1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Vorschau FIFA-WM-Vergabe

2. Dezember 2010

Die Weltmeisterschaft in Südafrika ist Geschichte, und 2014 rollt der WM-Ball in Brasilien. Doch was folgt dann? Am Donnerstag entscheidet die FIFA über die Endrunden 2018 und 2022. Beworben haben sich elf Länder.

https://p.dw.com/p/QFED
WM-Pokal (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/augenklick
FIFA-Präsident Blatter gestikuliert (Foto: AP)
WM-Herr Joseph BlatterBild: AP

Zum ersten Mal in seiner Geschichte wird der Fußball-Weltverband FIFA zwei Weltmeisterschaften auf einmal vergeben. Das Exekutivkomitee wählt am Donnerstag (02.12.2010) in Zürich die Gastgeber für die WM 2018 und für die Endrunde vier Jahre später. FIFA-Präsident Joseph Blatter will dadurch den Ausrichterländern eine längere Vorbereitungszeit ermöglichen und hofft auf höhere Einnahmen in den Bereichen TV- und Werberechte. Kandidaten für 2018 sind England, Russland, Spanien/Portugal und Belgien/Niederlande. Für 2022 bewerben sich die USA, Australien, Katar, Südkorea und Japan. Die Bewerbungsphase wurde von Streitereien zwischen einzelnen Kandidaten überschattet. Die geheime Wahl steht auch unter dem Eindruck von Korruptionsvorwürfen gegen die Exekutivmitglieder Amos Amadu aus Nigeria und Reynald Temarii aus Tahiti. Beide wurden wegen des Verdachts der Bestechlichkeit suspendiert. Neue Bestechungsvorwürfe gegen drei weitere Exekutivmitglieder bezeichnete die FIFA mittlerweile als gegenstandslos. Das Exekutivkomitee, die sogenannte Weltregierung des Fußballs, hat 24 Mitglieder, darunter ist bis 2011 auch Franz Beckenbauer. An der Wahl werden nun nur noch 22 Gremiumsmitglieder teilnehmen.

WM 2018 in Europa

Eins ist bereits klar, die Weltmeisterschaft 2018 wird zwölf Jahre nach dem "Sommermärchen" in Deutschland wieder in Europa stattfinden. Die USA hatten ihre Bewerbung für diese Endrunde im Oktober zurückgezogen. Übrig blieben nur noch europäische Kandidaten. Als Favoriten werden England und Russland gehandelt. England war bereits 1966 WM- sowie 1996 EM-Gastgeber. Russland hat noch nie ein großes Turnier veranstaltet, ist aber Ausrichter der Olympischen Winterspiele 2014. In England finden die Sommerspiele 2012 statt.

Fußballverrücktes England

Die Engländer hoffen als "Mutterland des Fußballs" auf die zweite Endrunde nach dem Heimtriumph 1966. Im Finale besiegten sie damals Deutschland mit 4:2 nach Verlängerung. Unvergessen: Das Wembleytor, der umstrittene Treffer von Geoffrey Hurst zum 3:2. Die englische Nationalmannschaft ist seitdem ohne Titel geblieben, die Fußballbegeisterung im Land ist aber ungebrochen. Vize-Premierminister Nick Clegg betonte die Leidenschaft im fußballverrückten England und sagte: "Ich denke, dies ist eine besonders starke, unschlagbare Bewerbung." Englands Cheforganisator für die Kandidatur, Andy Anson, versprach die "spektakulärste und erfolgreichste Weltmeisterschaft aller Zeiten".

Ein englischer Fußball-Fan mit dem WM-Pokal (Foto: AP)
Das "Mutterland des Fußballs" setzt bei seiner WM-Bewerbung auch auf die Leidenschaft der FansBild: AP

Das Bewerbungskomitee hob vor allem die einmalige Stimmung in den Stadien hervor: Ein Fußballspiel in England zu besuchen, sei ein unvergessliches Erlebnis. Zufrieden waren auch die FIFA-Inspektoren. Viele Aspekte der englischen Bewerbung seien "perfekt", stellte der Chilene Harold Mayne-Nicholls fest. Lediglich in Sachen Übernachtungskapazitäten gebe es Nachholbedarf. Als Hindernis könnte sich aber das traditionsreiche Tennis-Turnier in Wimbledon erweisen. In ihrem Bericht monierten die FIFA-Inspektoren die Gefahr einer nicht erlaubten Terminkollision der WM-Endrunde mit dem wichtigsten Tennis-Turnier der Welt in der Zeit von Ende Juni bis Anfang Juli. Die FIFA gibt vor, dass während einer WM keine andere große Sportveranstaltung in einem Spielort stattfindet.

