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Banka: "Doping-Betrüger aus dem Sport entfernen"

Peter Wozny
29. Oktober 2019

Der künftige WADA-Präsident Witold Banka spricht im DW-Interview über einen Solidaritätsfonds, der den Anti-Doping-Kampf in Afrika unterstützen soll. Zudem will der Pole künftig eng mit Geheimdiensten zusammenarbeiten.

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Kanada Witold Banka in Montreal
Bild: Getty Images/AFP/S. St-Jean

Der neue WADA-Chef

DW: Herr Banka, Sie waren selbst Leistungssportler. Denken Sie, das wird Ihnen bei der Arbeit als Vorsitzender der Welt-Anti-Doping-Agentur helfen?

Witold Banka: Ich war Sprinter und kenne die Probleme von Sportlern aus eigener Erfahrung. Das hat mir bereits in meiner Zeit als Minister für Sport und Touristik in Polen geholfen. Als Minister standen bei mir die Sportler und Trainer immer an erster Stelle. Und genauso werde ich es als Präsident der WADA handhaben. Die WADA soll den Sportlern dienen, sie wurde für Sportler geschaffen, für saubere Sportler.

Wird wollen Sie das Verhältnis der WADA zu den Athleten verbessern?

Ich möchte die Athleten stärker einbinden, ihnen die Entscheidungsprozesse innerhalb der WADA offenlegen. Wir brauchen bei wichtigen Entscheidungen bessere Absprachen mit den Sportlern. Ich werde als WADA-Präsident die Sportler persönlich treffen und direkt mit ihnen reden, mit Ihnen meine Entscheidungen diskutieren. Ich möchte den Sportlern die teilweise sehr komplizierte Anti-Doping-Politik erläutern und nach Verständigung und Kompromissen suchen. Ich habe zwar meine eigene Karriere vor ein paar Jahren beendet, fühle mich aber immer noch als Sportler.

Sie sagen, dass sie sich noch selbst als Sportler fühlen und die Probleme und Fragen nachvollziehen können. Inwiefern sind denn Sie selbst als Sportler mit dem Thema "Doping" konfrontiert worden? Hätten Sie gewusst, woher Sie Dopingmittel beziehen können oder wurde Ihnen mal etwas angeboten? 

Schon als aktiver Sportler habe ich mich immer vor Doping geekelt. Aber für mich kam es nicht infrage, ich habe mich auch nie wirklich aktiv damit beschäftigt. Ich wusste nur, dass ich vorsichtig sein musste, bei allem, was ich zu mir nehme. Jeder Sportler muss wissen, dass zum Beispiel bereits in Grippemedizin verbotene Substanzen enthalten sein könnten. Dieses Wissen ist nicht überall vorhanden und wir müssen dafür sorgen, dass alle Sportler über die Gefahren aufgeklärt und auf dem Laufenden gehalten werden. Sie müssen darüber aufgeklärt werden, welche Folgen Doping nach sich ziehen kann und dass der saubere Sport der wichtigste Wert für uns ist.

Welche Erfolge können Sie als Minister im Anti-Dopingkampf vorweisen?

Labor der Anti-Doping Agentur POLADA
Labor der polnischen Anti-Doping-Agentur PoladaBild: picture-alliance/PAP/B.Zborowski

Was ich in Polen im Anti-Dopingkampf erreicht habe, war entscheidend für meine Wahl zum Präsidenten der WADA. Als ich 2015 ins Amt kam, wichen unsere Antidoping-Vorschriften erheblich von den WADA-Standards ab. Ich habe viele Vorschriften geändert und in Einklang mit dem WADA-Code gebracht. Außerdem habe ich ein Anti-Doping-Gesetz auf den Weg gebracht, das heute zu den sehr gut funktionierenden Gesetzen in der Welt zählt. Ich habe das Budget für den Kampf gegen Doping erheblich erhöht. Die polnische Anti-Doping-Agentur Polada verfügt heute über die modernste Technik und ein eigenes Ermittlungsressort. Sie gehört weltweit zu den führenden Anti-Doping-Agenturen, was die Anzahl der Kontrollen und den eigenen Handlungsspielraum betrifft. Wir sind im Anti-Doping-Kampf heute Vorbild für andere Länder. Wir haben zum Beispiel Aserbaidschan geholfen, seinen Anti-Dopingkampf neu aufzustellen. Und auch die Ukraine haben wir beraten. Das habe ich in meiner relativ kurzen Zeit als Minister erreicht.

