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Die Kehrseite der WM

2. Juni 2010

Eine fröhliche und ausgelassene Fußball-Weltmeisterschaft wird es in Südafrika längst nicht für jeden geben. Denn Menschenhandel, Aids und Prostitution werfen ihre Schatten über das Fußball-Ereignis des Jahres.

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Ordensschwester Melanie O’Connor (Foto: Katrin Gänsler)
Bild: DW

Schwester Melanie O'Connor sitzt in ihrem Büro. Die irische Ordensschwester arbeitet für die katholische Bischofskonferenz in Südafrika und kümmert sich ausschließlich um das bislang gerne ignorierte Thema Menschenhandel. Wie düster und grausam es ist, machen ihre Plakate deutlich: Auf dem einen sitzt ein verzweifeltes Mädchen auf einem riesigen Fußball. Und auf einem anderen Poster streckt ein ernst blickender Schiedsrichter dem Handel mit Menschen die rote Karte entgegen. Prostitution ist dabei jedoch nur ein Aspekt. “Die Opfer können auch zum Betteln oder zur Arbeit in Privathaushalten gezwungen werden“, erklärt sie.

Opfer werden mit Drogen vollgepumpt

Überall im Nachbarland Botswana machen Plakate auf Aids aufmerksam. In Südafrika fehlen sie oft. (Foto: Katrin Gänsler)
Im Nachbarland Botswana machen Plakate auf Aids aufmerksamBild: DW

Und gerade dafür scheint kurz vor und während der Weltmeisterschaft die Nachfrage besonders groß zu sein. Seit Monaten betreut die Ordensschwester deshalb eine landesweite Kampagne und organisiert Workshops, um ein Bewusstsein für die Menschenrechtsverletzung zu schaffen. Spurlos geht das auch an ihr nicht vorbei. Vielmehr ist sie immer wieder geschockt, mit welchen perfiden Mitteln Menschenhändler arbeiten. “Sie entführen ihre Opfer, geben ihnen Drogen und zwingen sie auch zur Prostitution.“ Irgendwann würden sie zwar wieder freigelassen: “Aber nur, wenn sie selbst ein neues Opfer bringen“, sagt sie.

Wird Prostitution während der Weltmeisterschaft legal?

Als menschenverachtend beurteilt sie aber auch generell Prostitution, die seit Monaten im ganzen Land heiß diskutiert wird. Unlängst haben sogar Politiker gefordert, dass das älteste Gewerbe der Welt während der Fußballballweltmeisterschaft in einigen Gegenden legalisiert wird. Schwester Melanie kann dabei nur mit dem Kopf schütteln. Aus ihrer Sicht hilft dieser Schritt niemandem und schon gar nicht den Sexarbeiterinnen selbst. “Aber Prostitution ist doch Realität, vor der wir nicht weglaufen können“, macht indes Junaid Seedat deutlich. Er arbeitet für das South Africa National Aids Council (SANAC) und ist für Medienarbeit und spezielle Kampagnen zuständig. Gemeinsam mit anderen Organisationen hat er sogar einen Antrag gestellt, dass Prostitution in den vier WM-Wochen straffrei ist. Eine Antwort steht aber noch aus. Für ihn sei das der einzig richtige Weg. “Es wird ohnehin passieren.“

Nachhaltigkeit und Bewusstseinsbildung sind für das nationale Aids-Council wichtiger als schnelle WM-Kampagnen (Foto: Katrin Gänsler)
Vor allem Nachhaltigkeit ist für das Aids-Council wichtigBild: DW

Immer mit Prostitution in Verbindung gebracht wird aber auch die Aids-Epidemie. Seit Jahren kämpft das Land mit den rund 47 Millionen Einwohnern ziemlich hoffnungslos gegen hohe Infektionsraten. Wie viele Menschen infiziert sind, weiß niemand genau. Einige Statistiken sprechen von knapp sechs Millionen, andere von mehr als 15 Millionen. Um darüber aufzuklären, hat SANAC bereits lange vor Anpfiff mit vielen der Gastländer zusammen gearbeitet. Vorbildlich seien die Briten, die spezielle Broschüren entwickelt haben und auf mögliche Risiken inklusive HIV-Infektion hinweisen. Trotzdem ist für Junaid Seedat jeder Besucher selbst in der Verantwortung: “Wichtig ist einfach, dass Kondome genutzt werden und niemand ungeschützten Sex hat. Darauf achtet man doch in seiner Heimat auch.“

Keine kostenlosen Kondome am Flughafen

Ohnehin setzt Junaid Seedat lieber auf nachhaltige Arbeit und keine plakativen WM-Kampagnen. Und auch von dem Vorschlag, bereits am Flughafen kostenlos Kondome zu verteilen, hält er nichts. “Wir wollen nicht sagen: Steckt Euren ganzen Körper in ein Kondom, weil wir in Südafrika sind und wir HIV haben."

Autor: Katrin Gänsler
Redaktion: Arnulf Boettcher