Vorbild "Sommermärchen"

Russland sieht sich als echte Alternative zu den Stärken des britischen Konkurrenten. "Wir wollen das neue, das moderne Russland präsentieren", sagte Sportminister Witali Mutko. "Wir wollen auch versuchen, möglicherweise bestehende Urteile über Russland und die dort lebenden Menschen ins Positive zu wenden. Wir sind ein Land mit vielen Gesichtern." Vorbild ist Deutschland. Mutko betonte, dass ihm die Leichtigkeit der deutschen Bewerbung und erst recht das Sommermärchen 2006 sehr gefallen hätten. Allerdings steht Russland noch vor großen Herausforderungen hinsichtlich der Infrastruktur. Unter anderem müssen bis zu zehn Stadien neu gebaut werden. Als nachteilig könnten sich in diesem Zusammenhang die negativen Erfahrungen der Europäischen Fußball-Union (UEFA) mit dem russischen Nachbarstaat Ukraine erweisen. Das Land richtet zusammen mit Polen die EURO 2012 aus und hatte beim Stadionbau erhebliche Schwierigkeiten.

"Beste Stadion-Infrastruktur"

Blick auf das Santiago-Bernabeu-Stadion in Madrid (Foto: AP)
Fußball-Kathedrale in Madrid: Das Bernabeu-StadionBild: AP

Eigentlich wollte die FIFA keine Weltmeisterschaft mehr in zwei Ländern austragen - wegen der hohen Kosten für die WM 2002 in Südkorea und Japan. Dieses Ansinnen wurde wieder verworfen, so dass sich Spanien und Portugal Hoffnungen auf die Gastgeberrolle für 2018 machen können. Die beiden Nachbarländer bewerben sich zum ersten Mal gemeinsam um ein großes Fußball-Turnier. "Wir können mit absoluter Gewissheit sagen, dass die iberische Kandidatur mehr ist als nur ein fußballerischer Wunschtraum" erklärte Mayne-Nicholls nach der FIFA-Inspektion. Während im Land des Welt- und Europameisters Spanien bereits 1982 eine WM stattfand, war Portugal Ausrichter der EURO 2004. "Die Inspektoren waren entzückt", versicherte der Geschäftsführer des portugiesischen Traditionsclubs Benfica Lissabon, Domingos Soares de Oliveira, nach dem Besuch im Luz-Stadion. Man habe "eine der besten, wenn nicht die beste Stadion-Infrastruktur Europas" präsentieren können, sagte er. In Sachen Stimmung wollen die beiden Bewerber "die beste und fröhlichste WM der bisherigen Turnier-Geschichte ausrichten."

Grüne WM

Das belgische und niederländische WM-Bewerbungskomitee mit Fahrrädern (Foto: dpa)
Fahrräder als Transportmittel?Bild: picture alliance / dpa

Gemeinsame Bewerber für 2018 sind auch Belgien und die Niederlande. Beide Länder haben schon Erfahrungen als EM-Gastgeber. 1972 wurde die Europameisterschaft in Belgien ausgetragen, im Jahr 2000 richteten die beiden Benelux-Länder die EM-Endrunde gemeinsam aus. Ruud Gullit, Ex-Nationalspieler und Präsident des niederländischen Bewerbungskomitees, versprach vor allem "eine grüne WM". So würden zwei Millionen Fahrräder für die Zuschauer zur Verfügung stehen. "Die Fans können auch kostenlos Zug oder Bus fahren", kündigte Gullit an. Ein weiterer Vorteil: Die geringe Entfernung zwischen den Austragungsstätten und die gute Infrastruktur der beiden Länder.