Welche Ziele verfolgen Sie nun als WADA-Präsident?

Es gibt sehr viele Ziele. Aber zuerst müssen wir die weißen Flecken auf der Landkarte des Anti-Doping-Kampfes auslöschen. Das weltweite Anti-Doping-Netzwerk ist noch nicht dicht genug. Es gibt immer noch Länder ohne Anti-Doping-Politik oder Kontrollen. In Afrika wird noch viel zu wenig kontrolliert. Für den ganzen Kontinent gibt es nur ein einziges Labor, das von der WADA akkreditiert ist. Alle Länder müssen ihre Proben nach Südafrika oder gleich auf einen anderen Kontinent schicken. Das kostet viel Geld und das ist ein großes Problem, das die WADA möglichst schnell lösen muss.

Lässt sich dieser Mangel an Kontrollen auch sportlich messen?

Bei den Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio kamen etwa zehn Prozent aller Medaillengewinner aus Ländern, die überhaupt keine oder nur eine sehr schwache Anti-Doping-Politik verfolgen.

Die Einrichtung von Dopinglaboren und das Aufstocken der Kontrollen kostet viel Geld, woher soll das Geld kommen?

Das ist eine sehr gute Frage. Das Problem der WADA und generell der Anti-Doping-Politik ist ein sehr kleines Budget. Wir sprechen da von 35 bis 40 Millionen Dollar im Jahr. Das ist fast schon lächerlich, schaut man auf die Herausforderungen im Anti-Doping-Kampf. Wenn die WADA effektiver handeln soll, dann muss dieses Budget deutlich erhöht werden. Daher strebe ich die Gründung eines Solidaritätsfonds an, in den unter anderem die großen Sponsoren einzahlen. Er könnte die Aktivitäten der WADA stärken und helfen, mehr Kontrollen durchzuführen und neue akkreditierte Labore aufzubauen, speziell in Afrika. Dabei ist natürlich die Qualität der Untersuchungen sehr wichtig, aber auch die Quantität spielt eine Rolle. Jede Ungenauigkeit bei einer Untersuchung kann dazu führen, dass die Ergebnisse angezweifelt werden. Daher müssen die Labore auch den höchsten Standards entsprechen.

Für wie realistisch halten Sie es, dass die Sponsoren es akzeptieren, wenn zum Beispiel ein Prozent ihrer Sponsorengelder in den Kampf gegen Doping gesteckt werden?

Ich werde viele Gespräche führen und dabei viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Aber: Wenn du Sportsponsor sein willst und Wert auf eine soziale Verantwortung deines Unternehmens legst, dann willst du, dass die Sportler die du unterstützt, sauber sind.

Das klingt fast wie eine Bedingung.

Es klingt nach Verantwortung im Sportsponsoring. Es geht aber nicht darum, auf jemanden Druck auszuüben. Wir müssen vielmehr das Business davon überzeugen, dass Sport eine unglaublich schöne Lebensart ist, die wir verteidigen müssen. Vielleicht ist Sport der einzige gemeinsame Wert, der uns noch auf der Welt geblieben ist. Ein Wert, der imstande ist, eine Gemeinschaft zu bilden. Sport kann Kinder und Jugendliche zu Toleranz und Respekt gegenüber anderen Menschen erziehen. Vielleicht ist Sport der beste Lehrer für Kinder und Jugendliche - aber nur der saubere Sport.

Doping Urinproben
Dank eines neuen Solidaritätsfonds möchte Witold Banka den Anti-Doping-Kampf effektiver machenBild: picture-alliance/dpa

Eine besondere Form des Sportsponsorings war das Oregon Projekt von Nike, die internationale Elite-Laufgruppe, der unter anderem die deutsche Läuferin Konstanze Klosterhalten angehörte. Das Projekt wurde im Oktober eingestellt, nachdem der Cheftrainer Alberto Salazar wegen Dopingvergehen gesperrt wurde. War das ein klassisches Negativbeispiel für Sportsponsoring? Möglicherweise hat Nike ja von bestimmten Vorgängen gewusst. Wie beurteilen Sie den Fall? 

