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Wünsche für Washington

13. November 2008

Es geht um viel auf dem bevorstehenden Weltfinanzgipfel in Washington. Henrik Böhme hat mal seinen Wunschzettel aufgeschrieben.

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Bild: DW
Kommentarbild Henrik Böhme Bonn Deutsch

Ich beneide alle, die am kommenden Wochenende in Washington dabei sein werden. Denn sie werden dabei sein, wenn Geschichte geschrieben wird. Was immer auf diesem Treffen beschlossen wird: Es wird die Welt, in der wir leben, für die kommenden Jahre, wenn nicht Jahrzehnte prägen. Das gilt auch für den Fall, wenn sich die Herrschaften nicht einigen können. Daran mag ich aber lieber nicht denken.

Nun müssen sie nicht gleich das Ende des Kapitalismus ausrufen – und das wird auch nicht geschehen. Aber ich wünschte mir, dass man das, was wir Deutschen die soziale Marktwirtschaft nennen, das so etwas ganz oben auf dem Plan steht, den es zu beschliessen gilt. Es muss die ganz klare Ansage geben: So wie bisher geht es nicht mehr weiter. Der Finanzmarkt darf kein Spielcasino mehr sein. Der Markt wird das schon regeln – dieser Satz gilt nicht mehr. Das müssen auch Briten und Amerikaner einsehen. Die haben bislang immer nur milde gelächelt, wenn irgendwer mehr Transparenz für Hedgefonds und Rating-Agenturen gefordert hat.

Neues Haus muss her

In Washington müssen sie das Fundament gießen, auf dem in den kommenden Monaten ein neues Haus gebaut werden soll. Ich würde dieses Haus – an dessen Eingangstür Weltfinanzsystem stehen wird – so modern wie möglich bauen. Stabil genug, um Stürmen wie den derzeitigen, zu widerstehen. Aber auch ganz viel Glas, damit man sehen kann, was hinter den Türen geschieht. Auch: stabile Geländer, an denen man sich zur Not festhalten kann. Und auf jeder Etage in möglichst vielen Sprachen die Spielregeln. Zum Beispiel:

  • Du sollst nicht gierig sein.
  • Du sollst nicht lügen.
  • Verkaufe nur, was Du auch erklären kannst.

Und für die Kundschaft:

  • Kaufe nur, was Du verstehst.

Die gigantische Krise, die wir derzeit erleben, sie wird hoffentlich genügend Druck zum Handeln erzeugt haben. Wir kennen die Ursachen. Wir wissen jetzt, dass es nicht ohne Aufsicht geht. Mehr Kontrolle tut Not. Überall gültige Standards für Bilanzen müssen her. Steueroasen müssen ausgetrocknet werden, und zwar alle. Wer sich weigert, muss international geächtet werden.

Neue Institutionen müssen her

Natürlich geht es auch in Zukunft nicht ohne Banken. Sie sind nun mal das wichtigste Element in einem System, dass nur mit Geld funktioniert. Aber ich wünsche mir den ehrlichen Bankkaufmann zurück, der ein Dienstleister des Systems ist – und nicht getrieben von wahnwitzigen Renditeversprechen, die er bringen muss.

Für all das braucht es neue Institutionen. IWF und Weltbank müssen komplett neu aufgestellt werden. Die aufstrebenden Nationen müssen ein viel größeres Mitspracherecht bekommen. Eine neue Finanzmarktaufsicht muss Architekt – und nicht Feuerwehrmann sein.

Zugegeben, es ist langer Wunschzettel. Aber es führt kein Weg dran vorbei: Es muss einen klaren Plan geben. In der Sprache der Politik heißt das: Ein Verhandlungsmandat mit einem klar definierten Ziel und einem Zeitplan. Keiner darf mit einem Minimalkonsens zufrieden sein. Damit rettet man sich üblicherweise über die Runden. Das wird am Wochenende in Washington nicht genügen.

Ich werde genau hinschauen. Und mit mir die ganze Welt.