1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wirtschaftsstandort Deutschland weniger gefragt

16. Januar 2023

Deutschland ist in der Rangliste attraktiver Wirtschaftsstandorte abgerutscht und kann mit Spitzenstandorten in Nordamerika, Westeuropa und Skandinavien kaum noch mithalten. Was machen andere Länder besser?

https://p.dw.com/p/4ME09
Deutschland | Schiffsunfall in Hamburg
Der Standort Deutschland ist angeschlagenBild: picture alliance

Deutschland hat als Wirtschaftsstandort an Attraktivität verloren. Im am Montag veröffentlichten Ranking des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) rutschte die Bundesrepublik um vier Plätze auf Rang 18 von 21 verglichenen Ländern. Negativ wirkten sich demnach vor allem die hohen Energiepreise sowie unvorteilhafte Regulierungen für Unternehmen aus. Schlecht bewerten die Experten auch die hohe Steuerlast, auch wenn es hier Verbesserungen gegeben habe.

"Der Industriestandort Deutschland hat dramatisch an Qualität verloren", erklärte Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. "Gerade die hohen Energiepreise, an denen wir wenig ändern können, müssten doch Anreiz bieten, die übrigen Rahmenbedingungen für Investitionen zu verbessern."

Ein großes Plus für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist laut ZEW die vergleichsweise geringe Verschuldung des Staates und der privaten Haushalte. Das gebe dem Staat die Möglichkeiten, auf Krisen zu reagieren. Doch auch hier sei die Bundesrepublik "ausgehend von einer guten Position nun ins Mittelfeld zurückgefallen", erklärten die Experten.

Kritik an Steuerpolitik

Die Stiftung Familienunternehmen, die die Studie herausgibt, forderte insbesondere den Abbau von Steuern. "Bei der Steuerlast für Familienunternehmen rangiert Deutschland weiterhin auf dem vorletzten Platz", erklärte die Stiftung. Laut ZEW ist Deutschland mit der Erbschaftsteuerreform 2016 in diesem Bereich abgestürzt und hat sich seitdem wegen der "über die Jahre die anhaltende Passivität der deutschen Steuerpolitik" nicht wieder erholt.

"Auch das Verhältnis Arbeitskosten und Produktivität zeigt einen ungünstigen Trend im Vergleich zu den Wettbewerbern", betonen die Familienunternehmer. Das ZEW stellt immerhin die insgesamt über die Jahre positive Entwicklung der PISA-Ergebnisse als "Aktivposten Deutschlands" heraus.

Symbolbild  Deutschland Wirtschaft Produktion Industrie
Das Bild sei ernüchternd, so das Mannheimer Forschungsinstitut ZEW. "Auch abseits des Themas Energie lassen sich keine Standortfaktoren finden, bei denen eine klareAufwärtsbewegung zu verzeichnen wäre."Bild: Uwe Anspach/dpa/picture alliance

Insgesamt biete die Position Deutschlands "erheblichen Anlass zur Sorge", erklärte das ZEW. "Familienunternehmen sind in Deutschland im internationalen Vergleich mit höheren Steuern, höheren Regulierungslasten und höheren Energiekosten als an den meisten anderen Standorten konfrontiert." Infrastruktur und Institutionen würden zwar weiterhin positiv bewertet, aber deutlich schlechter als in kleineren Ländern wie der Schweiz oder Dänemark.

Welche Länder sind gefragter?

Im Ranking liegt Deutschland nun knapp hinter Frankreich. Schlechter platziert sind nur Ungarn, Spanien und Italien. Die besten Bedingungen haben Unternehmen in den USA, Kanada, Schweden und der Schweiz. Punktemäßig noch stärker verloren als Deutschland haben vor allem Österreich und die Niederlande, die ebenfalls in den Bereichen Regulierung und Energie Probleme aufweisen. Verbesserungen wiesen vor allem Japan und Schweden auf.

Die USA stechen mit guten Bewertungen bei den Standortfaktoren günstige Energie und unternehmerfreundliche Regulierung heraus. Das ZEW weist jedoch auf die hohe Inflation als Risikofaktor hin: Der Preis- und Lohndruck sei in den USA besonders hoch, hinzu komme der starke Dollar.

Zu bedenken ist allerdings auch, dass die Länder auf den Plätzen 14 bis 19 mit ihren Punktwerten sehr nah beieinander liegen. Aber, es gibt für Deutschland aber keinerlei Anzeichen für eine Aufwärtsbewegung.

Andere Untersuchungen waren zuletzt zu weniger pessimistischen Einschätzungen gekommen. So blieb der befürchtete Einbruch ausländischer Investitionen in Deutschland 2022 aus. "Bei der Zahl der Neuansiedlungen sieht es sogar etwas besser aus als 2021", sagte der Geschäftsführer der bundeseigenen Wirtschaftsfördergesellschaft Germany Trade & Invest (GTAI), Robert Hermann. 2021 siedelten insgesamt 1806 ausländische Unternehmen in Deutschland neu an oder haben ihre Standorte ausgebaut - ein Plus von sieben Prozent. 

iw/hb (afp, rtr, Stiftung für Familienunternehmen, dpa)