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Politik

Kontroverse um Wurstmuseum

Jon Shelton | Ben Knight | Mara Bierbach
1. Februar 2019

Ein Bratwurstmuseum sollte auf das Gelände eines Außenlagers des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald ziehen. Diese Entscheidung hatte bundesweit für Empörung gesorgt. Nun sucht man nach Alternativen.

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Bratwurstmuseum Holzhausen
Bild: picture-alliance/dpa/J.-U. Koch

Das Deutsche Bratwurstmuseum in Thüringen sorgt für Aufregung – nicht etwa wegen Protesten von Veganern, sondern weil es auf ein Gelände ziehen soll, das früher ein KZ-Außenlager beherbergte. Trotz Protesten hatte der Stadtrat des nahe gelegenen Mühlhausen mit großer Mehrheit dafür gestimmt, die Fläche für den Bau des Museums freizugeben.

Doch nun lenkt die Stadt ein: Der Kulturminister und Antisemitismusbeauftragte Thüringens, Benjamin-Immanuel Hoff (Linke), gab nach Gesprächen mit Mühlhausens Oberbürgermeister Johannes Bruns (SPD) per Twitter bekannt, dass man einen neuen Ort für das Wurstmuseum suchen werde. "Der in Rede stehende Standort des Außenlagers des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald ist ungeeignet," so Hoff. 

Hoff kündigte ebenfalls an, dass Thüringen und die Stadt Mühlhausen versuchen würden, das ehemalige KZ-Außenlager als Gedenkstätte sichtbarer zu machen.   

Historische Bedeutung des Geländes nicht erkannt

Derzeit steht das erste Deutsche Bratwurstmuseum in Holzhausen, einem kleinen Dorf in Thüringen. Laut der Betreiber ist das derzeitige Gebäude jedoch zu klein, um den jährlich 50.000 Besuchern gerecht zu werden. Deshalb soll das Museum umziehen – auf ein Gelände in der benachbarten Kleinstadt Mühlhausen. Der neue Eigentümer, der Mühlhausener Klimaanlagen-Unternehmer Jan Kratochwil, und der Verein "Freunde der Thüringer Bratwurst e.V." hatten ehrgeizige Pläne: Neben dem neuen Museum sollten ein Hotel und ein Theater auf dem Gelände entstehen.

Bratwurstmuseum Holzhausen
Mai 2006 wurde das Deutsche Bratwurstmuseum in Holzhausen eröffnet und zieht seitdem Zehntausende von Besuchern anBild: picture-alliance/dpa/J.-U. Koch

Das Problem: Dort lebten vom September 1944 bis Februar 1945 in Baracken etwa 700 jüdische Frauen, die in einem Rüstungsbetrieb Zwangsarbeit verrichten mussten. Das Gelände war eine Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald. Dort starben mehr als 56.000 Gefangene, bevor die Allierten das Lager im April 1945 befreiten. Die historische Bedeutung schien vielen der Verantwortlichen in Mühlhausen lange nicht bewusst gewesen zu sein. Christian Fröhlich von der Wirtschaftsförderung Mühlhausen erklärte, man habe im Stadtarchiv nichts Problematisches zu dem Standort gefunden: "Hier war kein Außenlager von Buchenwald. Die Insassen haben höchstens dort übernachtet, aber nicht gearbeitet."

Das ist jedoch laut der Stiftung Gedenkstätte Buchenwald falsch. Stiftungssprecher Rikola-Gunnar Lüttgenau sagte dazu gegenüber der DW: "Es gibt Forschung zu diesem Lager, und die Existenz dieses Lagers ist unzweifelhaft. Die Geschichte dieses Ortes ist bislang in keinster Weise berücksichtigt worden." Für Lüttgenau ist der Umgang mit der Fläche in Mühlhausen Teil eines größeren Problems: "Leider gehört es zur Geschichte von Nachkriegsdeutschland, dass diese Orte häufig unsichtbar gemacht wurden. Das betrifft nicht nur die Außenlager, sondern sogar auch die Hauptlager."

Harsche Reaktionen von der Politik

Vertreter der jüdischen Gemeinde in Deutschland und Politiker zeigten sich über den geplanten Umzug des Wurstmuseums empört. "Bei allem Verständnis für touristische Attraktionen ist eine derart unsensible und geschichtsvergessene Entscheidung in keiner Weise nachzuvollziehen," so Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden. "Im Interesse aller Beteiligten sollte umgehend eine andere Örtlichkeit gesucht werden." Auch die Jüdische Landesgemeinde Thüringen sprach sich gegen den Umzug des Wurstmuseums auf die umstrittene Fläche aus: "Ein Standpunkt auf der Fläche einer ehemaligen Baracke jüdischer Zwangsarbeiterinnen ist nicht akzeptabel", so der Vorsitzende Reinhard Schramm.

Deutschland ehemaliges Konzentrationslager Buchenwald
Im Konzentrationslager Buchenwald starben zwischen 1937 und 1945 über zehntausende GefangeneBild: Getty Images/J. Schlueter

Aus dem thüringischen Landtag hagelte es ebenfalls Kritik an der Entscheidung des Mühlheimer Stadtrates. "Es ist und bleibt unser aller Verantwortung, dass solche Orte zum Gedenken, zur aktiven Auseinandersetzung mit der Vernichtung jüdischen Lebens in Deutschlands und den Erscheinungsformen von heutigem Antisemitismus genutzt werden. Im kompletten Widerspruch dazu steht die Errichtung des Bratwurstmuseums," so Katharina König-Preuss (Linke), Birgit Pelke (SPD) und Madeleine Henfling (Grüne) in einer gemeinsamen Erklärung.

Udo Keith, Leiter des Vereins "Freunde der Thüringer Bratwurst e.V.", sagte der DW, dem Verein sei es bis zum Mittwoch nicht bekannt gewesen, dass es "auf dem Projektgelände in Mühlhausen eine Nutzung vor 1945 gab." Keith kündigte der DW gegenüber an: "Vor dem Hintergrund der zu Tage getretenen Tatsachen werden wir in den nächsten Tagen die historischen Hintergründe aufklären und unter Einbeziehung aller Verantwortlichen und der öffentlichen Meinung eine komplette Neubewertung vornehmen."