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Politik

Wo sind Wilders' Wähler?

Barbara Wesel
14. Februar 2017

Die Partei von Geert Wilders könnte nach der Wahl im März die stärkste politische Kraft im niederländischen Parlament sein. Aber selbst in seiner Heimatprovinz Limburg machen sich seine Anhänger rar.

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Geert Wilders (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Sie haben ihn den 'Neger von Venlo' genannt", erzählt der Wirt des Restaurants "Prins Bernhard" an der Einkaufsmeile der 100.000-Einwohner-Stadt. Aber ob Matheus da örtliche Kneipengespräche wiedergibt oder den Klatsch aus der Lokalpresse, ist unklar. Alle in Venlo würden die Geschichten aus der Kindheit von Geert Wilders kennen, beteuert der Wirt, dass nämlich die anderen Kinder den Geert immer verhauen hätten, weil seine Mutter aus Indonesien stammte und er ein bisschen anders aussah. 

Wie beliebt ist Wilders in seiner Heimat?

Matheus ist Wähler von Wilders - und eine Ausnahme: Er bekennt sich offen dazu. "Wir machen hier die Grenzen wieder dicht, damit keine Ausländer mehr reinkommen. Das sind doch sowieso alles Wirtschaftsflüchtlinge", wiederholt der Wirt die Parolen aus dem Wahlkampf der PVV (Partij voor de Vrijheid). Dabei sind nicht-weiße Gesichter in der Stadt selten, Frauen mit Kopftüchern gar an einer Hand zu zählen. Aber Matheus erzählt von Marokkanern und von Überfällen auf ältere Leute. Er hat die Fälle nicht selbst gesehen, aber er glaubt der Parteipropaganda.  

'Prins Bernhard' in Venlo Foto: DW/B. Wesel)
Zentral in Venlo gelegen: das 'Prins Bernhard'Bild: DW/B. Wesel

Wenn aber die Grenzen zu den Nachbarn in Deutschland und Belgien wieder geschlossen würden, hätte er keine Angst um sein Geschäft? Fast alle Tische im "Prins Bernhard" sind mit deutschen Ausflugsgästen besetzt. "Ach was, die kommen immer", beruhigt der Wirt. Er ist auch dafür, dass die Niederlande aus der EU austreten, um wieder alles selbst zu entscheiden. Europa macht er irgendwie dafür verantwortlich, dass es nicht genug Wohnungen für Niederländer gebe, und dass Leute in schlecht bezahlten Jobs sich nicht alles leisten könnten.

Außerdem glaubt Matheus, dass durch den Euro alles teurer geworden sei. "Wenn wir zurück gehen zum Gulden, kostet alles nur noch die Hälfte." Wirklich? Jedes Argument zerschellt an der Kraft seiner Überzeugung.

Blumenstand in Venlo (Foto: DW/B. Wesel)
Tulpen - in Gulden preiswerter?Bild: DW/B. Wesel

Die Niederlande für Niederländer

Robert Housmans zu befragen, ist wie mit einem Klon von Geert Wilders zu reden. Er ist Fraktionsvorsitzender der PVV, der zweitstärksten Fraktion im Regionalparlament von Limburg. Und als Nummer 20 auf der Landesliste hat Housmans gute Chancen, im März ins Parlament in Den Haag einzuziehen.

 "Wir wollen unsere Souveränität zurück", sagt er auf die Frage nach der Anti-EU-Haltung seiner Partei. "Wir wollen kein Geld für Griechenland mehr geben" und selbst entschieden, wer ins Land kommen darf. Dabei haben die Niederlande bereits die schärfste Asylgesetzgebung in Europa.

Auch bei Housmans kommen die Geschichten von den grenzüberschreitenden Räuberbanden vor. Und auf keinen Fall sieht er einen Ausritt aus der EU als wirtschaftliches Problem: "Es ist einfach, ein bilaterales Abkommen mit Deutschland, Belgien oder Frankreich abzuschließen", behauptet der Regionalpolitiker kühn. 