Ich möchte mich nicht zu Nike als Unternehmen äußern und es wäre auch nicht gut, wenn ich mich überhaupt zu einem Unternehmen äußern würde.

Würden Sie sponsorengelenkte Teams wie das Oregon-Project denn generell befürworten, trotz der Gefahr, dass aufgrund kommerzieller Interessen möglicherweise in Grenzbereichen experimentiert wird?

Ich befürworte sauberen Sport. Die Sportlern sollten ein optimales Trainingsumfeld haben, aber nur unter der Einhaltung der Grundsätze des sauberen Sports.

Wie sehr kann Ihnen als WADA-Präsident ihre politische Vergangenheit helfen?

Die WADA ist nicht nur eine Sportorganisation. Sie ist auch eine Organisation von geopolitischer Bedeutung. Diese Präsidentschaft wird keine ruhige Bootsfahrt, sondern eine Reise durch schweren Seegang mit Blitz und Donner. Aber mir ist bewusst, dass Sport vielleicht der letzte Wert ist, der imstande ist, uns zu vereinen. Ich werde alles tun, um den sauberen Sport zu schützen und jeden Betrüger ausnahmslos aus dem Sport rauswerfen. Jeder, der dopt, ist ein Betrüger, und Betrüger müssen wir aus dem Sport entfernen. Leider sind die Doper sehr innovativ. Wir müssen viel innovativer werden, um ihnen auf der Spur zu bleiben.

Dafür brauchen wir neue, bessere Methoden und einen größeren finanziellen Spielraum. Und wir müssen die Zusammenarbeit mit professionellen Ermittlern intensivieren. Ein gutes Beispiel einer effektiven Zusammenarbeit zwischen WADA und professionellen Ermittlern ist die Operation Viribus. Da hat die WADA hervorragend mit Europol kooperiert und viele illegale Laboratorien, in denen Steroide produziert wurden, gesperrt und dabei große Mengen von Dopingsubstanzen beschlagnahmt. Genauso bei der Operation Aderlass: Hier konnten dank der Kooperation zwischen deutschen und österreichischen Ermittlern Sportler auf frischer Tat ertappt werden. Das ist die Zukunft der WADA. Hier wird mir meine politische Erfahrung helfen, meine Fähigkeit Brücken zu bauen, Kompromisse zu schließen, aber auch die Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen.

Sie wollen also die Zusammenarbeit mit Europol und anderen Behörden oder Geheimdiensten intensivieren?

Ganz klar ja! Das ist die Zukunft der Anti-Doping-Politik. Der Kampf gegen Doping findet nicht mehr nur im Labor statt. Ohne eine Zusammenarbeit mit den Ermittlern sind wir nicht im Stande effektiv Doping zu bekämpfen.

Von ihrem Vorgänger erben Sie das Russland-Problem und die Entscheidung darüber, wie mit der RUSADA und dem russischen Sport künftig umgegangen wird. Als Pole haben Sie wahrscheinlich ein anderes, ein angespannteres Verhältnis zu Russland, als der Schotte Craig Reedie. Werden Sie als Pole ein Rezept finden, wie man mit Russland umgeht?

Ich muss meine zukünftige Rolle verantwortungsvoll angehen. Doping hat keine nationalen Farben und unabhängig davon, ob wir einen Betrüger aus Polen, Russland oder den USA haben, müssen wir alles tun, um ihn aus dem Sport auszuschließen. Meine Haltung dazu ist streng. Es wird keine Toleranz gegenüber Manipulationen, Lügen oder Betrug durch Sportler geben. Und keine Toleranz gegenüber Staaten oder Organisationen, die betrügen. Wenn noch einmal eine Situation, wie im russischen Dopingskandal eintritt, werden wir konsequent reagieren ganz unabhängig davon, welches Land betroffen ist. Was Russland betrifft, warten wir auf den Abschlussbericht unserer Experten und die Empfehlung des WADA-Compliance-Komitees. Sollten die Experten nachgewiesen haben, dass Russland seine Daten manipuliert hat, werden die Entscheidungen hart sein. Aber bitte warten Sie auf den Abschlussbericht. Erst dann werde ich mich dazu äußern.

