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Politik

Experte: Positive Signale für Griechenland

7. April 2017

Die Finanzminister der Euro-Zone ringen mit Griechenland um neue Kredittranchen. Das ist alles Theaterdonner, sagt Wirtschaftsprofessor Zolt Darvas im DW-Interview. Wie lange kann Griechenland überleben?

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Griechenland bekommt Kredite für 3,5 Prozent Zinsen
Bild: picture alliance/dpa/B.Roessler

Deutsche Welle: Zurzeit streiten Griechenland und seine internationalen Geldgeber wieder einmal und die Auszahlung von Hilfskrediten und die Überprüfung von Reformschritten. Ist das dritte Rettungsprogramm für Griechenland, das ein Volumen von bis zu 86 Milliarden Euro hat und seit eineinhalb Jahren läuft, noch auf dem richtigen Kurs?

Zolt Darvas: Das aktuelle Programm ist viel besser in der Spur als die beiden Vorgänger. Die griechische Wirtschaft zeigt eine Reihe positiver Entwicklungen. Wirtschaftliche Erholung ist in Sicht. Die Arbeitslosigkeit sinkt langsam. Der Haushalt läuft besser als erwartet. Die Überprüfungen der Rettungsprogramme sind immer verspätet. Seit 2010 ist praktisch jede Überprüfung nur mit Verzögerung erfolgt. Das ist in der aktuellen zweiten Überprüfung des dritten Rettungsprogramms auch nicht anders, aber früher oder später wird man sich schon einigen.

Woran liegt es denn, dass die Überprüfungen immer verschleppt werden? Nach dem ersten und zweiten Programm hatte man doch vereinbart, dass diesmal alles zügig klappen würde.

Es ist wahrscheinlich so, dass die griechische Regierung ihre Wähler damit beeindrucken will, dass sie gegen die Kreditgeber kämpft. Die heutige Syriza-Regierung hat 2015, als sie an die Macht kam, große Versprechen gemacht. Es werde keine weiteren Sparmaßnahmen und keine Rettungsprogramme mehr geben, hieß es. Doch am Ende, als sie die Wirklichkeit erkannte und nach sechs Monaten harter Verhandlungen akzeptierte Syriza schließlich das dritte Rettungsprogramm. 

Deshalb kämpft man jetzt und tut so, als würde man einen besseren Deal verhandeln können. Wie auch immer, es gibt keine Dringlichkeit, die Überprüfung abzuschließen. Griechenland hat im Moment genug finanzielle Mittel, um seine Ausgaben zu decken und kleinere Kreditraten zurückzuzahlen. Also, keine Eile, sondern nur Schaukampf und der Versuch der Kreditgeber, so weit wie möglich bei den vereinbarten Reformen zu bleiben.

Im Sommer muss Griechenland sieben Milliarden Euro an alten Schulden bedienen. Glauben Sie denn, dass dieses Geld da ist?

Belgien | Wirtschaftsexperte Zolt Darvas
Zolt Darvas: Lage in Griechenland wird langsam besserBild: EESC

Ich glaube, dass bis dahin noch genug Zeit ist. Einige Monate immerhin. Es ist sehr schwer, wirklich aktuelle Daten zu den Kontoständen der öffentlichen Hand in Griechenland zu bekommen. Ich tendiere zu der Auffassung, dass Griechenland zahlen kann, selbst wenn keine Tranche aus dem Rettungsprogramm ausgezahlt würde. Die griechische Regierung hat immer noch ein relativ großes Vermögen zur Verfügung. Aber das ist noch weit weg. Ich gehe davon aus, dass die Hilfskredite ausgezahlt werden und es keine Probleme im Sommer geben wird.

Es gibt aber Berichte aus Griechenland, dass die Regierung ihre Rechnungen nicht bezahlt oder Steuern nicht zurückerstattet. Ist das die richtige Methode der Haushaltsführung?

Nein, das ist ein großes Problem. Das Problem hat aber zwei Seiten. Viele Unternehmen und Steuerpflichtige in Griechenland zahlen keine Steuern. Der Staat zahlt den Firmen ihre Rechnungen nicht. Das belastet die Wirtschaft sehr. Das führt zu Unsicherheit, die wiederum Firmen und einzelne Personen belastet. Das ist eine unhaltbare Situation, aber der Staat bekommt eben auch nicht die Steuereinnahmen, die ihm zustehen.

Das dritte Rettungspaket läuft noch ungefähr 14 Monate. Was kommt danach? Ist das schon klar?

