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Wo ist Deutschlands Silicon Valley?

Sabine Kinkartz7. November 2012

München und Berlin sind die deutschen Gründungszentren für IT-Unternehmen. Es sind aber nicht nur junge Computerfreaks, die jährlich 8000 neue Startups in Deutschland gründen.

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Wann wurde das Bild gemacht?: 2011 Wo wurde das Bild aufgenommen?: Berlin UPCload is a new Berlin startup that helps people measures clothes more accurately online I authorize DW to publish these photos. Tom Phillipson - doe@tokyo2064.com
Startup UPCloadBild: Tom Phillipson

Ob Pullover, Hose oder T-Shirt, immer mehr Menschen kaufen ihre Kleidung im Internet. Was nicht gefällt oder nicht passt, wird auf Kosten des Händlers zurückgeschickt. In Deutschland werden durchschnittlich 40 Prozent der Ware retourniert. Ob und wie man das ändern könnte, darüber grübelte Sebastian Schulze, Gründer und Geschäftsführer des IT-Unternehmens UPcload , schon während seines Wirtschaftsstudiums.

"Dann sind wir irgendwann darauf gekommen, dass es doch ganz cool wäre, wenn man die Körpermaße einer Person mit einer Web-Cam erfassen könnte", erzählt Schulze. Sein Unternehmen könne das größte Problem im Onlinehandel lösen, "nämlich dass Menschen, die online Kleidung kaufen möchten, nicht wissen, was ihre passende Größe ist."

Nie wirklich gearbeitet

Schulze war 22 Jahre alt, als er 2010 mit einem Partner Asaf Moses in Berlin sein Unternehmen gründete. Sein Studium an der Humboldt-Universität hatte er gerade beendet, Berufserfahrung hatte er keine. "Ich habe nie wirklich gearbeitet", sagt Schulze. Er habe während seines Studiums drei Praktika im Investmentbanking, im Consulting und in der Wirtschaftsprüfung gemacht. "Danach habe ich gedacht, dass ich das auf keinen Fall machen will, sondern lieber in der ersten Reihe stehen und Verantwortung tragen will: wenn ich schon viel arbeite, dann für eine eigene Sache."

Sebastian Schulze, Gründer und Geschäftsführer des IT-Unternehmens UPcload. (Quelle: Bitkom
Sebastian Schulze, der Gründer von UPcload.Bild: Bitkom/Daniela Stanek

München und Berlin vor Frankfurt und Hamburg

Mehr als 8000 Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnik (ITK) wurden allein im vergangenen Jahr gegründet. Die meisten davon - bezogen auf die Einwohnerzahl - in den Großraumregionen München und Berlin. Das geht aus einer Studie hervor, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, der Deutschen Telekom und des  Branchenverbandes Bitkom durchgeführt hat. Auf Platz drei der "Gründungslandkarte" für Deutschland folgen das Rhein-Main-Gebiet mit Frankfurt sowie die Hansestadt Hamburg.

Für Bitkom-Präsident Dieter Kempf ist es kein Zufall, dass sich gerade in den Ballungsgebieten so viele IT-Startups finden. In Deutschland fehle ein "Silicon Valley". Wo es in den Metropolregionen eigene ITK-Cluster gebe, würden sich diese Cluster um eine Kolonie- oder Campussituation bemühen. "Die Campusatmosphäre macht es deutlich einfacher, eine Art Maklerplattform zwischen Gründerszene und Finanzierungsszene zu finden. Die treffen sich beim Burger-Essen, die treffen sich mit dem Kaffeebecher in der Hand."

Dieter Kempf, Präsident des IT-Branchenverbandes Bitkom (Quelle: Bitkom)
Dieter KempfBild: Bitkom/Daniela Stanek

Wachsender Finanzbedarf

Vor allem in Berlin tut sich in dieser Beziehung einiges. Mehr Fördermittel und Kapital kämen in die Stadt, man spüre eine große Euphorie, sagt UPcload-Gründer Schulze. Die Finanzierung ist neben der brillanten Idee der wichtigste Punkt für ein junges Unternehmen. Was in den USA häufig passiert, dass nämlich ein reicher Nachbar dem Gründer von nebenan Geld leiht, weil ihm dessen Geschäftsidee gefällt, gibt es in Deutschland nicht. Auch die institutionelle Risikokapitalfinanzierung steckt noch in den Kinderschuhen. In den ersten vier Jahren fließen durchschnittlich 700.000 Euro in ein IT-Startup.

Während es im Gründungsjahr selbst nur rund 70.000 Euro sind, wächst der Finanzbedarf in den folgenden Jahren kräftig. Aus dem Cashflow, also den Umsatzerlösen der ersten Jahre, werde abgezweigt, was man selbst zum Leben brauche und der Rest werde wieder ins Unternehmen gesteckt, sagt Bitkom-Präsident Kempf. Das sei aus Sicht der Branche auch einer der wesentlichen Gründe dafür, dass deutsche ITK-Gründungsunternehmen deutlich langsamer wachse als amerikanische Gründungsunternehmen. "Dieses Beschleunigen des Wachstums geht natürlich, wenn ich auf Selbstfinanzierung angewiesen bin, bei Weitem nicht so schnell."

Nicht nur junge Computer-Nerds gründen

Neben bereits bekannten Punkten offenbart die Studie über die IT-Statups auch Überraschendes. So wird beispielsweise das Vorurteil, Unternehmen seien in der schnelllebigen Internet-Branche rasch gegründet, aber ebenso rasch wieder verschwunden, widerlegt. Nach fünf Jahren sind der Studie zufolge immer noch 60 Prozent der IT-Startups am Markt aktiv.

Auch die Annahme, IT-Unternehmer kämen in der Regel frisch aus dem Studium, stimmt so nicht. Nur jeder zweite Gründer hat einen Universitätsabschluss und er ist im Durchschnitt 38 Jahre alt. Durchschnittlich elf Jahre Branchenerfahrung und durchschnittlich siebzehn Jahre Berufserfahrung, diese beiden Details würden eher für die These sprechen, "dass insbesondere jene Gründer, die älter als 45 Jahre sind oder zwischen 36 und 45 Jahre als sind, schon aus einem gesicherten, einem etablierten Angestelltenleben in der Branche heraus ihr Unternehmen gründen", erklärt Kempf.

Wachstum hat Priorität

Auf Sebastian Schulze trifft das zwar nicht zu, dafür erfüllt er in vielen anderen Punkten das Klischee. Vor allem, wenn es um die Gewinnerwartungen seiner Firma geht. Mit Otto.de hat sich upcload zwar bereits einen großen Fisch im E-Commerce an Land gezogen und Schulze verrät, dass sein Unternehmen auch mit Ebay und Zalando im Gespräch sei. Gewinn macht das Startup dafür aber noch lange nicht. Profitabel zu sein, so sagt Schulze, sei in den ersten Jahren auch gar nicht relevant.