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Wo verfolgte Schriftsteller Zuflucht finden

Rebecca Herber
24. März 2019

Das Heinrich-Böll-Haus nimmt Schriftsteller auf, die in ihrem Land nicht frei schreiben können. Zurzeit lebt Rabab Haidar aus Syrien dort. Sie musste aus ihrer Heimat flüchten, weil sie Widerstand gegen Assad leistete.

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Rabab Haidar, Autorin
Bild: Privat

Rabab Haidar ist einer der zahllosen Menschen, die in Deutschland Sicherheit suchen. Sie ist Autorin und Journalistin aus Damaskus und im Oktober 2018 nach Deutschland geflohen. Der syrische Bürgerkrieg, der seit acht Jahren andauert, vertrieb sie aus ihrem Heimatland.

In Langenbroich in Nordrhein-Westfalen hat Rabab Haidar Zuflucht gefunden. Im ehemaligen Wohnhaus des deutschen Schriftstellers Heinrich Böll werden seit drei Jahrzehnten Autoren aufgenommen, die in ihrer Heimat nicht frei schreiben können. Rabab Haidar hat ein Jahresstipendium erhalten und kann dort seit Oktober in Ruhe leben und an ihrem zweiten Roman arbeiten. 

Wut auf das syrische Regime

"Ich war lange so wütend. Es sollte doch eigentlich nicht so sein. Ich sollte mich nicht in meinem Land verstecken müssen und ich sollte nicht so lange in Furcht leben müssen. Ich sollte nicht als verdammter Flüchtling hierher kommen müssen." Das Wort Flüchtling kann sie nicht leiden, zu negativ werde es wahrgenommen. "Wir starten als Flüchtlinge, aber dann sind wir Immigranten. Wir versuchen, die Menschen um uns herum zu verstehen und uns zu öffnen, sodass wir verstanden werden. Wir mussten unser Land verlassen. Ich habe bis zum letzten Moment dafür gekämpft, dass ich nicht gehen muss."

Glücklich darüber, im Heinrich-Böll-Haus leben zu können, ist sie trotzdem sehr. "Hier haben schon Autoren gelebt und gearbeitet, die meine Identität geformt haben. Sie sind meine Idole, ich bin so stolz hier zu sein."

Die Schriftstellerin lebt mietfrei und bekommt ein monatliches Gehalt. Zurzeit sind neben ihr noch zwei weitere Autoren im Haus. Sie stammen aus dem Jemen und aus Saudi-Arabien.

Ausruhen in der Provinz

Deutschland ist für Rabab Haidar bisher ein Ort der Entspannung und der Erholung. Die ersten drei Monate habe sie weder gelesen noch geschrieben. Oft habe sie einfach nur dagesessen, viel geschlafen und sich Sorgen gemacht. "Um ehrlich zu sein, bin ich auch hier, um eine Pause zu bekommen. Hier, mitten im Nirgendwo, kann ich zu mir zurückfinden. In Kriegszeiten hat man keine Zeit, einmal innezuhalten und nachzudenken, man steht immer unter Adrenalin. Das ist anstrengend."

Ihr neues Buch wird auch von Krieg handeln. Zwar spiele die Geschichte in Syrien, aber sie wolle von Dingen erzählen, die in jedem Land passieren können. "Diese Menschen versuchen zu überleben, einige werden nach Deutschland kommen, einige das Leben in Syrien überstehen." Eine Figur im Buch zerbricht am Krieg, eine andere wird stärker und kann sich immer besser von ihren Großeltern lösen, die sie misshandeln. Helden aber gibt es nicht. "Sie sind einfach nur Menschen, die alles tun, um zu überleben. Einige werden töten, viele werden lügen."

"Mentale Folter" durch den Geheimdienst 

Ihre Vergangenheit in Syrien sei keine große Geschichte, sagt Rabab Haidar, und legt dann doch mit einer los. Als Teil des Widerstandes gegen das Regime von Baschar al-Assad wurde sie verfolgt, nicht nur von der Regierung selbst, sondern auch von Unterstützern aus dem Volk.

Sie wurde für kritische Publikationen in Zeitungen unter Druck gesetzt, die sie unter mehreren Pseudonymen veröffentlicht hatte. Bei einem ihrer Artikel, der sich klar gegen das Regime aussprach, sei versehentlich ihr richtiger Name abgedruckt worden. Zwei Monate habe sie in "lähmender Angst" gelebt, habe immer wieder mit dem Geheimdienst sprechen müssen. "Das fand an schrecklichen Orten statt, sie haben viele Arten der mentalen Folter für ihre Gegner", erzählt sie. "Sie nennen das: 'eine Diskussion führen'."

"Wer an das Regime glaubt, kann nicht mein Freund sein"

Rabab Haidar ist Alawitin und damit Teil der schiitischen Glaubensgemeinschaft. Dass Syriens Diktator Baschar al-Assad ebenfalls Alawit ist, sei kein Vorteil für die Schriftstellerin, erklärt sie. "Er glaubt gerne, dass wir sein Volk sind und er möchte, dass auch die anderen Syrer das glauben. Deswegen will er unbedingt vermeiden, dass sich Alawiten öffentlich gegen ihn und sein Regime aussprechen. Wir werden weniger gefoltert, dafür mehr eingeschüchtert."

Mehrfach hat sie ihre Wohnung wechseln müssen. Langjährige Freundschaften seien zerbrochen. "Manche Menschen glauben wirklich an das Regime. Dadurch werden auch sie zu deinen Feinden. Das Regime ist nicht nur ein Herrscher, es ist ein Wertesystem. Wer an diese Werte glaubt, kann nicht mein Freund sein. Das tut mir weh, aber ich kann mich nicht friedlich mit ihnen auseinandersetzen", sagt sie.

Hoffnung auf ein besseres Syrien

Noch in Syrien, erhielt sie einmal eine Einladung nach Kanada, zu einer Lesung, organisiert vom Goethe-Institut. Auf die Schnelle konnte sie kein Visum beantragen. In einem Internet-Café schaltete sie sich daher per Skype zu. Es war drei Uhr nachts, nur ein paar Jugendliche hingen noch dort herum. Als sie zu lesen begann, hörten ihr alle zu; die Menschen in Kanada und die Syrer in dem kleinen Internet-Café. "Sie hätten mich verraten können, ich wäre verloren gewesen. Aber sie haben es nicht getan. Und das ist der Grund, warum ich noch an Syrien glaube." Trotzdem könne sie nicht zurückkehren. Zumindest nicht in das Syrien, das sie verlassen hat.