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Wissenschaftler in Sorge wegen Trump

Brigitte Osterath
18. Februar 2017

Eigentlich soll es bei dem Treffen in Boston um die neuesten Forschungsergebnisse gehen - doch tatsächlich steht im Mittelpunkt die Frage, wie sehr der neue US-Präsident Trump die moderne Wissenschaft in Gefahr bringt.

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USA Boston - AAAS Meeting: Stand up for Science
Bild: DW/H. Fuchs

Schon die ersten Worte der Eröffnungsrede drehten sich um Präsident Trump - oder vielmehr um die Folgen seiner Politik. "Einige Mitglieder unserer Gemeinschaft, haben sich entgegen ihrer Pläne entschieden, doch nicht zum Treffen in die USA zu reisen", bedauerte Geraldine Richmond, Chemieprofessorin an der Universität Oregon und Vorstandsvorsitzende der American Association for the Advancement of Science (AAAS), der größten Wissenschaftlervereinigung der USA.

Zum Jahrestreffen der Organisation sind knapp 10.000 Wissenschaftler, Entscheider und Wissenschaftsvermittler in Boston zusammengekommen. Doch einige, die gerne dabei sein würden, fehlen - "aufgrund von Reiseunsicherheiten angesichts des Dekrets des US-Präsidenten Donald Trump vom 27. Januar", erklärt Richmond dem Publikum im Saal. Auch wenn das US-Gericht das Einreiseverbot für sieben hauptsächlich muslimische Staaten wieder aufgehoben hat, wollten einige Wissenschaftler das Risiko lieber nicht eingehen.

Unter ihnen ist Rania Mokhtar von der University of Science and Technology des Sudan. Beim AAAS-Jahrestreffen in Boston hätte sie eine Auszeichnung in Empfang nehmen sollen, die ihre Forschung als junge Wissenschaftlerin in einem Entwicklungsland ehrt. Stattdessen wird sie der Verleihung nun lediglich virtuell per Webkonferenz beiwohnen.

Zivilisierter Widerstand

Bevor die Wissenschaftskonferenz am Donnerstag begann, fragten sich einige Wissenschaftler in den sozialen Medien bereits, ob das AAAS-Treffen in diesem Jahr anders ablaufen werde als zuvor. Eine Forscherin schrieb, sie sei "sehr enttäuscht, wenn alles lediglich 'business as usual' sei":

Wer aber lautstarke Demonstrationen, provokante Plakate und viel Geschrei erwartet, wird tatsächlich enttäuscht sein. Schließlich ist und bleibt das AAAS-Treffen trotz allem eine Wissenschaftskonferenz.

Anstecker mit der Aufschrift "Stand up for Science" (Verteidigt die Wissenschaft), ein offener Brief an Trump, den es zu unterzeichnen gibt, und frisch angesetzte Diskussionsforen zur Wissenschaftspolitik in der Ära Trump - so reagieren Wissenschaftler, wenn sie sich bedroht fühlen. Zu Beginn jedenfalls.

Keine Lobby für die Wissenschaft

"Wir haben versucht, den Präsidenten davon zu überzeugen, wie wichtig Wissenschaft ist", sagt Rush Holt, Geschäftsführer der AAAS, im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Wir haben ihm Briefe geschickt und ihm unsere Hilfe angeboten. Wir haben ihm auch geschrieben, dass der Einreisestopp für Menschen aus den sieben genannten Ländern eine schlechte Idee ist."

USA Boston - AAAS Meeting: Brigitte Osterath im Gespräch mit Rush Holt
Rush Holt, Vorsitzender der Wissenschaftlervereinigung AAASBild: DW/H. Fuchs

Bisher zeigten diese Briefe keine Wirkung. Rush Holt ist besonders besorgt darüber, dass Donald Trump bis heute keinen Wissenschaftsberater berufen hat - einen Posten im Weißen Haus, den es seit 1941 gibt. Wissenschaftsberater unter Barack Obama war John Paul Holdren, zuvor Professor für Umweltpolitik an der Harvard-Universität. "Wir hoffen, dass wir dem Präsidenten noch klar machen können, dass ein Wissenschaftsberater ihm in Krisenzeiten helfen wird - egal, ob diese Krise ein Ölleck oder eine neu auftauchende Krankheit ist", sagt Holt.