Und schließlich noch eine Dosis Islamfeindlichkeit: "Der Islam ist eine beherrschende Ideologie, will die Welt erobern…", betet Robert Housmans die Thesen seines Parteivorsitzenden Wilders nach. Und dann dichtet er der Provinz Limburg gleich noch eine 3000-jährige jüdisch-christliche Geschichte an. Ob er denn glaube, dass ein kleines Land wie die Niederlande global allein bestehen könne? Die Antwort heißt bloß: "Ja". Die Auseinandersetzung mit Interviewern gehört nicht zum Programm der PVV, meist verweigern sich ihre Vertreter dem Gespräch.  

Robert Housmans (Foto: DW/B. Wesel)
Wilders-Anhänger: Robert Housmans (PVV)Bild: DW/B. Wesel

Wir müssen Vertrauen zurückgewinnen

Martijn van Helvert bewundert an diesem Morgen in einer Großdruckerei im benachbarten Echte seine lebensgroßen Wahlplakate. "Viele Leute sind wütend und enttäuscht", sagt der Kandidat von den Christdemokraten. Sie liegen landesweit nur bei 14 Prozent, nachdem sie jahrelang Regierungspartei waren. Die Leute seien enttäuscht, sagt van Helvert, weil alle ihnen Versprechungen gemacht hätten, die keiner einhalten konnte. Steuererleichterungen, Geld für Ältere - alles nur leere Worte. 

Der junge Christdemokrat setzt in seinem Wahlkampf auf persönliche Kontakte: "Ich habe eine Bürgersprechstunde und versuche da den Leuten zu helfen, ihre Probleme zu lösen." Natürlich sei nicht alles Sache der Regierung, aber es gebe zu viele enttäuschte Erwartungen. Wenn Niederländer jahrelang auf eine Sozialwohnung warten müssten, Flüchtlinge aber schnell eine bekämen, sei das eine toxische Situation.

Martijn van Helvert (Foto: DW/B. Wesel)
Wilders-Gegner: Martijn van Helvert (CDA)Bild: DW/B. Wesel

Warum aber gebe es in den wohlhabenden Niederlanden mit rund zwei Prozent Wirtschaftswachstum so viele wütende Menschen? Van Helvert glaubt, es gebe zu viele Verlierer, ähnlich wie in den USA. "Premier Rutte hat nur Optimismus verbreitet. Wer hart arbeitet, dem werde es nach vier Jahren besser gehen. Und das stimme eben nicht." Die Ursache für die schlechte Lage der alten Mehrheitsparteien sei deren verlorene Glaubwürdigkeit.

"Was der sagt, ist bekloppt…"

Zurück in der Fußgängerzone von Venlo - auf Suche nach den Wählern von Wilders: "Wir leben doch gut hier. Ich bin nicht unzufrieden. Und Wilders mag ich überhaupt nicht. Der debattiert doch nicht und schickt nur Tweets, und was er sagt, ist bekloppt", meint ein älterer Mann. Ein Pärchen findet den Sohn der Stadt total "unsympathisch", und seine Politik sei überhaupt nichts für sie.

Der nächste Passant räumt ein, dass er manche kenne, die für Wilders sind. "Der hat schon Ideen, wo man denkt, ok - auch in den Niederlanden gibt es arme Leute. Wir müssen nicht alles Geld nach Afrika schicken." Er will ihn aber trotzdem nicht wählen: "Es wird alles immer komplizierter, und so einfach wie bei Wilders ist es eben nicht."

Die Verkäuferin im Käseladen ist mit dem ganzen System nicht zufrieden: "28 Parteien bei der Wahl, das sind doch zu viele! Ein paar Parteien - Links, Rechts und in der Mitte - das muss doch reichen. So ist es am Ende ein völliges Chaos." Auch sie ist gegen Wilders.

Erst ein Rentner, der seinen Terrier ausführt, bekennt sich schließlich zu dem Rechtspopulisten: "Der schmeißt die Türken raus und die Marokkaner, dann geht alles wieder wie von selbst." Bloß aus der EU austreten will auch dieser Wähler nicht, und ist damit einig mit vielen Landsleuten: Ein bisschen Protestwahl, ein bisschen Ausländerfeindlichkeit - durchaus. Aber die ganze Wirtschaft umstürzen - das dann doch lieber nicht.