2022: USA oder Australien?

Auf den Zuschlag für die WM 2022 dürfen vor allem die USA und Australien hoffen. Die Australier waren zwar schon zweimal Olympia-Gastgeber mit den Winterspielen 1956 in Melbourne und den Sommerspielen 2000 in Sydney, haben aber noch nie eine Fußball-WM ausgerichtet. Seit der WM 2006 in Deutschland, als die "Aussies" erst im Achtelfinale unglücklich gegen Italien ausschieden, boomt Fußball in Down Under. "Die Stabilität Australiens sowohl politisch als auch wirtschaftlich ist international ein wichtiger Faktor", sagte Sportministerin Kate Ellis.

In den USA verspricht die Bewerbungskommission im Falle einer WM-Vergabe einen neuen Zuschauerrekord. Die 3,6 Millionen Fans, die 1994 zu der bislang einzigen WM in den USA kamen, sind bis heute ein Spitzenwert. "Die FIFA weiß, dass wir das können, wir haben es schon einmal gut gemacht - und wir können das noch mal machen", versicherte Sunil Gulati, Präsident des US-Fußballverbandes.

WM-Gastgeber von 2002 diesmal solo

Das offizielle Emblem der FIFA-WM 2002 in Japan und Südkorea
2002 gingen Japan und Südkorea einen gemeinsamen Weg

Vor acht Jahren haben Südkorea und Japan gemeinsam die WM-Endrunde ausgerichtet. Die deutsche Mannschaft schaffte damals unerwartet den Sprung ins Finale, scheiterte dann aber in Yokohama an Brasilien (0:2). Nun wollen die beiden asiatischen Länder unabhängig voneinander die WM 2022 ausrichten. "Diese Kandidatur ist sehr ausgewogen. Sie vereint Fußball-Tradition mit modernen Stadien, neuen Technologien und engagierten Umweltprojekten", sagte Mayne-Nicholls nach der FIFA-Inspektion Japans. Besonderen Eindruck hinterließ das Projekt "Universal Fan Fest". Sämtliche WM-Begegnungen sollen auf 3D-Leinwänden in 400 Stadien auf der ganzen Welt live übertragen werden und so den Fans ein realistisches Stadionerlebnis ermöglichen. Dennoch werden der Bewerbung Japans nur Außenseiterchancen eingeräumt. Das gilt auch für Südkorea. Angesichts der Spannungen mit Nordkorea gibt es vor allem Sicherheitsbedenken. Bei der WM 2002 im eigenen Land waren die Südkoreaner überraschend erst im Halbfinale nach einem 0:1 gegen Deutschland ausgeschieden.

Außenseiter Katar

Eher schlechte Karten im Rennen um die WM 2022 dürfte der Wüstenstaat Katar haben. "Der Golfstaat sei einfach zu klein", ließ FIFA-Insepktor Mayne-Nicholls verlauten. "Ein ähnlich kompaktes Konzept gab es zuletzt 1930 in Uruguay. Damals hatten wir allerdings nur 13 Teilnehmer, heute sind es 32", sagte der Chilene. Schlechte Noten gab es für die noch fehlenden Unterkünfte und das Transportsystem. Auch fehlen noch WM-taugliche Stadien. Auf offizieller Seite gibt es weiterhin Hoffnung. "Wir glauben fest daran, dass unsere Zeit gekommen ist. Wir möchten der Welt beweisen, dass der Mittlere Osten genau wie Südafrika in der Lage ist, das größte Turnier der Welt auszurichten", sagte Mohammed bin Hammad bin Khalifa Al Thani, Mitglied der königlichen Familie und Chef der Bewerbungskommission. Dabei wirbt Katar mit einer WM der kurzen Wege im 11.437 Quadratkilometer kleinen Land am Persischen Golf. Die große Hitze mit bis zu 50 Grad Celsius will der WM-Kandidat in den klimatisierten Stadien auf 27 Grad herabkühlen.

Autor: Arnulf Boettcher

Redaktion: Wolfgang van Kann