Ich bin sicher, dass es ein viertes Rettungsprogramm geben wird. Es ist sehr, sehr unwahrscheinlich, dass Griechenland sich an den Märkten das nötige Kapital zu annehmbaren Zinsen leihen könnte. Vergleichen wir das mal mit Portugal. Dort muss man nach dem abgeschlossenen Rettungsprogramm vier Prozent Zinsen für staatliche Schulden zahlen. In Griechenland wäre der Preis wesentlich höher, da das griechische Problem viel größer ist. Auch wenn die Zinsen bei fünf oder sechs Prozent liegen würden in einem Jahr, wäre das viel zu hoch, um sie dauerhaft bezahlen zu können. Wenn Griechenland Kredite bei den europäischen Rettungsschirmen leiht, zahlt es unter einem Prozent. Das ist ein gewaltiger Unterschied.

Es gibt noch ein anderes, sehr unwahrscheinliches Szenario: ein umfassender Schuldenerlass für Griechenland. Wenn man die Hälfte der Schulden streichen würde, wäre der Schuldenstand viel niedriger und die Zinsen würden ebenfalls sinken. Griechenland könnte vielleicht auf eigenen Füßen stehen. Aber wie wir ja aus Deutschland, Finnland oder den Niederlanden hören, ist das politisch unmöglich durchzusetzen. Also ohne Schuldenerlass wird es ein viertes Programm geben müssen.

Die europäischen Kreditgeber sagen, sie könnten Schulden nicht einfach streichen, sie könnten aber die Bedingungen für die Kredite, Fälligkeiten, Zinsen weiter lockern. Der Internationale Währungsfonds sieht das allerdings anders. Würden Erleichterungen ausreichen?

Etwa 80 Prozent der griechischen Staatsschulden sind in der Hand der öffentlichen Kreditgeber in der EU. Große Teile halten auch die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds. Das führt dazu, dass das Schicksal Griechenlands auf Jahrzehnte von diesen Kreditgebern abhängt. Natürlich würden noch bessere Bedingungen beim Abtragen der Kredite helfen, weil Griechenland mehr bewegliche Mittel hätte, aber das wird nicht reichen, um eine Rückkehr an die freien Kapitalmärkte zu ermöglichen.

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Die Kreditgeber argumentieren heute, dass es ja 2013 in Griechenland schon einen Schuldenerlass im Umfang von 100 Milliarden Euro durch private Kapitalgeber gab. Der Effekt war mager. Was sollte also ein neuer Schuldenerlass bringen?

Der Effekt war damals, dass der Schuldenstand, der über 200 Prozent des Bruttosozialproduktes erreicht hätte, heute bei um die 170 Prozent liegt. Der Schuldenerlass kam damals schon sehr spät, weil sich die öffentlichen Kreditgeber für viele Monate weigerten zu zustimmen. Wäre der Schuldenerlass früher gekommen, hätten anschließend die Rettungspakete, die von Deutschland und anderen geschnürt wurden, viel kleiner ausfallen können. Das war ein großer Fehler, die Schulden-Restrukturierung im privaten Bereich zu verzögern. Jetzt liegen die Schulden fast alle in der Hand der anderen Staaten. Was auch immer sie sagen, sie sind für die Zukunft Griechenlands verantwortlich.

Glauben Sie, dass der Streit um Griechenlands Verbleib in der Euro-Währung zurückkehren könnte? Würde das die heutigen Rettungsversuche untergraben?

Ich glaube nicht, dass das noch einmal passiert. Denn jetzt sind die Aussichten für Griechenland wesentlich besser. Es gibt viele positive Signale. Ich denke, alle politischen Parteien in Griechenland treten dafür ein, das Land im Euro zu halten. Sogar die radikale linke Regierung ist dieser Auffassung. Die Kreditgeber stehen zu Griechenland. Vielleicht wird Grexit noch einmal ein Thema, aber es wird keinen großen Effekt haben. Es wird noch viele Jahre dauern, aber wir sehen Licht am Ende des Tunnels.

Zolt Darvas ist Fachmann für Makroökonomie und internationale Finanzbeziehungen am Brüsseler Forschungsinstitut "Bruegel", einer wirtschaftspolitisch ausgerichteten Denkfabrik. Darvas beobachtet seit Jahren die Entwicklung in Griechenland und der Euro-Zone. Der Ökonomie-Professor lehrt auch an der Corvinus-Universität in Budapest.

Das Interview führte Bernd Riegert.

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union