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Wolfowitz neuer Weltbankpräsident

31. März 2005

Der stellvertretende US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz wird neuer Präsident der Weltbank. Der Exekutivrat der Bank wählte den 61-Jährigen am Donnerstag (31.3.) in Washington nach längerer Diskussion einstimmig.

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Vor seiner Wahl in WashingtonBild: AP

Wolfowitz tritt am 1. Juni die Nachfolge von James Wolfensohn an, der nach zehn Amtsjahren in den Ruhestand geht. Die Nominierung von Wolfowitz durch die US-Regierung hatte vor zwei Wochen weltweit Skepsis ausgelöst. Er gilt als Vordenker der US-Strategie von Präventivschlägen gegen gefährliche Regime, wie sie im Irak umgesetzt wurde. Das mache ihn an der Spitze einer multilateralen Organisation inakzeptabel, hieß es. Bundeskanzler Gerhard Schröder räumte ein, Wolfowitz' Ernennung habe in Europa "keine Begeisterung" ausgelöst.

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Wolfowitz hatte sich in den vergangenen Tagen aber die Unterstützung der wichtigsten Beitragszahler gesichert. Er war unter anderem im Brüssel mit europäischen Entwicklungspolitikern zusammengetroffen, die sich zufrieden über seine programmatischen Vorstellungen äußerten. Wolfowitz versicherte in Brüssel, er glaube zutiefst an die Aufgabe der Bank.

Weltbank
Weltbank-Zentrale in Washington D.C.Bild: AP

Beim Helikopter-Flug über die Tsunami-Notstandsgebiete in Asien will Paul Wolfowitz wichtige Eingebungen für seinen neuen Job empfangen haben. "Die wirtschaftliche Entwicklung stützt die politische Entwicklung", das sei ihm durch die Flutwellen-Katastrophe voll bewusst geworden, sagte der künftige Präsident der Weltbank kürzlich in einem Zeitungsinterview. So sehr sich der bisherige zweite Mann im Pentagon in den vergangenen Wochen aber auch bemüht hat, sein humanitäres Engagement herauszukehren - viele Kritiker rund um die Welt sehen in ihm weiter vor allem den Kriegstreiber, der mit seinem hartnäckigen Plädoyer gegen Saddam Hussein der US-Invasion im Irak von früh an den Boden bereitete.

Kein klassischer "Falke"

Trotz seiner Schlüsselrolle bei der Planung des Irak-Kriegs passt Wolfowitz aber schlecht in das Klischee eines "Falken". Brandreden sind nicht sein Ding, stattdessen argumentiert der Politik-Professor in mildem Ton und geschliffenen Wendungen. Der Sohn eines nach dem Ersten Weltkrieg aus Polen in die USA emigrierten jüdischen Mathematikers wurde in seiner Weltsicht tief durch den Holocaust geprägt, in dem die gesamte Familie seines Vaters getötet wurde.

Als junger Mann nahm Wolfowitz an Protesten gegen die Rassendiskriminierung in den USA teil. Während seines Berufslebens pendelte er wiederholt zwischen Universität und Politik. In den 1980er Jahren war er Botschafter in Indonesien, dem bevölkerungsreichsten moslemischen Land der Welt - eine Erfahrung, von der er für seinen Weltbank-Job zu profitieren hofft.

Beitragshöhe und Stimmrecht

Zudem dürfte Wolfowitz bereits über erhebliches Insiderwissen über die mächtige Finanzinstitution verfügen. Der dreifache Vater, der seit einigen Jahren in Trennung von seiner Ehefrau lebt, ist mit der Weltbank-Managerin Shaha Ali Riza liiert. Die in Tunesien geborene und in Saudi-Arabien aufgewachsene Moslemin ist für die Kontakte der Bank in den Nahen Osten und nach Nordafrika zuständig.

Im Chefsessel der Weltbank sitzt traditionell ein Amerikaner, bei der Schwesterorganisation, dem Internationalen Währungsfonds (IWF), ein Europäer. Entwicklungsländer kritisieren diese Tradition seit Jahren. Vertreter von 108 Entwicklungs- und Schwellenländern forderten am Donnerstag noch einmal, Spitzenposten nach Qualifikation der Kandidaten und nicht nach deren Nationalität zu vergeben. Mit dieser Forderung können sie sich aber nicht durchsetzen. In den Finanzorganisationen werden die Stimmrechte nach Höhe der Beiträge verteilt. Die USA, Japan und Europa haben dadurch rund ein Drittel der Stimmen sicher und stemmen sich gegen eine Reform. (wga)