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WTO: 2021 soll Wendepunkt für Welthandel sein

Marina Strauß
26. April 2021

Die EU will die WTO reformieren. Dabei setzt sie auf die neue Chefin der Welthandelsorganisation: Ngozi Okonjo-Iweala hält 2021 für einen "Wendepunkt" für den Welthandel. Doch dafür müssten alle mitziehen.

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Ehemalige Außen- und Finanzminister Ngozi Okonjo-Iweala
Bild: Fabrice Coffrini/AFP

Ngozi Okonjo-Iweala ist eine dieser Frauen, in die viele ihre Erwartungen setzen. Eine der Frauen, die mit Hoffnung geradezu überladen werden: die erste Frau, die erste Afrikanerin an der Spitze der Welthandelsorganisation (WTO). Dass die Nigerianerin - nach einer langen Karriere bei der Weltbank und als Ministerin in ihrem Heimatland - den Posten der WTO-Generalsekretärin ausfüllt, lässt auch die Europäische Union hoffen. Deutlich wurde das an diesem Montag während eines Online-Events der EU. Ngozi Okonjo-Iweala und der für Handel zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, waren zur Diskussion geladen. Das Thema: die Rolle der WTO und der EU im globalen Handel.

Okonjo-Iweala betonte zwar die Bedeutung der WTO für den Welthandel, wies aber gleichzeitig auf immense Herausforderungen wie Klima- und Gesundheitsfragen, digitalen Wandel und soziale Teilhabe hin: "Handel hat in den vergangenen Jahrzehnten fast eine Milliarde Menschen aus der Armut geholt, aber einige wurden auch zurückgelassen."

Belgien EU-Kommission Pressekonferenz Valdis Dombrovskis
Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der Europäischen Kommission in BrüsselBild: Reuters/E. Vidal

Über diese Punkte waren sich die WTO-Chefin und der lettische EU-Vertreter Dombrovskis einig. Und auch darin, dass die Regeln der Welthandelsorganisation aus den 1990er Jahren nicht mehr mit der Realität des 21. Jahrhunderts kompatibel seien. Deshalb habe die EU Reformen für die WTO vorgeschlagen, sagte Dombrovskis.

EU fordert WTO-Reformen

Und tatsächlich pocht die EU als Teil ihrer im Februar 2021 vorgestellten neuen Handelsstrategie auf ebendiese Neuerungen. Grund dafür ist die Kritik, die in den vergangenen Jahren auf die WTO mit Sitz in Genf geradezu einhagelte.

Die Welthandelsorganisation soll Regeln für den weltweiten Handel definieren und Streitfälle zwischen den 164 Mitgliedern schlichten. Doch genau bei dieser zentralen Aufgabe war die WTO zuletzt lahmgelegt. Weil der frühere US-Präsident Donald Trump nicht mit den Urteilen des WTO-Berufungsgerichts einverstanden war, blockierten die USA die Wahl neuer Richterinnen und Richter.

Okonjo-Iweala: Die WTO muss Erfolge liefern

Die EU hofft nun, dass sich das ändert - mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden, der wesentlich mehr von Multilateralismus hält als sein Vorgänger. Und auch mit Ngozi Okonjo-Iweala an der Spitze der WTO, sagte Dombrovskis: "Jetzt ist der richtige Moment. Wir müssen nach vorne gehen."

USA | Washington | Rede Präsident Joe Biden
Hoffnungsträger Joe Biden: Die EU und die WTO erwarten weniger schwierige Voraussetzungen für globalen Handel als mit seinem Vorgänger Donald TrumpBild: Andrew Harnik/AFP/Getty Images

Tatsächlich will auch Okonjo-Iweala die WTO am liebsten noch in diesem Jahr reformieren: 2021 werde ein "Wendepunkt" für den globalen Handel und die WTO. Jetzt müsse man Erfolge liefern, um zu beweisen, dass die WTO noch dazu in der Lage sei. Auch den Eindruck, dass es nach den für die WTO schwierigen Trump-Jahren vorangehen könnte, bestätigte sie: "Wir haben sehr positive und konstruktive Rückmeldungen von der US-Regierung bekommen."

Okonjo-Iweala nutzte die Gelegenheit aber auch, die USA und das Vereinigte Königreich für ihre Impfstoff-Politik zu kritisieren: Bisher seien nur 0,3 Prozent der Impfdosen in Ländern mit niedrigem Einkommen verabreicht worden. Die Welt, mahnte Okonjo-Iweala, sei erst sicher, wenn jeder Zugang zu diesem Schutz hätte. Lobend erwähnte sie die Impfstoff-Exporte aus China und Indien.

Zwist mit China

Während die Zeichen für EU und USA - trotz weiter bestehender Handelskonflikte - wohl auf Neustart stehen, sieht es mit dem anderen großen EU-Handelspartner ganz anders aus: China sei in einigen Jahren wahrscheinlich die stärkste Wirtschaftsmacht, sagte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis: "Es ist klar, dass wir mit China interagieren müssen und dass wir einen Weg finden müssen, wie wir das machen."

Gleichzeitig nannte er eine Reihe von Faktoren, die zur "Verzerrung des globalen Handels" führten: mangelnde Transparenz bei Industrie-Subventionen, Wettbewerbsverzerrungen, die Rolle von staatseigenen Unternehmen, Probleme bei der Wahrung geistiger Eigentumsrechte. Dombrovskis unterstrich zudem, dass EU-Firmen weniger Zugang zum chinesischen Markt hätten als andersherum. Ein Gefälle, das sich eigentlich mit dem Investitionsabkommen CAI ändern sollte, auf das sich die Europäische Union und China Ende 2020 nach jahrelangen Verhandlungen geeinigt hatten.

Regeln dürfen nicht auf China abzielen

Valdis Dombrovskis lobte dieses Abkommen zwar, weil die chinesische Seite mehr Zugeständnisse hätte machen müssen als die EU. Dennoch machte er auch klar, dass es noch viele Hürden gebe, bis es tatsächlich in Kraft treten könne. Einer der vielen Streitpunkte ist die Tatsache, dass China im März Sanktionen gegen mehrere EU-Politiker erließ. Davor hatte die EU ihrerseits Strafmaßnahmen wegen Chinas Vorgehen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren verhängt.

Symbolbild Handelsbeziehungen EU - China
Die EU-Kommission will mit neuen Regeln verhindern, dass europäische Firmen von hoch subventionierten ausländischen Firmen übernommen werden - etwa solchen aus ChinaBild: Imago/C. Ohde

WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala sagte, sie verstehe die Sorge vieler WTO-Länder, dass China von unfairen Wettbewerbsbedingungen profitiere. Aber das asiatische Land sei auch Teil der Welthandelsorganisation - und zwar ein großer. In ihren Gesprächen mit der chinesischen Führung habe sie keinen "mangelnden Willen" verspürt. Klar sei aber auch: Die WTO müsse zeigen, dass sie mit bestimmten Schritten nicht speziell China im Auge habe, sondern dass es um allgemeine Regeln gehe. "Wenn China das Gefühl hat, es geht nur um China, stoßen wir auf viel Widerstand."