufsicht geht." Es handele sich um einen der größten Kriminalfälle in Deutschland in der jüngeren Vergangenheit.

Und auch innerhalb der Regierungskoalition sorgt der Skandal für Unstimmigkeiten. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte der Deutschen Presse-Agentur: Die Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer liege beim Bundeswirtschaftsministerium. Während Finanzminister Scholz für Aufklärung und Verbesserungen bei der behördlichen Finanzaufsicht sorge, ducke sich der Wirtschaftsminister weg.

Regierungssprecherin: Merkel wusste nichts von Ungereimtheiten

Am Wochenende war bekannt geworden, dass sich das Kanzleramt bei einer Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach China im September 2019 für Wirecard eingesetzt hatte. Nach Angaben eines Regierungssprechers wurde damals eine "Flankierung" des beabsichtigten Markteintritts von Wirecard in China zugesagt. Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte dazu am Montag, die Kanzlerin habe in ihrem Gespräch in China "neben anderen Themen andere Unternehmen betreffend auch das Thema Wirecard angesprochen". Die Bundesregierung setze sich regelmäßig für die Interessen von Unternehmen ein. Merkel habe zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von Ungereimtheiten bei Wirecard gehabt.

Flüchtiger Wirecard-Manager in Russland?

Im Wirecard-Betrugsskandal ist der spurlos verschwundene frühere Vertriebschef des Konzerns, Jan Marsalek, laut einem Medienbericht möglicherweise in Russland untergetaucht - doch der Kreml weiß nach eigenen Angaben von nichts. Wie das "Handelsblatt" unter Berufung auf Unternehmer-, Justiz- und Diplomatenkreise schreibt, ist der Manager auf einem Anwesen nahe Moskau unter Aufsicht des russischen Militärgeheimdienstes GRU untergebracht. Zuvor soll Marsalek demnach erhebliche Summen in Form von Bitcoins aus Dubai nach Russland geschafft haben.

Marsalek gilt als die Schlüsselfigur der Affäre. Bis der Manager im Juni fristlos gefeuert wurde, war er bei Wirecard weltweit für das Tagesgeschäft zuständig. Er war ursprünglich auf den Philippinen vermutet worden. Später hatte die Regierung in Manila eingeräumt, dass die Daten zu Ein- und Ausreise im Computersystem der nationalen Einwanderungsbehörde gefälscht waren.

In der Bilanz fehlen 1,9 Milliarden Euro

Der Dax-Konzern aus dem Münchner Vorort Aschheim hatte im Juni zuerst Luftbuchungen in Höhe von mutmaßlich 1,9 Milliarden Euro eingeräumt und wenig später Insolvenz angemeldet. Die mutmaßlichen Scheingeschäfte liefen großenteils über angebliche Subunternehmer im Mittleren Osten und in Südostasien. Kerngeschäft von Wirecard ist das Abwickeln von Kartenzahlungen als Schaltstelle zwischen Kreditkartenfirmen und Händlern. Es ist einer der größten Finanzskandale in Deutschland.

qu/kle (rtr, dpa,afp)