Wissenschaft in Gefahr

Auch wenn der Widerstand der Wissenschaftler noch sehr gesittet ist, ist er dennoch geschlossen. Auf dem AAAS-Jahrestreffen scheint man sich über Eines einig zu sein: Trump ist ein potenzieller Feind für die Wissenschaft und man muss ihn gut im Auge behalten. Bei der Eröffnungsrede sagte AAAS-Präsidentin Barbara Schaal: "Wir müssen uns energisch für die Rolle der Wissenschaft einsetzen, sodass die Regierung versteht, wie wichtig Wissenschaft in unserer Gesellschaft und für unser aller Leben ist." Tosender Beifall aus dem Publikum stimmte ihr zu.

USA Boston - AAAS Meeting: Brigitte Osterath im Gespräch mit Gretchen Goldman
Gretchen Goldman, Union of Concerned ScientistsBild: DW/H. Fuchs

Für Gretchen Goldman von der Wissenschaftlervereinigung Union of Concerned Scientists ("Vereinigung besorgter Wissenschaftler") ist schon in den ersten Wochen der Trump-Präsidentschaft zu viel Besorgniserregendes passiert. Staatlich angestellte Wissenschaftler müssen alternative Social-Media-Accounts benutzen, um mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, wissenschaftliche Informationen sind plötzlich von den Regierungswebseiten verschwunden und Scott Pruitt leitet jetzt die Umweltschutzbehörde, obwohl er eben diese Behörde als Attorney General von Oklahoma, einer Mischung aus Staatsanwalt und Justizminister, viele Jahre lang immer wieder verklagt hat.

"Wir machen uns große Sorgen um die Wissenschaft unter Trump", sagt Goldman der Deutschen Welle. "Bis jetzt deutet alles darauf hin, dass der Präsident und seine Regierung Wissenschaft nicht respektieren werden - zumindest nicht die Art von Wissenschaft, wie wir sie verstehen."

Gegen alternative Fakten

Das diesjährige AAAS-Jahrestreffen steht unter dem Motto "Mit Wissenschaftspolitik der Gesellschaft dienen." Für diesen Schwerpunkt habe man sich bereits vor einem Jahr entschieden, sagt AAAS-Präsidentin Barbara Schaal, "denn wir wussten, dass die USA zu diesem Zeitpunkt in den frühen Tagen einer neuen Regierung stehen würden." Dann herrsche jedes Mal "ein Gefühl der Unsicherheit."

Mit Donald Trump als 45. US-Präsidenten ist diese Unsicherheit zu einer kleinen Panik angewachsen. "Die Arbeit, der wir Wissenschaftler uns verschrieben haben, wird zunehmend unterbewertet", sagte Christina Paxson, Präsidentin der Brown University in Providence, bei der Eröffnung und sprach damit vielen Anwesenden aus dem Herzen.

Es gehe nicht nur um fragwürdige Dekrete des Präsidenten, fügt AAAS-Geschäftsführer Rush Holt hinzu, sondern um die Auffassung von Wissenschaft in der Öffentlichkeit und in der US-Regierung insbesondere. "Wird wissenschaftliche Beweisführung noch respektiert? Oder ersetzen sogenannte alternative Fakten in Zukunft wissenschaftlich etablierte Einsichten?"

Vielleicht wird es am Sonntag etwas bunter und lauter auf dem AAAS-Treffen. Denn dann wollen sich viele Wissenschaftler einen Laborkittel überwerfen und sich zu einer "Rally" für die Wissenschaft treffen. Spätestens im April dann, beim Science March in den USA und weltweit, wird der bis jetzt so kultivierte Widerstand vermutlich etwas weniger brav ausfallen.