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Wrrrummmmmm!!

7. September 2010

Es sind nicht immer Worte und Redewendungen, die das Sprechen der Zeitgenossen prägen. Oft ist es auch der Tonfall. Früher ahmten viele Leute den Politiker A oder den Schauspieler B nach.

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Deutschland Schriftsteller Burkhard Spinnen.
Burkhard SpinnenBild: privat
Heute ist es eher Mode, wie das Model X oder der Moderator Y zu reden. Unter den verschiedenen Intonationsmoden gibt es nun eine, die mir nicht putzig und unbedenklich, sondern grauenhaft und vielleicht sogar gefährlich erscheint. Es ist die insbesondere unter jungen Menschen heute sehr verbreitete Manier des Schnell- oder Schnellstsprechens. Oder besser sagte ich wohl: des Turbostotterns.

Hastig, hastig, hastig

Denn hier wird nicht einfach schnell gesprochen, nein, es soll vielmehr das Kunststück gelingen, mehrere Sätze gleichzeitig zu sagen. Man fängt also, in atemberaubender Geschwindigkeit, einen Satz an – und längst bevor man ihn beenden kann, lässt man ihn von einem zweiten ein- und überholen, worauf ein dritter die ersten beiden zur Seite fegt, um freilich genau so wenig wie sie zu Ende gesprochen zu werden, weil ein vierter das verhindert. Erstaunlich an dieser Sprechweise ist, dass die Zuhörer oftmals tatsächlich noch eine Idee vom Sinn der Rede bekommen, freilich nur, wenn sie in der Lage sind, sich all die ausgefallenen Satzenden hinzuzudenken.

Und warum reden die jungen Leute so? Die hoffnungsvolle Antwort wäre die, dass sie es nicht nötig haben, langsam und ausführlich und in vollständigen Sätzen zu sprechen, weil sie mit ihren Zuhörern die gleiche Erlebnis und Bewusstseinswelt teilen und also schon Andeutungen und Teilsätze reichen, um ganze Botschaften zu vermitteln. Es gab ja auch einmal eine Schrift, die keine Vokale kannte. Die musste man sich hinzudenken. Das hat auch funktioniert.

Ich rede, also bin ich (dran)

20, Auto, Autoschild, Geschwindigkeit
schneller sprechen nicht erlaubtBild: M.Nelioubin

Doch ich tendiere leider zu einer besorgten Antwort. Die jungen Leute geben einander keine Zeit. Der Drang, dem Vorredner ins Wort zu fallen, ist so groß, dass der, der es gerade hat, es verteidigt wie ein Fußballer das Leder. Er dribbelt, er rennt, er fintiert – nur um den Ball nicht hergeben zu müssen, bis er schließlich, völlig orientierungslos und außer Puste, am nächstbesten Verteidiger scheitert.


Und hier ist es ähnlich. Die offenbar sehr berechtigte Sorge, sofort unterbrochen zu werden, führt zu einem wüsten Sprachgehampel, das nur Geschwindigkeit und keine Richtung kennt und sich deshalb selbst ausspielt, noch bevor das ein Gegner tut. So ist das Schnellstsprechen ein Ausdruck der Angst, nicht durch das, was man sagt, bestehen zu können, und ein Ausdruck der vergeblichen Hoffnung, Geltung durch Geschwindigkeit, also Qualität durch Quantität erreichen zu können.

Und dann gibt es noch eine Möglichkeit, das Phänomen zu deuten: Nicht die Jungen werden schneller, sondern ich werde älter und langsamer. Aber das kann ich mit Sicherheit ausschließen!

Redaktion: Gabriela Schaaf

Burkhard Spinnen, geboren 1956, schreibt Romane, Kurzgeschichten, Glossen und Jugendbücher. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Spinnen ist Vorsitzender der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises. Zuletzt ist sein Kinderbuch "Müller hoch Drei" erschienen (Schöffling).