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Wo laufen sie denn?

18. August 2012

Von Pfarrer Gerhard Engelsberger, Dielheim

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Sie kennen diesen wunderbaren Sketch von Loriot bei einem Pferderennen: "Ja, wo laufen sie denn?" - "Ach ist der Rasen so grün!"

Stadtläufe und Volksläufe schießen wie die Pilze aus dem Boden. Geh-, Lauf- und Stehversuche zwischen "Dabeisein ist alles" und "The winner takes it all".

Es gab einen großartigen griechischen Sportler zur Zeit der antiken Olympischen Spiele. Der hieß Kleomedes und stammte aus Astypalaia. Der gewann bei allen möglichen Wettkämpfen, in Delphi, in Isthmia, in Nemea. Nur nicht in Olympia.

Aus Verzweiflung, weil er nie bei den Olympischen Spielen gewann, wurde er wahnsinnig. In diesem Wahnsinn dringt er in ein Schulgebäude ein und bringt es zum Einsturz. Sechzig Kinder werden von den Trümmern erschlagen. Unser wahnsinniger antiker Leistungssportler Kleomodes flieht unter den Steinwürfen der aufgebrachten Bürger. Er wird nie mehr gesehen. Ein olympisches Schicksal. "The winner takes it all", nur ein Sieg zählt. In den Büchern stehen noch die Zweiten und die Dritten. In der Ruhmeshalle nur die Sieger.

Nun werden bei Stadtlauf oder Volkslauf einige langsam laufen, andere schnell. Die einen laufen zum ersten Mal, für die anderen sind die 10 km eine kleinere Trainingseinheit. Die einen werden laufen, was das Zeug hält, andere halten sich etwas zurück, weil sie an einem der kommenden Sonntage bei irgendeinem der großen Marathons powern wollen. Die einen laufen um den Sieg, die anderen laufen, weil es einfach Spaß macht.

Die Motive sind also verschieden. Das Feld der Läuferinnen und Läufer wird sich breit und lange ziehen. Eines eint alle: Sie leisten etwas Wunderbares mit ihrem Körper, mit ihrer Energie, mit ihrem Willen.

In Psalm 139 lesen wir: "Ich danke dir, Gott, dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele." (Psalm 139,14)

Wer diese Dankbarkeit spürt, wird nicht wahnsinnig, wenn er bei den Olympischen Spielen nicht gewinnt; wird nicht wahnsinnig, wenn ihn eine blöde Verletzung gerade vor einem Höhepunkt um Wochen zurückwirft. Schade, aber das wird wieder. Es werden so viele Läufe angeboten, an denen du dich wieder beteiligen kannst.

Und wer im Wald unter der Woche trainiert, der freut sich auch über die vertrauten Gesichter. So wie wir uns sonntags freuen, wenn wir unsere Seele trainieren beim Gottesdienst. Wenn wir unsere Seele an die frische Luft - an die Sonne - bringen, so wie wir unseren Körper beim Laufen mit Sauerstoff füllen. So halten wir unsere Seele beim Gottesdienst ins Licht Gottes.

Es ist schon großartig, was Gott dem Menschen schenkt. Und wenn der Mensch das Geschenk mit anderen teilen kann, ist das Glück noch umso größer.

Und schließlich, wer diese Dankbarkeit spürt, wird auch mit anderen Augen auf den schauen, dem diese Gabe der Gesundheit genommen ist. Der das nicht mehr kann, oder noch nie konnte, was wir nachher tun - schnell und gesund und mit einer gesunden Koordination der Sinne, der Muskel, der Nerven sich schnell fortzubewegen.

Wer dankbar ist, wird an diesem Punkt nicht abheben, sondern wird eher bescheiden, weil er spürt, was dem anderen fehlt, der krank ist oder nicht mehr kann.

Wir sind vielleicht schneller als viele andere, aber wir laufen denen, die nicht mehr können, nicht davon. Am Anfang unseres Laufes heißt es: Wunderbar gemacht!

Gott gebe, dass es auch in der Mitte und am Ziel heißt: Wunderbar gemacht.