Was wäre denn im Fall Russland eine harte Entscheidung?

Hören Sie, ich bin noch nicht der Präsident der WADA. Ich akzeptiere die Autonomie der Experten und des Compliance Review Committee der WADA (CRC). Werden allerdings Manipulationen auf der russischen Seite nachgewiesen, so liegt die Konsequenz auf der Hand.

Und welche wäre das konkret?

Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, etwas beeinflussen zu wollen. Heute ist WADA viel besser ausgestattet, was eventuelle Sanktionen betrifft. Wenn Manipulationen nachgewiesen werden, dann sollten die Entscheidungen konsequent und streng sein gegenüber Russland. Aber warten Sie bitte erst einmal die Ergebnisse und Empfehlungen der Experten ab.

Sind sie russischen Sportlern misstrauischer gegenüber Sportlern aus anderen Ländern?

Wir sind uns bewusst, dass der Skandal von Sotschi ein natürliches Misstrauen erweckt. Aber auch hier muss man sich an die Regeln halten: Man braucht harte Beweise.

Spanien IOC-Vizepräsident Craig Reedie in Madrid
Seit 2014 WADA-Vorsitzender: der Schotte Craig ReedieBild: picture-alliance/dpa/J. C. Hidalgo

Was muss denn eigentlich noch passieren, damit die WADA härter gegen Russland vorgeht?

Der Katalog der potentiellen Sanktionen, die uns heute zur Verfügung stehen, ist sehr viel länger, als nach dem Skandal von Sotschi. Die WADA hatte damals weniger formelle und rechtliche Möglichkeiten, um entsprechend zu reagieren. Mittlerweile ist ein solches Szenario präzise geregelt. Aber man muss jeden Fall mit Geduld und Ruhe angehen und der WADA die Zeit geben, jede Situation genau zu analysieren.

Sie bezeichnen sich selbst als Team Player wer wird in Ihrem Team sein?

Es gibt sehr viele Experten in der WADA, sehr viele Menschen, denen der saubere Sport am Herzen liegt. Ich bin noch nicht Chef der WADA. Formel werde ich es ab dem 1. Januar 2020. Dann erst werde ich meine Erklärung abgeben, wie ich die Zukunft der WADA konkret gestalten werde. Wenn es also um Personalfragen geht bitte ich noch um etwas Geduld.

Verglichen mit ihrem Vorgänger Craig Reedie, was werden Sie anders machen als WADA-Präsident?

Für mich ist Kommunikation sehr wichtig. Nicht nur mit den Sportlern, sondern vor allem mit den Medien. Wir müssen unsere Politik besser erklären. Ich möchte offener zu den Medien und zu den Athleten sein. Ich möchte diskutieren und meine Ansichten teilen.

Wie beurteilen Sie den Anti-Doping-Kampf der in Deutschland geführt wird?

Deutschland ist eines der Länder mit einer führenden Rolle in der Anti-Doping-Politik, sowohl wenn es um rechtliche Regelungen geht, die sehr streng sind, aber auch was die Anzahl der Kontrollen angeht. Wir Polen haben in der Vergangenheit im Kampf gegen Doping eng mit den Deutschen kooperiert. Auch die Zusammenarbeit zwischen unseren Ministerien in der Anti-Doping-Politik war sehr eng. Ich hoffe auf auch als WADA-Präsident auf eine so gute Zusammenarbeit mit der deutschen Regierung.

Witold Banka wird ab November neuer Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. Er ist ein polnischer Politiker und ehemaliger Sprinter, der sich auf den 400-Meter-Lauf spezialisierte. Bei den Leichtathletik-U-23-Europameisterschaften 2005 und bei der Universidade 2007 gewann er mit dem polnischen Team Gold. Bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2007 war er im Vorlauf Teil der polnischen Stafette, die schließlich die Bronzemedaille errang. 2009 folgte Silber mit der polnischen Mannschaft bei der Universiade. 2012 beendete er seine Sportlaufbahn, drei Jahre später wurde der parteilose Banka zum Minister für Sport und Tourismus ernannt. Seit April 2016 ist er Mitglied der Regierungspartei PiS. 

Das Interview führten Peter Wozny und Magdalena Gwozdz-Pallokat